02 / 2009 Beschwerdekammer II – Akte Leihbeamte: BVI + BMF

Ratsrügen gegen BVI und BMF
 

Der Vorgang:
 
Eine im Jahr 2003 in das Bundesfinanzministerium entsandte Mitarbeiterin des Bundesverbandes Investment und Asset Management e.V. (BVI) hat an einem die Branche unmittelbar betreffenden Gesetz mitgearbeitet. Betroffen ist das „Gesetz zur Modernisierung des Investmentwesens und zur Besteuerung von Investmentvermögen“ des Bundesfinanzministeriums aus dem Jahre 2003, das erstmals Hedgefonds in Deutschlands legalisierte. Die Mitarbeiterin hat laut BVI am eigentlichen Gesetzentwurf
mitgearbeitet und nicht nur fachliche Expertise zur Bewertung von Regelungen zugeliefert. Auch das Ministerium bestreitet lediglich eine Mitwirkung an „sensiblen Fragen der Hedgefonds“.
 
Das Urteil:
 
Berlin, den 26. März 2009: Das Vorgehen von BVI und BMF widerspricht den Transparenzkriterien des Deutschen Rates für Public Relations. Zudem erkennt der Rat eine Verletzung des Ausschlussgebots miteinander konkurrierender Interessen (Code de Lisbonne, Artikel 6). Im folgenden Anhörungsverfahren war für die Beteiligten nicht mehr ersichtlich, ob der vorliegende Gesetzentwurf bereits interessengeleitete Passagen enthielt oder nicht. Der DRPR spricht deswegen gegen die Beteiligten BVI und BMF eine öffentliche Rüge aus. Er bezieht sich dabei auf das Transparenzgebot der DRPR-Richtlinie
zur Kontaktpflege im öffentlichen Raum:
 
1.Transparenzgebot.
 
1.1 Das politische Kontakt- und Kommunikationsmanagement der im politischen Raum tätigen Unternehmen, Verbände, Stiftungen und sonstigen Organisationen zielt auf einen Personenkreis von Politikern und Beamten ab, der gegenüber Öffentlichkeiten rechenschaftspflichtig ist. Auch Public Affairs-Berater und Lobbyisten tragen daher dafür Sorge, dass ihre Organisation, ihre Interessen und ihre hauptsächliche Arbeitsweise (z.B. Lobbying, Pressearbeit, Veranstaltungen etc.) in geeigneter Weise öffentlich gemacht werden.
 
1.2 Public Affairs-Berater und Lobbyisten haben ihren politischen Gesprächspartnern ihre Auftraggeber sowie ihre und deren Interessen jeweils offen zu legen.
 
1.3 Nehmen Public Affairs-Berater und Lobbyisten an öffentlichen Diskussionen teil, die die Ziele der auftraggebenden Organisation berühren, so gilt die Pflicht zur Offenlegung des Auftraggebers und seiner Interessen auch gegenüber dem Diskussionspublikum. Dabei ist es unerheblich, unter welcher unverfänglichen Bezeichnung Public AffairsBerater und Lobbyisten auftreten. Sie dürfen nicht durch eine vorgeblich neutrale Position ihre tatsächliche Funktion verschleiern.
 
und den Code de Lisbonne, Art.6:
 
Public Relations-Fachleute dürfen ohne ausdrückliche Zustimmung der betroffenen Auftrag- oder Arbeitgeber keine sich widersprechenden oder miteinander konkurrierenden Interessen vertreten.
 
Die Urteilsbegründung:
 
Der Rat sieht es als erwiesen an, dass die entsprechende Mitarbeiterin bei der Mitarbeit an einem Gesetz, das ihren Verband unmittelbar betraf, nicht nur fachliche Expertise zur Bewertung von Regelungen zugeliefert hat. Diesen Sachverhalt hat der BVI eingeräumt. Das Ministerium schließt lediglich eine Mitwirkung an „sensiblen Fragen der Hedgefonds“ aus, die der BVI laut eigener Aussage auch gar nicht vertritt.
 
Der Rat betrachtet die Aussagen des BVI, es sei zu keiner Verletzung des Transparenzgebotes gekommen, als lebensfern. Angesichts der geschilderten Sachlage erscheint die Behauptung bestenfalls als naiv. Zudem haben es beide Beteiligte versäumt, die Mitarbeiterin vor Konflikten durch konkurrierende Interessen zu schützen.
 
Diese konkurrierenden Interessen wurden zudem nicht transparent gemacht: Bei Vorlage des ersten internen Gesetzentwurfs war nicht mehr nachvollziehbar, ob BMF-interne oder entsandte Mitarbeiter die entsprechenden Passagen erstellt hatten, ob also bereits ein von Interessen geleiteter Text vorlag. Damit wurde auch das sich anschließende Anhörungsverfahren im Gesetzgebungsprozess für die Beteiligten intransparent beeinflusst.
 
Das BMF hätte als disziplinarisch zuständige Behörde die Mitarbeit der entsandten Mitarbeiterin an einem den BVI betreffenden Gesetzentwurf unterbinden müssen. Nach der Richtlinie des Bundesinnenministeriums wäre eine solche Mitarbeit heute nicht mehr zulässig. Sie untersagte sich aber bereits damals aus den einschlägigen Transparenzgeboten der geltenden Kodizes. Daher rügt der Rat das Verhalten des BMF einhellig.
 
Die Mitarbeiterin wurde zudem vom BVI abgeordnet, ohne dass eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Verband und dem Ministerium getroffen wurde oder Verhaltensrichtlinien für Mitarbeiter in der Entsendesituation existierten. Der BVI hat sich zudem bis heute nicht mit den aus einer Entsendung erwachsenden Interessenkonflikten auseinandergesetzt. Eine gezielte nachträgliche Befragung der Mitarbeiterin fand ebenso wenig statt.
 
Die Einschätzung des BVI, man habe keine Verfehlungen begangen, sondern nur Fehler in der anschließenden Kommunikation gemacht, um schließlich zum Opfer eines unseriösen Journalismus zu werden, teilt der Rat nicht. Der BVI hat im vorliegenden Fall zwar weder Initiative ergriffen, noch die Aufsicht
geführt, aber offenkundig auch keine abweichenden Regelungen getroffen. Vielmehr war man stolz auf das Angebot zur Mitarbeit am Gesetz und hat die Gelegenheit dazu ergriffen. Dieses Verhalten ist aus Sicht der Mehrheit des Rates ebenfalls zu rügen.