01 / 2006 Vermittlung von Schleichwerbung

Ratsrüge gegen die Agentur K+W / H.+S. (Andreas Schnorr)
 
Der Vorfall:
 
Der Unternehmensberater Andreas Schnoor betreibt in München die Firmen Kultur+Werbung (K+W) GmbH und H.+S. Unternehmensberatung GmbH. Die K+W steht als „Vertragspartner“ in den Listen der ARD-Clearingstelle im Zusammenhang mit bezahlten Placements in den Sendungen „Marienhof“, „In aller Freundschaft“, „Fahnder“, „Schimanski“ und „Tatort“. Nach Auskunft von Andreas Schnoor ist die K+W „ein Beratungsunternehmen im Schnittbereich Medien/Marketing“
 
Der Rat greift drei Vorgänge exemplarisch auf, bei denen er auch gegen die Schleichwerbung betreibenden Unternehmen und Organisationen als Auftraggeber von K+W oder H.+S. ermittelt hat. Es sind dies L’TUR, World Vision und Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft INSM. Aus den vorliegenden Informationen zu den drei Fällen lässt sich die Arbeitsweise der beiden Firmen von Andreas Schnoor ableiten und für die Beurtei¬lung des Rats heranziehen:
 
Die K+W oder ihr Schwesterunternehmen tritt an einen potenziellen Auftraggeber mit der Idee heran, bestimmte Themen in Sendungen wie „Marienhof“ zu platzieren. Umgekehrt ist es auch möglich, dass ein Auftraggeber gezielt nach einem Vermittler sucht und sich direkt oder über einen zwischengeschalteten Mediendienstleister an die Unternehmen von Andreas Schnoor wendet. Diese legen ihren Kunden direkt oder über dritte Mediendienstleister Vorschläge für Themen und ihre möglichst schlüssige Integration in die Handlung der Sendungen vor. Die Vorschläge werden zuvor oder im Anschluss mit der Produktionsgesellschaft abgestimmt. Nachdem sich alle Beteiligten einig sind, wird die Produktion inklusive der Placements realisiert und ausgestrahlt.
 
Das Geld für die Placements zahlten die Auftraggeber immer nur direkt oder über Dritte an die K+W. Diese leitete die Beträge, vermutlich nach Abzug des eigenen Honorars bzw. einer Provision, in der von der Clearingstelle der ARD angegebenen Höhe an die Produktionsgesellschaft weiter.
 

Das Urteil:
 
Berlin, 9. Mai 2006: Schleichwerbung stellt eine unzulässige Form der Zuschauerbeeinflussung dar. Sie ist nicht nur durch die Rundfunkstaatsverträge verboten. Auch der PR-Code de Lisbonne (Art. 4) und eine Verhaltensrichtlinie des DRPR zu Schleichwerbung und Product Placement gebieten offene und leicht als solche erkennbare Werbemaßnahmen. Diese Offenheit wurde bei den Themenplacements für die L’TUR, World Vision und INSM bewusst vermieden.
 
Der DRPR spricht gegenüber den Firmen K+W und H.+S. in allen drei Fällen eine öffentliche Rüge aus. Deren Fehlverhalten liegt eine besondere Schwere zugrunde, denn als Berater stehen sie in einer besonderen Verantwortung gegenüber ihren Kunden. Ihr Vorgehen war auf Verschleierung und nicht auf die geforderte Transparenz bei der Platzierung werblicher Botschaften angelegt.
 

Die Urteilsbegründung:
 
Die Sachverhalte zu den drei Fällen hat Andreas Schnoor auf Anfrage des DRPR nicht bestritten. Zu seiner Entlastung führt er drei formale Argumente an: 1. Der Rat ist nicht zuständig, 2. Schleichwerbung ist im Rundfunkstaatsvertrag definiert und kann daher als Vorwurf nur gegenüber Sendeunternehmen als Programmveranstalter erhoben werden, 3. Die Auffassung des Rats zur Schleichwerbung und Product Placement steht im Widerspruch zur Auffassung der EU-Kommission und lässt sich nach Verabschiedung der neuen Fernsehrichtlinie nicht mehr ernsthaft vertreten.
 
Zu 1: Der DRPR handelt gemäß seiner Statuten „in Verantwortung gegenüber dem gesamten Feld der öffentlichen Kommunikation. Seine Zuständigkeit ist daher nicht an Personen oder Verbände des Berufsstands gebunden. Er wird sich auch mit beanstandeten PR-Vorgängen befassen, die von Nichtmitgliedern der Trägerorganisationen und Nichtfachleuten ausgelöst oder veranlasst wurden.“ (II, 3.).
 
Die Ahndung jedweden kommunikativen Fehlverhaltens wird von den Selbstkontrollorganen der Presse, Öffentlichkeitsarbeit und Werbung befassten Berufsorganisationen seit Jahrzehnten widerspruchsfrei ausgeübt. Die Zuständigkeit des PR-Rats wie des Presse- und des Werberats ergibt sich aus deren Gesamtverantwortung für das Funktionieren einer Informationsgesellschaft.
 
Zu 2: Schleichwerbung ist nicht ausschließlich durch den Rundfunkstaatsvertrag verboten sondern auch bei Printmedien unzulässig; und sie ist kein einseitiger Akt der Medien, sondern stets von den heimlich inserierenden Organisationen mitgetragen. Wer Öffentlichkeiten informiert – oder es trotz sittlichem Gebot unterlässt -, unterwirft sich allgemeingültigen moralischen Regeln und konkreten Gesetzen. Der Rat hat in seinem Urteil (s. o.) die grundlegenden Normen genannt, die der grundgesetzlich verankerten Informationsfreiheit dienen und daher von besonderer Bedeutung für das Funktionieren unserer modernen Gesellschaft sind.
 
Zu 3. Die hier beanstandeten Vorgänge gehen teilweise bis ins Jahr 2002 und in ihrem Ursprung noch weiter zurück. Es hätte schon prophetischer Gaben bedurft, zu diesem Zeitpunkt bereits die geplante Neufassung der Fernsehrichtlinie der EU zu antizipieren. Die Novelle von Kommissarin Viviane Reding wird heute noch kontrovers diskutiert (vgl. epd medien Dokumentation, Nr. 17 vom 4. März 2006). Gültig war die neue Fernsehrichtlinie zum Zeitpunkt der beanstandeten Handlungen jedenfalls nicht.
 
Im Übrigen spricht sich die K+W in einer Stellungnahme gegenüber der EU-Kommission an mehreren Stellen für eine klare Kennzeichnung bezahlter Placements am Anfang und am Ende einer Fernsehsendung aus. In den hier beanstandeten Fällen mit maßgeblicher Beteiligung der K+W wurde diese Möglichkeit, mehr Trans¬parenz für den Zuschauer zu schaffen, gerade nicht gewählt.