04 / 2006 Schleichwerbung in der ARD

Ratsrüge gegen das Hilfswerk World Vision
 
Der Vorfall
 
Das Hilfswerk World Vision steht in den Listen der ARD-Clearingstelle mit vier Placements in der Serie Marienhof in den Jahren 2003/2004. Dafür wird in den Listen ein Netto-Umsatz von insgesamt EUR 30.600,- verzeichnet. Als Vermittler wird die Münchener Firma Kultur + Werbung (K+W) von Andreas Schnoor (Geschäftsführer) genannt.
 
Nachdem der Pressesprecher von World Vision Kurt Bangert die Dokumentation der ARD als nicht nachvollziehbar bezeichnet hatte, gewährte die ARD-Clearingstelle, vertreten durch ihren Vorsitzen-den, SWR-Justitiar Dr. Hermann Eicher, Einblicke in die Inhalte eines Vertrags vom 28.08.2003 zwi-schen der Produktionsfirma Bavaria Sonor und dem Vermittler K+W. Darin „wird exakt beschrieben, auf welche Weise ‚World Vision’ thematisch in Marienhof präsentiert werden sollte und in welchem Umfang von einer erfolgreichen ,aktiven Integration’ ausgegangen werden kann. […] Die Agentur K+W hat sich im Übrigen in diesem Vertrag ausdrücklich als ,bevollmächtigter Vertreter’ von ,World Vision’ bezeichnet.“ (ARD-Pressemitteilung vom 19.9.2005).
 
World Vision streitet den Vorwurf der Schleichwerbung bis heute ab. Auch gegenüber dem DRPR bleibt Kurt Bangert bei seiner Aussage, „zu keiner Zeit irgendwelche Kontakte zur Bavaria Sonor oder zu der Agentur K+W (oder deren Schwesterfirma H+S)“ gehabt zu haben. World Vision habe „Gelder weder an Filmproduzenten noch an den Sender gezahlt.“
 
World Vision hat dem Rat weiterhin mitgeteilt, mit „externen Mediendienstleistern“ zusammengear-beitet zu haben, wollte die Namen ihrer Partner aber auch auf Nachfrage nicht nennen. Diese waren – unter anderem – mit der unentgeltlichen Bereitstellung von Broschürenmaterial beauftragt. Über den darüber hinaus bestehenden Beratervertrag mit diesem Mediendienstleister verweigerte World Vision aber jede Auskunft. Auch Andreas Schnoor (K+W) gab dem DRPR hierzu „aufgrund bestehender Verträge und Vertraulichkeitsvereinbarungen keine Auskunft.“

 
Das Urteil
 
Bonn, 9. Mai 2006. Schleichwerbung stellt eine unzulässige Form der Zuschauerbeeinflussung dar. Sie ist nicht nur durch die Rundfunkstaatsverträge verboten. Auch der PR-Code de Lisbonne (Art. 4) und eine Verhaltens-richtlinie des DRPR zu Schleichwerbung und Product Placement gebieten offene und leicht als solche erkennbare Werbemaßnahmen.
 
Der DRPR spricht gegenüber dem Hilfswerk World Vision eine öffentliche Rüge aus. Ein Urteil ge-gen den Vermittler K+W ergeht wegen der Vielzahl der Fälle, in die die Firma involviert ist, zusam-menfassend und gesondert.
 

Die Urteilsbegründung
 
Der DRPR räumt der Aussage von Dr. Eicher als SWR-Justitiars und Vorsitzender der ARD-Clearingstelle einen besonderen Stellenwert ein. Die Veröffentlichung von Teilen aus dem Vertrag zwischen K+W und Bavaria Sonor zeigt die enge thematische Abstimmung der Placements. Eine sol-che Abstimmung mit Erfolgsdefinition für eine „aktive Integration“ erscheint dem Rat ohne eine di-rekte oder indirekte Beteiligung von World Vision nicht möglich.
 
Dass der Vermittler K+W sich in diesem Vertrag ausdrücklich als „bevollmächtigter Vertreter“ von World Vision bezeichnet, erscheint in diesem Zusammenhang als sehr schlüssig und ist direkt weder von dem Hilfswerk bestritten noch von K+W zurückgenommen worden.
 
World Vision hat ausdrücklich nur Kontakte zu Bavaria Sonor und K+W bzw. H+S sowie Zahlungen an Filmproduzenten und Sender bestritten. Eine Beteiligung und Honorierung anderer externer Medi-endienstleister wird von World Vision ausdrücklich zugegeben.
 
Dass diese Mediendienstleister ohne Wissen von World Vision Gelder direkt oder indirekt an die Pro-duktionsfirma geleitet haben, erscheint in Anbetracht der Summen und den von World Vision ge-nannten Gegenleistungen sehr unwahrscheinlich. Der Nachfrage des DRPR weicht Bangert in üblicher Weise aus: „Wir haben weder Gelder an Filmproduzenten noch an den Sender gezahlt.“