Die Recherchen des Rates und Auswertungen verschiedener Medienberichte haben den Verdacht bestätigt, dass mit der Veröffentlichung einer Pressemeldung zur Publikation von Prof. Roland Wiesendanger als vermeintlich wissenschaftliche Arbeit eine nachhaltige Irritation in der Öffentlichkeit ausgelöst wurde.
Die Pressestelle der Universität Hamburg veröffentlichte am 18.02.2021 eine Pressemitteilung mit dem Titel „Studie zum Ursprung der Coronavirus-Pandemie veröffentlicht“. Hierin werden die Ergebnisse eines Professors der Universität Hamburg zum Ursprung des Corona-Virus dargestellt, ohne dass die Studie „hochwissenschaftliche Beweise“ liefere oder zu dem Zeitpunkt ein Peer Review-Verfahren durchlaufen hätte. Während die Pressemitteilung von verschiedenen Medien aufgegriffen wurde, entwickelte sich eine kritische Diskussion in den Medien zur Wissenschaftlichkeit und Aussagekraft der Studie.
Nach Auffassung des Rates haben sowohl der Universitätspräsident Lenzen als auch die verantwortliche Presseabteilung der Universität eine hohe Sensibilität mit der Öffentlichkeit vermissen lassen, als sie die Pressemeldung veröffentlicht haben. In den Augen des Rates wäre gerade von wissenschaftlichen Institutionen angesichts der angespannten Corona Berichterstattungslage ein hohes Maß an Sorgfalt und Umsicht geboten gewesen.
Die später seitens der Universität nur noch als „Diskussionspapier“ bezeichnete Publikation hat mit dem ausgelösten massiven Medienecho einen weiteren Beitrag zur Glaubwürdigkeitskrise von Wissenschaft in der Öffentlichkeit geleistet. Das Vorgehen der Universität widerspricht auch den Leitlinien für gute Wissenschafts-PR wie sie von Wissenschaft im Dialog gemeinsam mit dem Bundesverband Hochschulkommunikation erarbeitet und formuliert wurden.
Den ausführlichen Ratsspruch können Sie der Webseite entnehmen.
Die Meldung können Sie hier herunterladen.
Ratssprüche
Der Deutsche Rat für Public Relations (DRPR) spricht eine Mahnung gegen die Stadt Wedel aus wegen der unzureichenden Kennzeichnung werblicher Inhalte.
Den Betreibern der Website wurde die mangelnde optische und technische Trennung von Werbung und redaktionellen Beiträgen und die fehlende Anzeigenkennzeichnung vorgeworfen. Da diese Mängel im Zuge eines Relaunchs der Seite wedel.de inzwischen behoben sind, verzichtet der Rat auf die Erteilung einer Rüge und mahnt lediglich die unzureichende Trennung zwischen Werbung und redaktionellen Beiträgen in der Vergangenheit. Der Rat begrüßt die getroffenen Maßnahmen, durch die Webseiten-Besucher*innen nun direkt erkennen können, ob es sich um einen redaktionellen oder werblichen Beitrag handelt.
Nach intensiver Recherche und Anhörung der Beteiligten spricht der Deutsche Rat für Public Relations der Agentur Storymachine eine Rüge wegen der Rufschädigung des Berufsstands durch unprofessionelles Verhalten aus. Der Anfangsvorwurf der Intransparenz bei der Absenderkennzeichnung und der Sponsorennennung hat sich nicht bestätigt.
Hintergrund war die begleitende Social Media „Dokumentation“ zur Veröffentlichung der Ergebnisse der Studie von Prof. Hendrik Streeck in Gangelt durch die Agentur Storymachine. Der Rat hatte sich für die Prüfung des Falls entschieden und ist zu der Einschätzung gekommen, dass hier leichtfertig und unprofessionell agiert worden ist und zu einer nachhaltigen Verunsicherung der Öffentlichkeit beigetragen worden ist.
Nach Mahnung im letzten Jahr verstärkt der Rat seine Kritik am Vorgehen der Wikimedia Foundation.
Der Deutsche Rat für Public Relations (DRPR), das Selbstkontrollorgan der PR-Branche, hat auf seiner Sitzung am gestrigen Donnerstag eine Rüge von Wikipedia in Deutschland beschlossen. Im ersten, vorläufigen Beschluss in diesem Fall vom 27. Mai 2019 wurde zunächst eine Mahnung ausgesprochen, mit der Ankündigung, eine Rüge folgen zu lassen, sollte bis zum Frühjahr 2020 keine Änderung der Richtlinien zur Kennzeichnung bezahlter Autorentätigkeit bei deutschen Wikipedia-Einträgen erzielt werden.
Aufgrund der beschriebenen Sachlage sieht sich der DRPR gezwungen, eine Rüge gegen Wikipedia wegen nach wie vor bestehender unzureichender Transparenz und Absenderkennzeichnung bei deutschsprachigen Wikipedia-Einträgen auszusprechen. Für den Leser ist nicht auf den ersten Blick erkennbar, ob die Beiträge von den Autoren auf Eigeninitiative oder im Auftrag von Dienstleistern erstellt wurden.
Der Deutsche Rat für Public Relations, das Selbstkontrollorgan der PR-Branche, kritisiert die Entscheidung des Landgerichts Berlin, die beleidigenden Äußerungen gegen die Politikerin Renate Künast nicht zu ahnden.
In Wissenschaft, Politik und Gesellschaft wird allerorten über den richtigen Umgang mit Hatespeech gerungen. Vor diesem Hintergrund ist das Berliner Urteil aus Sicht des Rates sehr unverständlich, weil es jede Sanktionsmöglichkeit negiert und „Trolle“ und „Hater“ bestärkt.
Die Pressemitteilung finden Sie hier:
DRPR rügt die HeiScreen GmbH wegen Täuschung der Öffentlichtkeit.
Der Deutsche Rat für Public Relations (DRPR) rügt das Unternehmen und den Vorstand des Universitätsklinikums Heidelberg für die Verbreitung einer bewussten Falschmeldung.
Die Pressemitteilung finden Sie hier:
Den Ratsbeschluss zum Fall HeiScreen finden Sie unter: Ratssprüche 2019
Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie e.V. (VDB), EPPA GmbH, Berlinpolis e.V. und Berlinpolis GmbH
Der Deutsche Rat für Public Relations (DRPR) hat sich eingehend mit dem Fall der verdeckten PR für den Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) beschäftigt. Bewertungsgrundlage waren die unten geschilderte Sachlage und die Beschreibung der Vorfälle durch Beteiligte sowie die Tatsache, dass einige Befragte nicht oder nur teilweise an der Aufklärung des Fall mitgewirkt haben.
Der DRPR spricht eine öffentliche Rüge aus:
Der DRPR rügt den VDB, die EPPA GmbH, sowie Berlinpolis e.V. und Berlinpolis GmbH aufgrund verdeckter PR-Maßnahmen in unterschiedlichen Medien. Dabei hebt der Rat die maßgebliche Rolle der damaligen Gesellschafter der Berlinpolis GmbH, Josef Grendel und Rüdiger May, hervor.
Es werden Verstöße gegen den Code de Lisbonne, Artikel 3, Artikel 4, Artikel 13 und Artikel 15 festgestellt. Des Weiteren wurde gegen die DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum, insbesondere das Transparenzgebot (Punkte 1.1 bis 1.4), sowie das Redlichkeitsgebot (Punkte 2.2 und 2.4) verstoßen.
Positiv anzumerken ist, dass der VDB aufgrund der Praktiken der verdeckten PR, die bei Vertragsabschluss im Detail nicht bekannt waren, den Vertrag mit der EPPA GmbH vorzeitig gekündigt hat, sich ausdrücklich von verdeckten PR-Maßnahmen distanziert, sich dem Code de Lisbonne und DRPR-Richtlinien verpflichtet fühlt und mit Einschränkungen an der Aufklärung des Falls mitgewirkt hat. Auch Berlinpolis e.V. und GmbH erkennen mittlerweile den Code de Lisbonne und die DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum an.
Das professionell organisierte Geschäftsmodell für verdeckte Kommunikation wurde von der EPPA GmbH mit dem Hinweis auf verschiedene Partner offensiv und proaktiv verschiedenen Akteuren angeboten und zumindest für den VDB und die Deutsche Bahn AG auch durchgeführt. Diese Angebote und die Durchführung von Kommunikationsmaßnahmen unter Missachtung ethischer Standards ist besonders kritikwürdig.
Der DRPR verurteilt unlautere Methoden der verdeckten PR aufs Schärfste und weist auf die Gefahren und den nicht nachzuvollziehenden „Nutzen“ solcher Aufträge für den potentiellen Auftraggeber hin, sowie auf die Schwierigkeit, verdeckte PR-Leistungen nachzuvollziehen und abzurechnen. Die Öffentlichkeit ist aufgerufen, dem DRPR ähnliche Vorfälle und Angebote zu melden.
Berlin, den 20. November 2009
Die Vorfälle
Ende 2007 traten Rüdiger May und Josef Grendel an den VDB mit dem Angebot heran, eine Analyse der medialen Berichterstattung zum Thema „Biokraftstoffe“ durchzuführen. Zusätzlich enthielt der auf ein Jahr angelegte Vertrag auch Maßnahmen wie Öffentlichkeitsarbeit, um ein positives Bild des Themas „Biokraftstoffe“ in der Öffentlichkeit zu verbreiten. Ausführende Agentur war die Berlinpolis GmbH als Subunternehmen der EPPA GmbH. Herr May und Herr Grendel waren zu diesem Zeitpunkt beide Gesellschafter der Berlinpolis GmbH – es war die Rede vom „Team Berlinpolis“. Herr May ist Geschäftsführer der EPPA GmbH. Ob und welche Rolle Herr Grendel bei der EPPA GmbH spielte, ist unklar.
Berlinpolis räumte nach Recherchen der Initiative LobbyControl und des DRPR gegenüber dem DRPR ein, folgende Maßnahmen für den VDB – mit dem Inhalt pro Biokraftstoffe/alternative Energien – durchgeführt zu haben. Der Auftraggeber wurde durchgängig nicht bekannt gemacht.
Leserbriefe von Berlinpolis-Mitarbeitern in verschiedenen deutschen Print- und Online-Medien, überwiegend nicht mit Nennung des Arbeitgebers, nie mit Nennung des Auftraggebers
Fachartikel/Gastbeiträge/Kommentare von Berlinpolis-Mitarbeitern in verschiedenen deutschen Medien und Internetportalen, teils mit Nennung des Arbeitgebers, nie mit Nennung des Auftraggebers
Artikel auf dem Berlinpolis-Portal zukunftmobil.de, das sowohl für den VDB als auch für die Deutsche Bahn AG genutzt wurde
Forsa-Umfrage zum Thema („Was denken die Deutschen über die Konkurrenz zwischen Nahrungsmittelversorgung und Biokraftstoffen“)
Diskussionsveranstaltung „Tank oder Teller“
Von 2007 bis 2009 betreute die Berlinpolis GmbH ein Portal des NRW-Ministeriums für Wirtschaft, Mittelstand und Energie mit dem Namen NRW.Kreative Ökonomie. Der Gastbeitrag „Rekordpreise bei Öl und Gas“ auf NRW.Kreative Ökonomie vom damaligen Berlinpolis-Mitarbeiter Markus Becker ist in den ersten zwei Absätzen wortgleich mit der Pressemitteilung, die Berlinpolis e.V. als Ankündigung für die von der Berlinpolis GmbH für den VDB ausgerichteten Podiumsdiskussion „Tank oder Teller“ publiziert hat. Auf der NRW-Webseite war nicht ersichtlich, dass Herr Becker für Berlinpolis oder den VDB tätig ist. Berlinpolis-Geschäftsführer Daniel Dettling bestreitet, dass es einen sachlichen oder rechtlichen Zusammenhang der NRW-Webseite mit den Aktivitäten für den VDB gebe und verweist darauf, dass die Artikel auf NRW.Kreative Ökonomie sich nicht für Biosprit aussprächen, sondern sich mit dem Thema kritisch auseinander setzen würden. Der DRPR bewertet die Sachlage aufgrund der vorliegenden Dokumente und Publikationen allerdings gegenteilig: Argumente, die als Teil des VDB-Auftrags verbreitet wurden, finden sich ohne Nennung des Absenders wortgleich auch auf der Internetseite des NRW-Ministeriums. Somit finden Texte für einen Kunden Eingang in die Texte eines anderen, was der DRPR als intransparentes Lobbying wertet.
Bei der Umsetzung der Maßnahmen wurde durchgängig die Nennung des Auftraggebers der Kommunikation, der VDB bzw. die EPPA GmbH, sowie teilweise der Arbeitgeber, verschleiert – auch wenn es laut Herrn Dettling keine explizite Anweisung dazu an die Mitarbeiter von Berlinpolis gab. Mit den Politikern, die auf der Veranstaltung „Tank oder Teller“ sprachen, gab es nach Aussage von Herrn Dettling keine finanziellen Abkommen. Auch wussten sie nicht, dass die Veranstaltung Teil eines Auftrags für EPPA GmbH/VDB war. Erneut fällt eine Überschneidung der Aktivitäten der kommerziell ausgerichteten Berlinpolis GmbH und des gemeinnützigen Vereins Berlinpolis e.V. auf. Auf diese Problematik hat der DRPR bereits in der Rüge gegen Berlinpolis e.V. und GmbH vom 24. August 2009 hingewiesen.
Begründung
Von Februar bis August 2008 wurden umfangreiche verdeckte PR-Maßnahmen für den VDB durch die Berlinpolis GmbH als Subunternehmer der EPPA GmbH durchgeführt. Auch der gemeinnützige Verein und Think Tank Berlinpolis e.V. war an den Maßnahmen beteiligt. Das Bekenntnis des VDB zum Code de Lisbonne und den DRPR-Richtlinien, die vorzeitige Beendigung des Vertragsverhältnisses mit der EPPA GmbH, die Abkehr von Maßnahmen der verdeckten PR sowie die Unterstützung bei der Aufklärung des Falls wird vom DRPR positiv zur Kenntnis genommen.
Berlinpolis in Person von Daniel Dettling hat teilweise bei der Aufklärung des Falls mitgeholfen, auch wenn nicht alle Erklärungen plausibel klingen. Herr Dettling gibt zudem an, über Vertragsdetails und finanzielle Vereinbarungen zum fraglichen Zeitpunkt nicht informiert gewesen zu sein. Bereits zum Fall Bahn erklärte Dettling, dass den Berlinpolis-Mitarbeitern klar sei, dass keine verdeckten PR-Maßnahmen mehr durchgeführt werden würden. Mittlerweile stellen der Code de Lisbonne und die DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum einen verpflichtenden Bestandteil der Arbeitsverträge aller Berlinpolis-Mitarbeiter dar um Fälle dieser und vergleichbarer Art zu verhindern, wie Herr Dettling gegenüber dem DRPR erklärte.
Die Tatsache, dass von Seiten der EPPA GmbH auch nach schriftlichen und telefonischen Nachfragen keine Hilfe bei der Aufklärung des Falls geleistet wurde, muss als kritikwürdig angesehen werden. Es konnte außerdem nicht festgestellt werden, ob die EPPA GmbH inzwischen von dem offensiv verfolgten Geschäftsmodell der verdeckten PR Abstand genommen hat.
Dem DRPR liegen Unterlagen vor, die belegen, dass die EPPA GmbH ein professionell ausgearbeitetes Geschäftsmodell der verdeckten PR („no badge“-Kommunikation) auch anderen Unternehmen und Verbänden angeboten und im Fall Deutsche Bahn im großen Stile auch umgesetzt hat (siehe Ratsbeschlüsse des DRPR im Fall Deutsche Bahn AG). Als mögliche Partner für verdeckte Kommunikation bzw. Kanäle der Botschaften wurden dabei Think Tanks, Experten und Umfrageinstitute genannt. Auch Josef Grendel wird darin benannt. Die forsa Gesellschaft für Sozialforschung und Analysen mbH wird in diesen Akquirierungsschreiben als Partner erwähnt, lässt gegenüber dem DRPR allerdings erklären, dass keine formelle oder informelle Partnerschaft mit EPPA oder Berlinpolis bestehe.
Dieses komplexe Geschäftsmodell der verdeckten Kommunikation führt zu dieser scharfen Rüge des Initiators EPPA GmbH. Auch nach der personellen Trennung von Berlinpolis Ende 2008 wurde dieses Geschäftsmodell weiterhin angeboten. Der DRPR weist erneut darauf hin, dass nicht nur Agenturen und Berater, sondern auch Think Tanks, Experten und Umfrageinstitute den einhelligen Kodizes der PR-Branche unterliegen, sobald sie öffentlich kommunizieren.
Die erwähnten Codices und Artikel im Wortlaut
Code de Lisbonne
Code de Lisbonne, Artikel 3: In der Ausübung ihres Berufes beweisen die Public Relations-Fachleute Aufrichtigkeit, moralische Integrität und Loyalität. Insbesondere dürfen sie keine Äußerungen und Informationen verwenden, die nach ihrem Wissen oder Erachten falsch oder irreführend sind. Im gleichen Sinn müssen sie vermeiden, dass sie – wenn auch unbeabsichtigt – Praktiken oder Mittel gebrauchen, die mit diesem Kodex unvereinbar sind.
Code de Lisbonne, Artikel 4: Public Relations-Aktivitäten müssen offen durchgeführt werden. Sie müssen leicht als solche erkennbar sein, eine klare Quellenbezeichnung tragen und dürfen Dritte nicht irreführen.
Code de Lisbonne, Artikel 13: Falls die Ausführung eines Public Relations-Mandates nach aller Voraussicht ein gravierendes Fehlverhalten und eine den Grundsätzen dieses Kodex widersprechende Vorgehensweise bedingen würde, müssen Public Relations-Fachleuten ihren Auftrag- oder Arbeitgeber unverzüglich unterrichten und ihn mit allen gebührenden Mitteln zu einer Respektierung der Grundsätze im Kodex veranlassen. Selbst wenn der Auftrag- oder Arbeitgeber weiter an seinem Vorsatz festhält, sind Public Relations-Fachleute ohne Rücksicht auf persönliche Konsequenzen verpflichtet, gemäß dem Kodex zu handeln.
Code de Lisbonne, Artikel 15: Jeder Versuch, die Öffentlichkeit oder ihre Repräsentanten zu täuschen, ist nicht zulässig.
DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum
DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum, 1. Transparenzgebot. 1.1 Das politische Kontakt- und Kommunikationsmanagement der im politischen Raum tätigen Unternehmen, Verbände, Stiftungen und sonstigen Organisationen zielt auf einen Personenkreis von Politikern und Beamten ab, der gegenüber Öffentlichkeiten rechenschaftspflichtig ist. Auch Public Affairs-Berater und Lobbyisten tragen daher dafür Sorge, dass ihre Organisation, ihre Interessen und ihre hauptsächliche Arbeitsweise (z.B. Lobbying, Pressearbeit, Veranstaltungen etc.) in geeigneter Weise öffentlich gemacht werden.
DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum, 1. Transparenzgebot. 1.2 Public Affairs-Berater und Lobbyisten haben ihren politischen Gesprächspartnern ihre Auftraggeber sowie ihre und deren Interessen jeweils offen zu legen.
DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum, 1. Transparenzgebot. 1.3 Nehmen Public Affairs-Berater und Lobbyisten an öffentlichen Diskussionen teil, die die Ziele der auftraggebenden Organisation berühren, so gilt die Pflicht zur Offenlegung des Auftraggebers und seiner Interessen auch gegenüber dem Diskussionspublikum. Dabei ist es unerheblich, unter welcher unverfänglichen Bezeichnung Public Affairs-Berater und Lobbyisten auftreten. Sie dürfen nicht durch eine vorgeblich neutrale Position ihre tatsächliche Funktion verschleiern.
DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum, 1. Transparenzgebot. 1.4 Politische Kampagnen sind ein Instrument der Einflussnahme auf die öffentliche Meinungsbildung. Sie müssen daher offen geführt werden und die Grundsätze redlicher PR-Arbeit beachten. Auftraggeber müssen bei Presse-Anfragen genannt werden.
DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum, 2. Redlichkeit. 2.2 Public Affairs-Berater und Lobbyisten werden ihren Auftraggebern von illegalen, unseriösen oder unsittlichen Vorhaben abraten. Sie werden entsprechende Aufträge zurückweisen.
DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum, 2. Redlichkeit. 2.4 Public Affairs-Berater und Lobbyisten haben die ihnen anvertrauten Kenntnisse gegenüber Dritten vertraulich zu behandeln. Mitteilungen an die Öffentlichkeit sind mit Auftrag- oder Arbeitgebern abzustimmen. Es wird jedoch erwartet, dass Public Affairs-Berater und Lobbyisten dabei auch die Interessen der politischen Öffentlichkeit beachten. Die arglistige Täuschung von Öffentlichkeiten ist nicht statthaft.
Mahnung des Deutschen Bauernverbands
Ratsbeschluss
Der Deutsche Rat für Public Relations (DRPR) hat sich eingehend mit dem Fall einer möglichen verdeckten PR des Bauernverbandes beschäftigt.
Der DRPR spricht hiermit gegen den Verband eine Mahnung aus:
Der Bauernverband wird gemahnt, künftig alles zu unterlassen, was als Aufruf zu verdeckter Kommunikation gewertet oder auch nur ein solches Vorgehen nahelegen könnte. Der Absender von Kommunikationsmaßnahmen muss immer klar erkennbar sein.
Berlin, den 02. November 2009
Der Vorfall
Am 22.05.2009 gab es einen missverständlichen Aufruf des Bauernverbandes an die neu ins Leben gerufene Internet-Task-Force. Diese Gruppe setzt sich zusammen aus praktischen Landwirten, Mitgliedern des Bauernverbandes, Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen des DBF und der Landesbauernverbände mit Interesse an der Nutzung der Online-Medien.
In diesem Aufruf wurde darum gebeten, sich an verschiedenen Diskussionsforen oder agrarischen Informations-Plattformen im Internet aktiv zu beteiligen.
Ziel sollte es sein, Meinungsbildung gegen den Bauernverband frühzeitig zu entdecken, aktiv einzugreifen und auch Themen selbst positiv zu besetzen. Dabei sollte eindeutig für diesen Berufsstand Position bezogen werden.
Es wurde konkret die Bitte formuliert, sich als Privatperson sowohl bei verschiedenen landwirtschaftlich orientierten sowie auch bei nicht-landwirtschaftlichen Foren anzumelden. Wörtlich hieß es u.a. zu Beginn: „Sie melden sich als Privatperson (private E-Mail-Adresse, meist mit Pseudonym) in verschiedenen “landwirtschaftlichen” Foren wie landlive oder topagrar an…“
Auf Rückfragen nannte der Bauernverband auch gegenüber dem Deutschen Rat für Public Relations (DRPR) die Formulierung selbst „unglücklich“ und „missverständlich“. Man habe allerdings nie zu verdeckter PR aufrufen wollen.
Der Bauerverband selbst korrigierte daraufhin gegenüber Mitgliedern sowie Öffentlichkeit den Sachverhalt und rief zu Transparenz und Klarheit auf. Auf einer vom Bauernverband selbst einberufen Diskussionsveranstaltung wurde der Fall auch mit geladenen Kritikern aufgearbeitet und der grundsätzliche Umgang mit Medien thematisiert.
Stellungnahme des Rates
Der DRPR hat sich mit der o. g. Angelegenheit befasst. Dazu wurden alle schriftlichen Stellungnahmen bewertet und das Gespräch mit dem Bauernverband geführt.
Dem DRPR ist es wichtig klar zu stellen, dass es völlig legitim ist, wenn Parteien, Verbände, Unternehmen oder Organisationen jeder Art ihre Mitglieder aufrufen, für eine bestimmte Sache in der Öffentlichkeit – ob auf der Straße oder im Internet – zu werben.
Zentral ist, dass dies immer offen geschieht und der Absender unmissverständlich erkennbar ist. Der Aufruf zu anonymer Tätigkeit im Internet verstößt gegen zentrale Transparenzregeln, wie sie z.B. im Code de Lisbonne, im Artikel 4 sowie Artikel 15, benannt sind und den akzeptierten Standards der Branche entsprechen.
Der DRPR kam im Fall „Bauernverband“ zu der Erkenntnis, dass durch die Formulierung zu Anfang des Aufrufes, und hier besonders durch den Text in der Klammer, zumindest Missverständnisse im Sinne des verdeckten Tätigwerdens entstehen können. Zudem wurde auf die explizite Bitte zur Nennung von Klarnamen verzichtet.
Der DRPR hält dem Bauernverband zu gute, dass er den Vorgang selbsttätig bereinigt und sich von der Vorgehensweise als missverständlich distanziert hat. Auch die thematische Aufarbeitung in Form einer Diskussionsveranstaltung mit Kritikern und Journalisten zeigt eine hohe Einsicht und Bereitschaft zur grundsätzlichen Orientierung in Richtung Transparenz in der Kommunikation. Auf eine formelle Rüge wurde daher verzichtet.
Die erwähnten Codices und Artikel im Wortlaut
Code de Lisbonne
Code de Lisbonne, Artikel 4: Public Relations-Aktivitäten müssen offen durchgeführt werden. Sie müssen leicht als solche erkennbar sein, eine klare Quellenbezeichnung tragen und dürfen Dritte nicht irreführen.
Code de Lisbonne, Artikel 15: Jeder Versuch, die Öffentlichkeit oder ihre Repräsentanten zu täuschen, ist nicht zulässig.
Ratsrüge gegen Allendorf Media AG/GmbH
Ratsbeschluss
Der Deutsche Rat für Public Relations (DRPR) hat sich eingehend mit dem Fall der verdeckten PR der Deutschen Bahn AG beschäftigt. Aufgrund des Umfangs des Gesamtkomplexes, der aus mehreren Einzelfällen besteht, sowie der mangelnden Mitwirkung an der Aufklärung des Sachverhaltes seitens der deutschen European Public Policy Advisers GmbH (EPPA) konnten am 22. Juni zunächst nur die Einzelfälle Deutsche Bahn AG und EPPA GmbH abschließend behandelt werden. Ein Ratsspruch gegen die Denkfabrik Berlinpolis e.V. und die Agentur Berlinpolis GmbH erfolgte am 24. August 2009.
Gegen alle drei Unternehmen wurde eine öffentliche Rüge ausgesprochen. Hiermit wird auch ein Ratsbeschluss in Bezug auf die Beteiligung der Allendorf Media AG, jetzt Allendorf Media GmbH, gefasst. Deren Geschäftsführerin Gaby Allendorf hat an der Aufklärung des Falls trotz mehrfacher Aufforderung nicht mitgewirkt.
Der DRPR spricht daher eine öffentliche Rüge aus:
Der DRPR rügt die Allendorf Media AG / GmbH für die Durchführung von Maßnahmen der verdeckten PR in unterschiedlichen Medien, insbesondere im Internet.
Es wird ein Verstoß gegen den Code de Lisbonne, Artikel 3, Artikel 4, Artikel 13 und Artikel 15 festgestellt. Des Weiteren wurde gegen die DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum, insbesondere das Transparenzgebot (Punkte 1.1 bis 1.4), sowie das Redlichkeitsgebot (Punkte 2.2 und 2.4) verstoßen.
Berlin, den 7. September 2009
Die Vorfälle
Zwischen Februar und Dezember 2007 wurden durch die Deutsche Bahn AG Aufträge für mindestens 1,65 Millionen Euro an die EPPA GmbH erteilt, bei deren Umsetzung durchgängig die Nennung des Absenders der Kommunikation verschleiert wurde. Ziel war es, die Pläne zur Bahnprivatisierung medial zu stützen. Der Auftraggeber sollte bei diesen Aktivitäten nicht genannt werden.
Die verdeckte PR der Deutschen Bahn AG ist ein in seinem Umfang und seiner Tiefe sehr ernst zu nehmender Vorgang.
Die EPPA GmbH beauftragte mit der verdeckten PR u.a. die damalige Allendorf Media AG, zu der auch die Künstleragentur Allendorf Riehl GmbH als Tochterfirma gehörte.
Allendorf Media unterwanderte Foren und Blogs wie Brigitte.de und SPIEGEL ONLINE mit bahnfreundlichen Beiträgen. Bei SPIEGEL ONLINE wurden rund ein Viertel der Beiträge in drei bahnrelevanten Foren von Allendorf Media platziert – durchgängig ohne Nennung des Arbeit- bzw. Auftraggebers und unter Pseudonym.
Des Weiteren leistete Allendorf Media redaktionelle Unterstützung bei der von Berlinpolis betriebenen Webseite www.zukunftmobil.de, einem vermeintlich neutralen Forum. Allendorf Media steuerte hier Videomaterial über die Deutsche Bahn AG bei, wiederum ohne den Auftraggeber zu nennen. Auch wurden Radiobeiträgen im Sinne der Bahn vorproduziert und verbreitet.
Eine weitere Maßnahme der verdeckten PR stellte die Medienplatzierung von Personen des öffentlichen Lebens (Sat-1-Moderatorin Barbara Eligmann und der frühere RTL-Moderator Hans Meiser) durch die Tochterfirma und Künstleragentur Allendorf Riehl GmbH dar. Diese Personen äußerten sich u.a. in der BILD AM SONNTAG (Eligmann) und im RHEIN-RUHR-MAGAZIN (Meiser) positiv über die Bahn, nannten aber ihre Auftraggeber nicht. Die bahnfreundlichen Medienauftritte ihrer Klienten dokumentierte Allendorf für die Deutsche Bahn AG.
Begründung des Rates
Es wurden nachweislich verdeckte PR-Maßnahmen für die Deutsche Bahn AG durch Allendorf Media als Subunternehmen der EPPA GmbH durchgeführt. Dies zeigt sich in den detaillierten Rechenschaftsberichten von Allendorf Media, die der DRPR einsehen konnte bzw. die der Deutschen Bahn AG vorliegen.
Allendorf Media platzierte angeblich echte Blog- und Forumsbeiträge von Bürgern in verschiedenen deutschen Online-Medien. Des Weiteren wurde vorproduziertes Video- und Radiomaterial u.a. über das Portal www.zukunftmobil.de verbreitet und vermeintliche Prominente für die Berichterstattung pro Bahn eingesetzt. Inwiefern Eligmann und Meiser über den Auftrag der Deutschen Bahn AG Bescheid wussten, ob und wie viel Honorar sie dafür erhalten haben, bzw. und in welchen Medien außer den oben genannten weiteres Material platziert wurde, bleibt unklar. Vor allem letzteres ist der verdeckten PR immanent. Insofern kann der DRPR die Mitwirkung der beiden nicht eingehender betrachten und beschränkt sich hier auf die Rüge gegen Allendorf Media.
Der DRPR sieht die Tatsache, dass von Seiten der Allendorf Media auch nach mehrmaligem schriftlichen und telefonischen Nachfragen keine Hilfe bei der Aufklärung des Falls geleistet wurde, ebenfalls als kritikwürdig an. Es konnte nicht festgestellt werden, ob Allendorf Media inzwischen von dem offensichtlich verfolgten Geschäftsmodell der verdeckten PR Abstand genommen hat.
Die erwähnten Codices und Artikel im Wortlaut
Code de Lisbonne
Code de Lisbonne, Artikel 3: In der Ausübung ihres Berufes beweisen die Public Relations-Fachleute Aufrichtigkeit, moralische Integrität und Loyalität. Insbesondere dürfen sie keine Äußerungen und Informationen verwenden, die nach ihrem Wissen oder Erachten falsch oder irreführend sind. Im gleichen Sinn müssen sie vermeiden, dass sie – wenn auch unbeabsichtigt – Praktiken oder Mittel gebrauchen, die mit diesem Kodex unvereinbar sind.
Code de Lisbonne, Artikel 4: Public Relations-Aktivitäten müssen offen durchgeführt werden. Sie müssen leicht als solche erkennbar sein, eine klare Quellenbezeichnung tragen und dürfen Dritte nicht irreführen.
Code de Lisbonne, Artikel 13: Falls die Ausführung eines Public Relations-Mandates nach aller Voraussicht ein gravierendes Fehlverhalten und eine den Grundsätzen dieses Kodex widersprechende Vorgehensweise bedingen würde, müssen Public Relations-Fachleuten ihren Auftrag- oder Arbeitgeber unverzüglich unterrichten und ihn mit allen gebührenden Mitteln zu einer Respektierung der Grundsätze im Kodex veranlassen. Selbst wenn der Auftrag- oder Arbeitgeber weiter an seinem Vorsatz festhält, sind Public Relations-Fachleute ohne Rücksicht auf persönliche Konsequenzen verpflichtet, gemäß dem Kodex zu handeln.
Code de Lisbonne, Artikel 15: Jeder Versuch, die Öffentlichkeit oder ihre Repräsentanten zu täuschen, ist nicht zulässig.
DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum
DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum, 1. Transparenzgebot. 1.1 Das politische Kontakt- und Kommunikationsmanagement der im politischen Raum tätigen Unternehmen, Verbände, Stiftungen und sonstigen Organisationen zielt auf einen Personenkreis von Politikern und Beamten ab, der gegenüber Öffentlichkeiten rechenschaftspflichtig ist. Auch Public Affairs-Berater und Lobbyisten tragen daher dafür Sorge, dass ihre Organisation, ihre Interessen und ihre hauptsächliche Arbeitsweise (z.B. Lobbying, Pressearbeit, Veranstaltungen etc.) in geeigneter Weise öffentlich gemacht werden.
DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum, 1. Transparenzgebot. 1.2 Public Affairs-Berater und Lobbyisten haben ihren politischen Gesprächspartnern ihre Auftraggeber sowie ihre und deren Interessen jeweils offen zu legen.
DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum, 1. Transparenzgebot. 1.3 Nehmen Public Affairs-Berater und Lobbyisten an öffentlichen Diskussionen teil, die die Ziele der auftraggebenden Organisation berühren, so gilt die Pflicht zur Offenlegung des Auftraggebers und seiner Interessen auch gegenüber dem Diskussionspublikum. Dabei ist es unerheblich, unter welcher unverfänglichen Bezeichnung Public Affairs-Berater und Lobbyisten auftreten. Sie dürfen nicht durch eine vorgeblich neutrale Position ihre tatsächliche Funktion verschleiern.
DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum, 1. Transparenzgebot. 1.4 Politische Kampagnen sind ein Instrument der Einflussnahme auf die öffentliche Meinungsbildung. Sie müssen daher offen geführt werden und die Grundsätze redlicher PR-Arbeit beachten. Auftraggeber müssen bei Presse-Anfragen genannt werden.
DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum, 2. Redlichkeit. 2.2 Public Affairs-Berater und Lobbyisten werden ihren Auftraggebern von illegalen, unseriösen oder unsittlichen Vorhaben abraten. Sie werden entsprechende Aufträge zurückweisen.
DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum, 2. Redlichkeit. 2.4 Public Affairs-Berater und Lobbyisten haben die ihnen anvertrauten Kenntnisse gegenüber Dritten vertraulich zu behandeln. Mitteilungen an die Öffentlichkeit sind mit Auftrag- oder Arbeitgebern abzustimmen. Es wird jedoch erwartet, dass Public Affairs-Berater und Lobbyisten dabei auch die Interessen der politischen Öffentlichkeit beachten. Die arglistige Täuschung von Öffentlichkeiten ist nicht statthaft.
Ratsrügen gegen Berlinpolis e.V. und Berlinpolis GmbH
Ratsbeschluss
Der Deutsche Rat für Public Relations (DRPR) hat sich eingehend mit den vorliegenden Beschwerden im Fall der verdeckten PR der Deutschen Bahn AG beschäftigt. Aufgrund des Umfangs des Gesamtkomplexes, der aus mehreren Einzelfällen besteht, sowie der mangelnden Mitwirkung an der Aufklärung des Sachverhaltes seitens der deutschen European Public Policy Advisers GmbH (EPPA) konnten in einer ersten Sitzung am 22. Juni zunächst nur die Einzelfälle Deutsche Bahn AG und EPPA GmbH abschließend behandelt werden. Gegen beide wurde eine öffentliche Rüge ausgesprochen. Hiermit wird auch ein Ratsbeschluss in der Angelegenheit der Denkfabrik Berlinpolis e.V. und der Agentur Berlinpolis GmbH gefasst. Deren Vorsitzender bzw. Geschäftsführer Dr. Daniel Dettling hat die Fragen des DRPR ausführlich und umfassend beantwortet.
In diesem Ratsfall spricht der DRPR eine öffentliche Rüge aus:
1.) Der DRPR rügt die Denkfabrik Berlinpolis e.V. und die Agentur Berlinpolis GmbH für die Durchführung von Maßnahmen der verdeckten PR in unterschiedlichen Medien, insbesondere im Internet und im Bereich der Printmedien.
Es wird bei der Rüge ein Verstoß gegen den Code de Lisbonne, Artikel 3, Artikel 4, Artikel 13 und Artikel 15 festgestellt. Des Weiteren wurde gegen die DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum, insbesondere gegen das Transparenzgebot Punkte 1.1, 1.2, 1.3, 1.4, sowie das Redlichkeitsgebot Punkte 2.2 und 2.4 verstoßen.
Berlin, den 24. August 2009
Die Vorfälle
Die verdeckte PR der Deutschen Bahn AG ist ein in seinem Umfang und seiner Tiefe sehr ernst zu nehmender Vorgang. Zwischen Februar und Dezember 2007 wurden durch die Deutsche Bahn AG Aufträge für mindestens 1,65 Millionen Euro an die EPPA GmbH erteilt, in denen durchgängig die Nennung des Absenders der Kommunikation verschleiert wurde. Die EPPA GmbH beauftragte wiederum die Berlinpolis GmbH mit der verdeckten PR.
Die Berlinpolis GmbH erhielt als Subunternehmer der EPPA GmbH einen Globalauftrag mit dem Ziel, die Pläne zur Bahnprivatisierung medial zu stützen. Der Auftraggeber sollte bei diesen Aktivitäten nicht genannt werden.
So verbreitete die Webseite www.zukunftmobil.de , die als neutrales Informationsportal unter Federführung von Berlinpolis e.V. auftrat mit dem “Ziel, nachhaltige Mobilität“ zu schaffen, Inhalte im Sinne der Bahn. Über die Webseite wurde ein Newsletter an Journalisten und Entscheidungsträger geschickt sowie eine gestellte und als solche nicht gekennzeichnete Straßenumfrage auf YouTube eingestellt. Auch gab es einen angeschlossenen Blog zum Thema. Ein Auftraggeber oder Details über die Finanzierung des Portals wurden nicht genannt.
Die Schrift „Die Zukunft der Mobilität“ war ebenfalls Teil des Globalauftrags der EPPA GmbH und wurde durch den Think Tank Berlinpolis e.V. als Projekt von zukunftmobil.de vertrieben.
Des Weiteren gab Berlinpolis eine Umfrage zum Thema Bahnprivatisierung bei Forsa in Auftrag. Die Fragen waren einseitig bahnfreundlich formuliert und die daraus resultierenden bahnfreundlichen Ergebnisse wurden entsprechend publiziert und von den Medien auch aufgegriffen. Ob eine zweite Umfrage zum Lokführerstreik der Deutschen Bahn ebenfalls in Rechnung gestellt wurde, kann ohne Mitwirkung von Dr. Rüdiger May, der zu diesem Zeitpunkt Geschäftsführer der EPPA GmbH und geschäftsführender Gesellschafter der Berlinpolis GmbH war, nicht geklärt werden. Dr. Rüdiger May war in rechtlichen und finanziellen Dingen der Hauptkontakt zur Deutschen Bahn AG. Dr. Daniel Dettling war hingegen hauptsächlich in die Umsetzung der verdeckten PR involviert und gibt an, keine umfassenden Einblicke in finanzielle Angelegenheiten zwischen Berlinpolis, EPPA GmbH und Deutsche Bahn AG gehabt zu haben.
Meinungsartikel von Dr. Daniel Dettling zum Thema Bahnprivatisierung erschienen in Medien wie dem Tagesspiegel und auf Capital.de als Teil der Arbeit des Think Tanks Berlinpolis e.V. und wurden nicht von der EPPA GmbH beauftragt. Inwiefern diese Artikel aber von der EPPA GmbH der Deutschen Bahn in Rechnung gestellt wurden, bleibt unklar.
Begründung des Rates
Zu 1.) Es wurden nachweislich verdeckte PR-Maßnahmen für die Deutsche Bahn AG durch die EPPA GmbH an die Berlinpolis GmbH beauftragt und durch Berlinpolis GmbH und e.V. auch durchgeführt. Dazu gehörten die vielfältigen Aktivitäten im und durch das Portal zukunftmobil.de, der angeschlossene Blog, die Schrift „Die Zukunft der Mobilität“ sowie die Forsa-Umfrage zur Bahnprivatisierung.
Der DRPR nimmt zur Kenntnis, dass das Geschäftsmodell der verdeckten PR bei Berlinpolis nicht weiter verfolgt werde.
Die damalige Einschätzung des Geschäftsführers Dr. Daniel Dettling, dass Think Tanks nicht den Richtlinien des DRPR unterliegen, teilt der DRPR nicht. Als Denkfabrik und Agentur, die beide Öffentlichkeit beanspruchen, gelten für Berlinpolis die Kodizes der Branche. Laut Dr. Daniel Dettling könne sich ein Think Tank wie Berlinpolis e.V. in Deutschland nicht mittels Förderern und Zuschüssen aus eigener Kraft finanzieren. Dies ist bedauerlich, jedoch kein Grund, elementare Grundsätze wie Offenheit und Transparenz in der Kommunikation zu vernachlässigen.
Auch ist die fehlende Unterscheidbarkeit zwischen Berlinpolis e.V. und GmbH offenkundig problematisch. Beispielsweise war die Webseite www.zukunftmobil.de wie auch die Schrift „Die Zukunft der Mobilität“ ein Teil des Globalauftrags der EPPA GmbH an die Agentur Berlinpolis GmbH, wurde aber in der Öffentlichkeit durch den Verein und Think Tank Berlinpolis e.V. betrieben bzw. herausgegeben. Auch ist nicht klar, wie und ob Publikationen vom Vorsitzenden des e.V. Dr. Daniel Dettling, die als ideelle Positionierung des Think Tanks gedacht waren, Teil der verdeckten PR waren. Eine rechtliche Trennung zwischen Verein und Agentur besteht zwar, doch kann es in der Öffentlichkeit durch personelle Überschneidungen in der Führung, der Benutzung der gemeinsamen Webseite www.berlinpolis.de, einer gemeinsamen Postadresse sowie der thematischen Ähnlichkeit der Arbeit zu keiner klaren Unterscheidung kommen. Bei dem Geschäftsmodell von Berlinpolis führt die GmbH Auftragsarbeit auf Gebieten aus, auf denen Berlinpolis e.V. als reformorientierter progressiver Think Tank schon als Experte gilt. Ziel ist es, eine öffentliche Kommunikation für das Thema des Kunden zu schaffen. Solange e.V. und GmbH schwer zu unterscheiden sind, erscheint das Geschäftsmodell von Berlinpolis darauf angelegt, eine Verwechslung hervorzurufen. Der DRPR rät daher dringend, die Namensgleichheit abzuschaffen. Ferner müssen sich die Mitarbeiter von Berlinpolis bislang keinem Code of Conduct oder einem vorhandenen Verhaltenskodex der PR-Branche schriftlich verpflichten. Auch dies empfiehlt der DRPR dringend zu ändern.
Die erwähnten Codices und Artikel im Wortlaut
Code de Lisbonne
Code de Lisbonne, Artikel 3: In der Ausübung ihres Berufes beweisen die Public Relations-Fachleute Aufrichtigkeit, moralische Integrität und Loyalität. Insbesondere dürfen sie keine Äußerungen und Informationen verwenden, die nach ihrem Wissen oder Erachten falsch oder irreführend sind. Im gleichen Sinn müssen sie vermeiden, dass sie – wenn auch unbeabsichtigt – Praktiken oder Mittel gebrauchen, die mit diesem Kodex unvereinbar sind.
Code de Lisbonne, Artikel 4: Public Relations-Aktivitäten müssen offen durchgeführt werden. Sie müssen leicht als solche erkennbar sein, eine klare Quellenbezeichnung tragen und dürfen Dritte nicht irreführen.
Code de Lisbonne, Artikel 13: Falls die Ausführung eines Public Relations-Mandates nach aller Voraussicht ein gravierendes Fehlverhalten und eine den Grundsätzen dieses Kodex widersprechende Vorgehensweise bedingen würde, müssen Public Relations-Fachleuten ihren Auftrag- oder Arbeitgeber unverzüglich unterrichten und ihn mit allen gebührenden Mitteln zu einer Respektierung der Grundsätze im Kodex veranlassen. Selbst wenn der Auftrag- oder Arbeitgeber weiter an seinem Vorsatz festhält, sind Public Relations-Fachleute ohne Rücksicht auf persönliche Konsequenzen verpflichtet, gemäß dem Kodex zu handeln.
Code de Lisbonne, Artikel 15: Jeder Versuch, die Öffentlichkeit oder ihre Repräsentanten zu täuschen, ist nicht zulässig.
DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum
DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum, 1. Transparenzgebot. 1.1 Das politische Kontakt- und Kommunikationsmanagement der im politischen Raum tätigen Unternehmen, Verbände, Stiftungen und sonstigen Organisationen zielt auf einen Personenkreis von Politikern und Beamten ab, der gegenüber Öffentlichkeiten rechenschaftspflichtig ist. Auch Public Affairs-Berater und Lobbyisten tragen daher dafür Sorge, dass ihre Organisation, ihre Interessen und ihre hauptsächliche Arbeitsweise (z.B. Lobbying, Pressearbeit, Veranstaltungen etc.) in geeigneter Weise öffentlich gemacht werden.
DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum, 1. Transparenzgebot. 1.2 Public Affairs-Berater und Lobbyisten haben ihren politischen Gesprächspartnern ihre Auftraggeber sowie ihre und deren Interessen jeweils offen zu legen.
DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum, 1. Transparenzgebot. 1.3 Nehmen Public Affairs-Berater und Lobbyisten an öffentlichen Diskussionen teil, die die Ziele der auftraggebenden Organisation berühren, so gilt die Pflicht zur Offenlegung des Auftraggebers und seiner Interessen auch gegenüber dem Diskussionspublikum. Dabei ist es unerheblich, unter welcher unverfänglichen Bezeichnung Public Affairs-Berater und Lobbyisten auftreten. Sie dürfen nicht durch eine vorgeblich neutrale Position ihre tatsächliche Funktion verschleiern.
DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum, 1. Transparenzgebot. 1.4 Politische Kampagnen sind ein Instrument der Einflussnahme auf die öffentliche Meinungsbildung. Sie müssen daher offen geführt werden und die Grundsätze redlicher PR-Arbeit beachten. Auftraggeber müssen bei Presse-Anfragen genannt werden.
DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum, 2. Redlichkeit. 2.2 Public Affairs-Berater und Lobbyisten werden ihren Auftraggebern von illegalen, unseriösen oder unsittlichen Vorhaben abraten. Sie werden entsprechende Aufträge zurückweisen.
DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum, 2. Redlichkeit. 2.4 Public Affairs-Berater und Lobbyisten haben die ihnen anvertrauten Kenntnisse gegenüber Dritten vertraulich zu behandeln. Mitteilungen an die Öffentlichkeit sind mit Auftrag- oder Arbeitgebern abzustimmen. Es wird jedoch erwartet, dass Public Affairs-Berater und Lobbyisten dabei auch die Interessen der politischen Öffentlichkeit beachten. Die arglistige Täuschung von Öffentlichkeiten ist nicht statthaft.
01 / 2009 Beschwerdekammer II – Akte Leihbeamte: BASF + BMWA
Ratsrügen gegen BMWA und BASF AG
Externe Mitarbeiter in Ministerien und Behörden
Der Vorgang:
Ein Mitarbeiter der BASF AG war ab 2001 in die Generaldirektion Unternehmen der Europäischen Kommission und nachfolgend in das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit entsandt. Bei der Entsendung in die EU-Kommission bestand das Vertragsverhältnis mit seinem Arbeitgeber formal weiter, der Mitarbeiter wurde aber von der Kommission bezahlt. Während der Entsendung in das BMWA wurde der Mitarbeiter wieder direkt durch die BASF bezahlt.
An beiden Einsatzorten hat der Betreffende, der dem Rat namentlich bekannt ist, zur Chemikalienverordnung REACH gearbeitet. Konkret hat der Mitarbeiter sowohl die Kommission als auch das Wirtschaftsministerium nach außen vertreten, ohne sein weiter bestehendes Arbeits- bzw. Vertragsverhältnis mit der BASF deutlich zu machen. Beide Seiten haben den Sachverhalt eingeräumt, die Auftritte des Mitarbeiters im Namen der EU-Kommission und des Bundesministeriums sind belegt.
Das Urteil:
Berlin, den 26. März 2009: Der von der BASF entsandte Mitarbeiter hat seinen Status nachweislich nicht offen gelegt. Das BMWA hätte aufgrund seines Weisungsrechts dieses Verhalten untersagen müssen. Doch auch die BASF als Entsendeunternehmen hatte es zum Zeitpunkt der Entsendung versäumt, entsprechende Regelung zur Verhinderung solcher Vorfälle zu schaffen. Dies widerspricht den Transparenzkriterien des Deutschen Rates für Public Relations. Der DRPR spricht deswegen gegen beide Beteiligte, BASF wie BMWA, eine öffentliche Rüge aus. Er bezieht sich dabei auf das Transparenzgebot der DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im öffentlichen Raum:
1.Transparenzgebot.
1.1 Das politische Kontakt- und Kommunikationsmanagement der im politischen Raum tätigen Unternehmen, Verbände, Stiftungen und sonstigen Organisationen zielt auf einen Personenkreis von Politikern und Beamten ab, der gegenüber Öffentlichkeiten rechenschaftspflichtig ist. Auch Public Affairs-Berater und Lobbyisten tragen daher dafür Sorge, dass ihre Organisation, ihre Interessen und ihre hauptsächliche Arbeitsweise (z.B. Lobbying, Pressearbeit, Veranstaltungen etc.) in geeigneter Weise öffentlich gemacht werden.
1.2 Public Affairs-Berater und Lobbyisten haben ihren politischen Gesprächspartnern ihre Auftraggeber sowie ihre und deren Interessen jeweils offen zu legen.
1.3 Nehmen Public Affairs-Berater und Lobbyisten an öffentlichen Diskussionen teil, die die Ziele der auftraggebenden Organisation berühren, so gilt die Pflicht zur Offenlegung des Auftraggebers und seiner Interessen auch gegenüber dem Diskussionspublikum. Dabei ist es unerheblich, unter welcher unverfänglichen Bezeichnung Public Affairs-Berater und Lobbyisten auftreten. Sie dürfen nicht durch eine vorgeblich neutrale Position ihre tatsächliche Funktion verschleiern.
und den Code de Lisbonne, Art.4:
„Public Relations-Aktivitäten müssen offen durchgeführt werden. Sie müssen leicht als solche erkennbar sein, eine klare Quellenbezeichnung tragen und dürfen Dritte nicht irreführen.“
Die Urteilsbegründung:
Der in das BMWA entsandte und von der BASF weiter bezahlte Mitarbeiter hat sich bei öffentlichen Auftritten für das Ministerium nicht als BASF-Mitarbeiter zu erkennen gegeben, sondern wurde vom BMWA als Mitarbeiter des Ministeriums präsentiert. Somit war durch andere beteiligte Personen nicht erkennbar, dass es sich nicht um einen regulären Mitarbeiter des Ministeriums handelte. Dieser Verstoß gegen das Transparenzgebot ist gleichermaßen dem Ministerium und der BASF AG anzulasten.
Beide Parteien haben den Sachverhalt weitgehend eingeräumt. BASF hat die Vorgänge intern allerdings unzureichend dokumentiert. Ein Vertrag mit dem BMWA liegt zwar vor, dieser regelt jedoch nicht die Fragen des Auftretens nach außen und der Kenntlichmachung des entsandten Mitarbeiters. Der BASF AG ist anzulasten, dass sie sich auf ungeklärte Verhältnisse einließ, den Mitarbeiter nicht mit Richtlinien ausgestattet hat und insgesamt keine Vorsorge getroffen hat. Dass der betreffende Mitarbeiter nach seiner Abordnung zur Europäischen Kommission am darauffolgenden Tag in Diensten der BASF ins BMWA entsandt wurde, legt nahe, dass im Hause BASF zumindest Überlegungen zur konkreten Ausgestaltung der Entsendung hätten angestellt werden können.
Das BMWA trifft jedoch eine größere Verantwortung, da es lebensfern erscheint, dass die zuständigen Mitarbeiter nicht in Kenntnis der öffentlichen Auftritte waren. Sie hätten hier als disziplinarische Behörde klare Anweisungen geben müssen.
Positiv ist das Lernverhalten von BMWA und vor allem der BASF AG anzuerkennen. Für das BMWA gilt nun die entsprechende BMI Richtlinie. Von BASF wurden verbindliche Richtlinien erlassen, die in der Tat Vorbildcharakter haben:
Die Entscheidung über Entsendungen ist zentralisiert worden, es gibt klare Richtlinien bezüglich Transparenz, Umgang mit Interessenkonflikten und dergleichen. Überdies sind die abgesendeten Mitarbeiter gehalten, immer einen BASF-Sticker zu tragen. Zudem wurde sichergestellt, dass die Abteilung Governmental Relations die Einhaltung der Richtlinien prüfen kann.
Lobend anzuerkennen ist auch, dass BASF mit dem Erlass dieser Richtlinien deutlich macht, dass es nicht um einen Rückzug aus der Zusammenarbeit von Wirtschaft und Politik geht. Vielmehr sollen Angriffsflächen und Grauzonen minimiert werden und die notwendige Transparenz geschaffen werden, die diese Zusammenarbeit erst legitimiert.
Ratsrügen gegen BVI und BMF
Der Vorgang:
Eine im Jahr 2003 in das Bundesfinanzministerium entsandte Mitarbeiterin des Bundesverbandes Investment und Asset Management e.V. (BVI) hat an einem die Branche unmittelbar betreffenden Gesetz mitgearbeitet. Betroffen ist das „Gesetz zur Modernisierung des Investmentwesens und zur Besteuerung von Investmentvermögen“ des Bundesfinanzministeriums aus dem Jahre 2003, das erstmals Hedgefonds in Deutschlands legalisierte. Die Mitarbeiterin hat laut BVI am eigentlichen Gesetzentwurf
mitgearbeitet und nicht nur fachliche Expertise zur Bewertung von Regelungen zugeliefert. Auch das Ministerium bestreitet lediglich eine Mitwirkung an „sensiblen Fragen der Hedgefonds“.
Das Urteil:
Berlin, den 26. März 2009: Das Vorgehen von BVI und BMF widerspricht den Transparenzkriterien des Deutschen Rates für Public Relations. Zudem erkennt der Rat eine Verletzung des Ausschlussgebots miteinander konkurrierender Interessen (Code de Lisbonne, Artikel 6). Im folgenden Anhörungsverfahren war für die Beteiligten nicht mehr ersichtlich, ob der vorliegende Gesetzentwurf bereits interessengeleitete Passagen enthielt oder nicht. Der DRPR spricht deswegen gegen die Beteiligten BVI und BMF eine öffentliche Rüge aus. Er bezieht sich dabei auf das Transparenzgebot der DRPR-Richtlinie
zur Kontaktpflege im öffentlichen Raum:
1.Transparenzgebot.
1.1 Das politische Kontakt- und Kommunikationsmanagement der im politischen Raum tätigen Unternehmen, Verbände, Stiftungen und sonstigen Organisationen zielt auf einen Personenkreis von Politikern und Beamten ab, der gegenüber Öffentlichkeiten rechenschaftspflichtig ist. Auch Public Affairs-Berater und Lobbyisten tragen daher dafür Sorge, dass ihre Organisation, ihre Interessen und ihre hauptsächliche Arbeitsweise (z.B. Lobbying, Pressearbeit, Veranstaltungen etc.) in geeigneter Weise öffentlich gemacht werden.
1.2 Public Affairs-Berater und Lobbyisten haben ihren politischen Gesprächspartnern ihre Auftraggeber sowie ihre und deren Interessen jeweils offen zu legen.
1.3 Nehmen Public Affairs-Berater und Lobbyisten an öffentlichen Diskussionen teil, die die Ziele der auftraggebenden Organisation berühren, so gilt die Pflicht zur Offenlegung des Auftraggebers und seiner Interessen auch gegenüber dem Diskussionspublikum. Dabei ist es unerheblich, unter welcher unverfänglichen Bezeichnung Public AffairsBerater und Lobbyisten auftreten. Sie dürfen nicht durch eine vorgeblich neutrale Position ihre tatsächliche Funktion verschleiern.
und den Code de Lisbonne, Art.6:
Public Relations-Fachleute dürfen ohne ausdrückliche Zustimmung der betroffenen Auftrag- oder Arbeitgeber keine sich widersprechenden oder miteinander konkurrierenden Interessen vertreten.
Die Urteilsbegründung:
Der Rat sieht es als erwiesen an, dass die entsprechende Mitarbeiterin bei der Mitarbeit an einem Gesetz, das ihren Verband unmittelbar betraf, nicht nur fachliche Expertise zur Bewertung von Regelungen zugeliefert hat. Diesen Sachverhalt hat der BVI eingeräumt. Das Ministerium schließt lediglich eine Mitwirkung an „sensiblen Fragen der Hedgefonds“ aus, die der BVI laut eigener Aussage auch gar nicht vertritt.
Der Rat betrachtet die Aussagen des BVI, es sei zu keiner Verletzung des Transparenzgebotes gekommen, als lebensfern. Angesichts der geschilderten Sachlage erscheint die Behauptung bestenfalls als naiv. Zudem haben es beide Beteiligte versäumt, die Mitarbeiterin vor Konflikten durch konkurrierende Interessen zu schützen.
Diese konkurrierenden Interessen wurden zudem nicht transparent gemacht: Bei Vorlage des ersten internen Gesetzentwurfs war nicht mehr nachvollziehbar, ob BMF-interne oder entsandte Mitarbeiter die entsprechenden Passagen erstellt hatten, ob also bereits ein von Interessen geleiteter Text vorlag. Damit wurde auch das sich anschließende Anhörungsverfahren im Gesetzgebungsprozess für die Beteiligten intransparent beeinflusst.
Das BMF hätte als disziplinarisch zuständige Behörde die Mitarbeit der entsandten Mitarbeiterin an einem den BVI betreffenden Gesetzentwurf unterbinden müssen. Nach der Richtlinie des Bundesinnenministeriums wäre eine solche Mitarbeit heute nicht mehr zulässig. Sie untersagte sich aber bereits damals aus den einschlägigen Transparenzgeboten der geltenden Kodizes. Daher rügt der Rat das Verhalten des BMF einhellig.
Die Mitarbeiterin wurde zudem vom BVI abgeordnet, ohne dass eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Verband und dem Ministerium getroffen wurde oder Verhaltensrichtlinien für Mitarbeiter in der Entsendesituation existierten. Der BVI hat sich zudem bis heute nicht mit den aus einer Entsendung erwachsenden Interessenkonflikten auseinandergesetzt. Eine gezielte nachträgliche Befragung der Mitarbeiterin fand ebenso wenig statt.
Die Einschätzung des BVI, man habe keine Verfehlungen begangen, sondern nur Fehler in der anschließenden Kommunikation gemacht, um schließlich zum Opfer eines unseriösen Journalismus zu werden, teilt der Rat nicht. Der BVI hat im vorliegenden Fall zwar weder Initiative ergriffen, noch die Aufsicht
geführt, aber offenkundig auch keine abweichenden Regelungen getroffen. Vielmehr war man stolz auf das Angebot zur Mitarbeit am Gesetz und hat die Gelegenheit dazu ergriffen. Dieses Verhalten ist aus Sicht der Mehrheit des Rates ebenfalls zu rügen.
Ratsrüge gegen die DAK
Der Vorgang:
Ein Mitarbeiter der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) hat während seiner Entsendung in das Bundesgesundheitsministerium im Jahr 2006 vertrauliche Unterlagen zur Gesundheitsreform kopiert und nach außen weiter gegeben. Der Fall wurde vom Ministerium ausführlich auf der Regierungspressekonferenz am 27. November 2006 dargestellt. Die Krankenkasse erklärte abweichend, es habe sich um eine „Rückkoppelung“ gehandelt, die zum normalen Geschäftsgebaren gehöre. Die Weitergabe der Dokumente wurde damit von der Krankenkasse nicht bestritten, sondern anders
bewertet. Das Ministerium verfügt jedoch über eine Vertraulichkeitserklärung des betreffenden Mitarbeiters.
Das Urteil:
Berlin, den 26. März 2009: Das Vorgehen widerspricht den Kriterien des Deutschen Rates für Public Relations: Der Rat erkennt eine Verletzung des Ausschlussgebots miteinander konkurrierender Interessen und des Diskretionsgebots (Code de Lisbonne, Artikel 6 und 7). Der DRPR spricht deswegen gegen die DAK als Veranlasser der Indiskretion eine öffentliche Rüge aus. Er bezieht sich dabei auf den
Code de Lisbonne, Artikel 6 und 7:
Public Relations-Fachleute dürfen ohne ausdrückliche Zustimmung der betroffenen Auftrag- oder Arbeitgeber keine sich widersprechenden oder miteinander konkurrierenden Interessen vertreten.
Bei der Ausübung ihres Berufes bewahren Public Relations-Fachleute absolute Diskretion. Sie respektieren gewissenhaft das Berufsgeheimnis und geben insbesondere keine vertraulichen Informationen weiter, die sie von früheren, gegenwärtigen oder potentiellen Auftrag- oder Arbeitgebern erhalten haben. Die Weitergabe solcher Informationen ist nur mit ausdrücklicher Zustimmung der betreffenden Auftrag- oder Arbeitgeber zulässig.
Die Urteilsbegründung:
Der Sprecher des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), Klaus Vater, hat in der Regierungspressekonferenz vom 27. November 2006 den Verrat von vertraulichen Vorentwürfen eines Gesetzentwurfs durch einen entsandten Mitarbeiter der DAK an seinen Arbeitgeber offengelegt.
Diese Verletzung von Vertraulichkeitsverpflichtungen durch den entsandten Mitarbeiter der DAK widerspricht eindeutig den einschlägigen Kodizes, insbesondere Artikel 6 des Code de Lisbonne. Gerade bei der Entsendung sogenannter Leihbeamter in Ministerien ist Vertraulichkeit Grundlage für die Zusammenarbeit. Die Lieferungen dieses Mitarbeiters wurden in der DAK entgegengenommen – wenn nicht sogar beauftragt. Zugleich ist den Einlassungen der DAK zu entnehmen, dass es keinerlei interne Richtlinien für solche Entsendungen gab. Damit ist letztlich irrelevant, ob dieser Vorgang ohne Billigung der oberen Führungsebenen geschah oder nur von einigen Personen innerhalb der DAK betrieben wurde. Es liegt ein institutionelles Versagen vor, das diesen schweren Fall eines Interessenkonfliktes und seiner Ausnutzung möglich machte.
Auch wenn der Mitarbeiter der Krankenkasse im BMG fachlich gearbeitet hat, unterliegt er im Rahmen des „Seitenwechsel“ dem Code de Lisbonne, da es sich um ein Programm handelt, das den Informationsaustausch und das gegenseitige Verständnis zwischen Ministerien und Unternehmen fördern soll. Es ist somit für die beteiligten Unternehmen eine Lobbying-Maßnahme im klassischen Sinne.
Der Rat ist der Auffassung, dass das BMG alle erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen hatte und diese bewusst und vorsätzlich umgangen wurden. Dafür sprechen,
1. dass das Bundesgesundheitsministerium den Mitarbeiter zuvor eine Vertraulichkeitserklärung abgeben lies und zudem sicherstellte, dass nur die fachliche Expertise ins Gesetzgebungsverfahren einfloss, der Mitarbeiter aber nicht an der Formulierung des Entwurfs mitarbeitete und
2. dass das BMG den Vorfall sofort öffentlich machte und den Mitarbeiter zumindest beurlaubte. Dass der Mitarbeiter nach Bekanntwerden des Vertrauensbruchs nicht durch das BMG fristlos zurückgeschickt, sondern nur beurlaubt wurde, ist darauf zurückzuführen, dass man den Mitarbeiter schützen wollte, auf den offenbar durch die DAK Druck ausgeübt wurde.
Die Darstellung der DAK, dass dieses Verhalten auch bei anderen Kassen üblich sei und das BMG, namentlich Herr Vater, nur Politik betrieben habe, rechtfertigt weder die Vorfälle, noch erscheint die Argumentation schlüssig. Die DAK hat in ihrer Stellungnahme letztlich nicht die Frage beantwortet, ob der Sachverhalt falsch wiedergegeben wurde.
Die Schwere des Falles lässt nur die Rüge zu, die der Rat einstimmig ausspricht.
Das BMG trifft dagegen keine Schuld.
17 / 2008 Verdacht der Schleichwerbung durch einen Gesundheitsexperten
Der Vorgang:
Freispruch für MCM Klosterfrau
Wegen des Anscheins von Schleichwerbung beendete die ARD am 24. Juli 2007 die Zusammenarbeit mit Prof. Hademar Bankhofer. Der Österreicher war zuvor über Jahre hinweg im Morgenmagazin der ARD als Gesundheitsexperte aufgetreten.
Auslöser für das Ende der Zusammenarbeit war ein Beratervertrag Bankhofers mit dem Kölner Unternehmen MCM Klosterfrau, der allerdings nach gleichlautenden Aussagen des Unternehmens und Bankhofers keine Werbe- und PR-Leistungen umfasste.
Bankhofer hatte 2005 in einem Beitrag die heilenden Wirkungen der „Klostermelisse“ positiv hervorgehoben. Das Heilkraut ist ein eingetragenes Markenzeichen von MCM Klosterfrau und prägender Inhaltsstoff des bekannten Produkts „Klosterfrau Melissengeist“. Seine Nennung ergibt einen direkten Hinweis auf das Produkt und ist somit geeignet, den Vorgang einer Schleichwerbung nahe zu legen.
Hademar Bankhofer entzieht sich als freier journalistischer Mitarbeiter der ARD der Zuständigkeit des Deutschen Rats für Public Relations (DRPR). Sein Verhalten war demnach nicht Gegenstand des Verfahrens. Zu prüfen war, ob MCM Klosterfrau als PR-treibendes Unternehmen gegen das Schleichwerbeverbot verstoßen hat.
Das Urteil:
Der DRPR spricht MCM Klosterfrau vom Vorwurf der Schleichwerbung frei.
Die Urteilsbegründung:
Der Vertrag von Hademar Bankhofer mit der ARD kam erst im Jahr 2006 zustande. Die Klostermelisse wurde aber bereits 2005 in einer Sendung von Bankhofer erwähnt. Zu diesem Zeitpunkt bestand nach Angaben von MCM Klosterfrau lediglich eine außervertragliche Zusammenarbeit „in geringfügigem Maße (…) als Moderator für ein Fachsymposium“ und „projektbezogen als Interviewexperte“.
Aus diesem formalen Grund ist eine Honorierung der Platzierung der „Klostermelisse“ als Voraussetzung einer Schleichwerbung von MCM Klosterfrau für den PR-Rat nicht erkennbar.
Ratsbeschluss vom 3.12.2008, Berlin
16 / 2008 Beschwerdekammer III – Schleichwerbung mit einer Fernsehmoderatorin
Ratsrüge gegen die Weight Watchers Deutschland GmbH
Der Vorgang:
Seit 2000 unterhielt die Weight Watchers Deutschland GmbH mit Sitz in Düsseldorf PR-Verträge mit der Moderatorin Andrea Kiewel. In zahlreichen Veranstaltungen, Druckwerken der Weight Watchers und Presseveröffentlichungen wurde die Moderatorin als Beispiel für den Erfolg der Abnehm-Methode in Text und Bild dargestellt. In der Zeit von 2000 bis 2003 soll sie dafür rund 500.000 DM, für den letzten Vertrag von November 2006 bis Februar 2007 35.000 EUR von Weight Watchers bekommen haben.
In Fernseh-Interviews, -shows und Talkrunden nannte Frau Kiewel die Weight Watchers und sprach über ihre Erfolge mit dem Programm. Bei ihrem Auftritt als Gast in der Sendung „Johannes-B.-Kerner-Show“ am 23. Januar 2007 erregte Andrea Kiewel durch mehrfache Nennung des Namens Weight Watchers das Misstrauen des Moderators Johannes B. Kerner. Auf die Nachfrage, ob es einen bezahlten Werbevertrag zwischen ihr und Weight Watchers gebe, sagte Kiewel: „Keine Werbeverträge, natürlich nicht.“
Erst später wurde bekannt, dass Andrea Kiewel hier nicht bei der Wahrheit geblieben war. Daraufhin wurde ihr im Dezember 2007 vom ZDF und dem MDR gekündigt. Die Weight Watchers hatten die Zusammenarbeit mit Frau Kiewel bereits unmittelbar im Anschluss an die Kerner-Sendung gekündigt.
In ihrer Funktion als Fernseh-Moderatorin entzieht sich Frau Kiewel der Zuständigkeit des Deutschen Rat für Public Relations (DRPR). Lediglich das Verhalten von Weight Watchers als PR betreibendes Unternehmen, Initiator und Nutznießer möglicher Schleichwerbung war daher Gegenstand des Verfahrens vor dem PR-Rat.
Das Urteil:
Der DRPR erachtet den Vorwurf der Schleichwerbung als berechtigt und rügt das Unternehmen Weight Watchers Deutschland GmbH, Düsseldorf, für die entsprechenden Aktivitäten in Zusammenarbeit mit der Moderatorin Andrea Kiewel.
Die Urteilsbegründung:
In den Berichten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) vom 20.12.07 und der Süddeutschen Zeitung (SZ) vom 22./23.12.07 finden sich Auszüge aus einem Vertrag zwischen Weight Watchers und Frau Kiewel vom 21.11.06. Unter Punkt 6 des Vertrags wurde Frau Kiewel angehalten das Thema „Power Start“ und „ihre Abnahme mit dem Weight Watchers Konzept ausführlich in einem besonders gewünschten Format zu platzieren“. Genannt wurden die Sendungen „Wetten, dass…?“, „Stern TV“, „Beckmann“ und „Kerner“. Für diese besondere Leistung wurde ein Sonderhonorar in Aussicht gestellt.
Auf eine Anfrage des DRPR bestätigte die Leiterin Unternehmenskommunikation der Weight Watchers, Frau Claudia Bachhausen-Dewerf, die Richtigkeit der genannten Vertragspassage, betonte jedoch zugleich, dass „die Umsetzung im Falle der Johannes-B.-Kerner-Show nicht die von uns erwartete oder gar erwünschte“ gewesen sei. Infolge dieses Auftritts habe man den Vertrag noch vor seinem Auslaufen im Februar 2007 „sofort gekündigt“. „Ein Sonderhonorar wurde nicht gezahlt.“
Im Rahmen einer persönlichen Anhörung vor dem PR-Rat nannte Frau Bachhausen-Dewerf als Grund für die Vertragskündigung, die Missbilligung der unwahren Aussage von Frau Kiewel. Die Zusammenarbeit sei „immer offen und transparent kommuniziert“ worden. In der schriftlichen Einlassung von Frau Bachhausen-Dewerf heißt es weiter: „Warum Andrea Kiewel die Frage von Herrn Kerner nicht wahrheitsgemäß beantwortet hat, können wir nicht nachvollziehen. Wir haben das Gespräch mit der Agentur von Frau Kiewel gesucht, die uns dazu keine Auskunft geben konnte.“
Über Kiewels Kölner Agentur Kick-Media AG richtete der DRPR eine entsprechende Anfrage an die Moderatorin. Ihr Anwaltsbüro teilte daraufhin mit, dass Frau Kiewel „sich hier nicht erklären wird.“ So bleibt es bei Kiewels öffentlicher Entschuldigung aus Dezember 2007: „Das war ein Fehler, für den ich mich ausdrücklich bei den Zuschauern und den Kollegen vom ZDF entschuldigen möchte.“ Eine wie auch immer geartete Honorierung für den Auftritt bei Kerner durch Weight Watchers bestritt sie in Übereinstimmung mit der Aussage des Unternehmens (s.o.) in der gleichen Erklärung (vgl. Focus-online vom 20.12.2007).
Zu klären hatte der Rat aufgrund der gegebenen Sachlage zunächst, ob Weight Watchers die Zusammenarbeit mit Frau Kiewel bewusst auf Schleichwerbung angelegt hatte. Dafür sprach der oben zitierte Punkt 6 aus dem Vertrag vom 21.11.06, insbesondere in Aussicht gestellte Sonderhonorar als Anreiz für Frau Kiewel, eine gewünschte Platzierung zu erzielen.
In der mündlichen Anhörung bestritt die Leiterin Unternehmenskommunikation der Weight Watchers die absichtliche Initiierung von Schleichwerbung, räumte allerdings in Bezug auf die fragliche Vertragspassage ein, wohl etwas zu unbedarft mit der Ausgestaltung des Vertragswerks umgegangen zu sein. Heute würden man so etwas nicht mehr machen.
Letztlich ist dem Vertrag aber nicht eindeutig zu entnehmen, dass Frau Kiewel ihre vertragliche Beziehung zu Weight Watchers verschleiern oder gar verleugnen sollte. Es könnte auch eine transparente Platzierung gemeint sein, obwohl den Beteiligten klar gewesen sein dürfte, dass eine Platzierung für die Moderatorin Kiewel einfacher zu erreichen ist als für eine allgemein bekannte Weight Watchers Botschafterin. Letztlich konnte der Rat aber eine bewusste und systematische Anlage von Schleichwerbung nicht nachweisen.
Eine andere Frage ist allerdings, ob Weight Watchers die Schleichwerbung durch die Vertragspartnerin Kiewel stillschweigend gebilligt hat, um von der Werbewirkungen für das eigene Haus zu profitieren.
Dazu griff der Rat auf einen Fernsehauftritt von Andrea Kiewel in der Sendung „Beckmann“ aus 2003 zurück. „’Dankeschön für die Nennung bei Beckmann (hat uns sehr gefreut!)’, schrieb eine Weight Watchers PR-Frau im Juli 2003 an ihr Werbe-Zugpferd Andrea Kiewel.“ (vgl. Spiegel-online vom 21.12.07). Als Gegenleistung bot sie einen redaktionellen Beitrag im nächsten Weight-Watchers-Magazin über die Kindermodenkollektion von Frau Kiewel an.
In der mündlichen Anhörung vor dem PR-Rat bestätigte Frau Bachhausen-Dewerf, den Vorgang und dass sie die „PR-Frau“ war, die von Spiegel-online nicht namentlich erwähnt wurde. Auf die Frage, ob denn bei „Beckmann“ die Rolle von Frau Kiewel als bezahlte Botschafterin der Weight Watchers transparent gemacht wurde, konnte die Leiterin Unternehmenskommunikation keine Antwort geben. Sie könne sich aufgrund der langen Zeit nicht mehr genau an die Sendung erinnern. Im Nachgang zu der Ratssitzung teilte sie am 6.10.2008 per Mail mit: „Da dieser Beitrag einige Jahre zurück liegt, kann ich keine Angaben zum Inhalt machen.“
Der DRPR beschaffte sich einen kostenpflichtigen Mitschnitt der fraglichen Beckmann-Sendung bei der NDR Media GmbH. Danach erscheint das „Dankeschön“ an Frau Kiewel in einem eindeutigen Licht. Die für den Zuschauer der „Beckmann“-Sendung nicht transparente Platzierung der Weight Watchers wurde anders als bei der Kerner-Show als Erfolg gefeiert und eine Sondervergünstigung angeboten. Es darf vermutet werden, dass Frau Kiewel mit ihrer Falschaussage bei Kerner einen Schritt zu weit gegangen war und Weight Watchers sich zu einer sofortigen Vertragskündigung veranlasst sah. Im Falle des Auftritts bei „Beckmann“ ohne direkte Falschaussage Kiewels wurde die Schleichwerbung billigend und dankend angenommen.
Als Gegenargument und Beleg für die Transparenz der Vorgänge führte Frau Bachhausen-Dewerf „Werbe- und Anzeigenmaterial aus dem Jahre 2001“ sowie gemeinsame Pressekonferenzen und PR-Events mit Andrea Kiewel an. In den von Weight Watchers vorgelegten Veröffentlichungen wird Andrea Kiewel jedoch immer nur als Beispiel für die erfolgreiche Abnahme mit dem Programm und nicht explizit als bezahlte Botschafterin für das Unternehmen vorgestellt. Das gibt die Leiterin Unternehmenskommunikation in ihrer Mail vom 6.10.08 auch zu, meint jedoch, „dass Frau Kiewel für das Unternehmen Weight Watchers spricht“ sei „dennoch klar“ gewesen. Den PR-Rat konnte das nicht überzeugen. Der Fernsehzuschauer kann nicht dafür verantwortlich gemacht werden, dass er sich nicht selbst darüber informiert hat oder sich gar aus irgendwelchen anderen Aktivitäten, selbst erschlossen hat, welcher Talkgast gerade bei welchem Unternehmen unter Vertrag steht.
Einen Vorwurf könnte man allenfalls an die betreffenden Fernsehredaktionen richten, die vor der Einladung Kiewels hätten recherchieren oder nachfragen müssen, ob Frau Kiewel vertraglich mit den Weight Watchers verbunden war. Wusste die Redaktion Bescheid, läge entweder eine Fehlleistung des Moderators vor oder die Schleichwerbung wurde seitens der Sender bewusst in Kauf genommen. Es befremdet zumindest, dass Moderator Beckmann die WeightWatchers, nachdem der Name einmal von Frau Kiewel genannt war, selbst nochmals per Nachfrage ins Spiel bringt. Ein eventuelles Fehlverhalten der Medien fällt allerdings nicht in die Zuständigkeit des PR-Rats.
Für ihre Mitwirkung in diesem Verfahren aus spricht der Rat Frau Bachhausen-Dewerf als Vertreterin der Weight Watchers ausdrücklich seine Anerkennung aus. Für den DRPR war erkennbar, dass sie jederzeit bemüht war, zur Aufklärung des Falles beizutragen. Außerdem gelangte der Rat zu der Überzeugung, dass bei dem Verhalten in Zusammenarbeit mit Frau Kiewel zu keinem Zeitpunkt eine Arglist, sondern eher eine gewisse Gedankenlosigkeit erkennbar war, die allerdings nicht vor einer Rüge schützt. Positiv sieht der Rat auch die Bekundung, dass Weight Watchers derartige Kooperationen künftig nicht mehr eingehen wird.
15 / 2008 Beschwerdekammer III – PR für das Bundesgesundheitsministerium
Freispruch für die Agentur Schlenker
Der Vorgang:
Am 07.07.08 berichtete die Redaktion von REPORT MAINZ (SWR) über die von der Agentur Schlenker PR erstellten sendefähigen Hörfunkberichte für das Bundesgesundheitsministerium, Berlin.
In dem Beitrag wird auf eine ehemalige Mitarbeiterin der Agentur verwiesen, die angeblich über „gekaufte journalistische Inhalte“ gesprochen hat.
Herr Peter Widlok äußert als Sprecher der Arbeitsgruppe Programm und Medien den Verdacht der Schleichwerbung, „wenn die Redaktionen dafür Geld genommen haben, dass sie solche Beiträge ausstrahlen.“
Weiterhin führt der Beitrag von REPORT MAINZ die Aussagen einer Insiderin und eines Radioproduzenten an, „wonach es Kooperationen mit einzelnen Radiostationen geben soll, welche dann für die Ausstrahlung der PR-Berichte von Schlenker bezahlt würden.“
Auf Anfrage des DRPR geht die Agentur Schlenker ausführlich auf die erhobenen Vorwürfe ein.
Das Urteil:
Der DRPR kann im vorliegenden Verfahren keinen Fall von Schleichwerbung erkennen und spricht die Agentur Schlenker insofern von dem Verdacht der Schleichwerbung frei.
Die Urteilsbegründung:
Schleichwerbung liegt nach dem Verständnis des DRPR immer dann vor, wenn in den Medien platzierte Botschaften 1. durch die Gewährung von Geldzahlungen oder anderer geldwerter Vorteile erreicht werden und 2. der Leser über diese Tatsache im Unklaren gelassen wird. Der Rat hatte also zu prüfen, ob die beiden genannten Kriterien für Schleichwerbung durch das Vorgehen von Schlenker erfüllt werden.
Auf eine entsprechende Frage des DRPR teilte die Geschäftsführerin der Agentur, Frau Petra Schlenker, schriftlich mit: „Schlenker Public Relations zahlt bzw. zahlte kein Geld für die Ausstrahlung von PR-Beiträgen von Kunden bzw. Journalisten. […] Eine Geldzahlung als Eigenleistung für die Ausstrahlung – unabhängig davon, in welcher Form die Ausstrahlung dann geschehen ist, wird und wurde […] nicht erbracht.“ Eine Garantie „für die Ausstrahlung von PR-Beiträgen auf bestimmten Sendern“ sei dem Kunden ebenso wenig gegeben worden wie für „fest definierte Mindestwerte hinsichtlich der Reichweiten“.
Der Rat hält die Ausführungen von Frau Schlenker in diesem Punkt für glaubwürdig und weist die unter Bezug auf eine anonyme Insiderin gemachten Vorwürfe von REPORT MAINZ zurück.
Da der Zuhörer schlechterdings nicht über etwas im Unklaren gelassen werden kann, was nicht geschehen ist, musste der Rat sich mit der Frage der fehlenden Kenntlichmachung einer bezahlten Veröffentlichung nicht auseinander setzen.
Die Kritik seitens des Deutschen Journalistenverbandes (DJV) an dem Vorgehen der Bundesregierung als Auftraggeber der Hörfunkbeiträge und damit auch an Schlenker als Auftragnehmerin und Ausführende hält der DRPR für nicht gerechtfertigt. Solange es den Sendern völlig freisteht, ob und wie sie das angebotene Material verwenden, kann von einer Aushöhlung der freien Berichterstattung nicht gesprochen werden, wie es der Vorsitzender des DJV, Michael Konken, in dem Beitrag von REPORT MAINZ getan hat. Hierzu verweist der Rat auf seine Presseerklärung vom 31.08.2007 „Manipulationsvorwürfe unbegründet“) in einer vergleichbaren Angelegenheit. Schon dort hat der DRPR sendefähige Beiträge für den Hörfunk als legitimes Mittel der PR-Arbeit bezeichnet.
Der Rat bekräftigt hiermit seine Linie: PR-Arbeit bietet Informationen an und Journalismus entscheidet über den Umgang damit. Wem die eigenverantwortliche Entscheidung der Medien für eine Veröffentlichung nicht gefällt, muss sich kritisch mit denen auseinander setzen, die die Entscheidung getroffen haben und nicht mit denen, die das Informationsmaterial angeboten haben.
Die Bringschuld für die Herstellung von Quellentransparenz liegt auf journalistischer bzw. redaktioneller Seite, Anbieter von Informationen können dies prinzipiell nicht leisten.
14 / 2008 Dem PR-Beruf eine Lizenz zum Täuschen zugesprochen
Missbilligung öffentlicher Auftritte des Professors Dr. Klaus Märten
Frankfurt, 1. Oktober 2008: Der DRPR missbilligt scharf und einstimmig Aussagen von Prof. Dr. Klaus Merten, Münster, in denen er behauptet, die Profession Public Relations habe insgesamt eine Lizenz zur Täuschung.
Diese Feststellung hatte Merten u. a. in seiner Funktion als Gesellschafter des Weiterbildungsinstituts com+plus am 19. Juni 2008 im Rahmen einer Veranstaltung der Universität Münster geäußert. Ebenso in dem von ihm verfassten Papier „Der gesellschaftliche Bedarf für Täuschung“ (2008). Äußerungen wie diese sind dazu geeignet, einer Rufschädigung für die ganze Branche Vorschub zu leisten (siehe Artikel 18 Code de Lisbonne).
Der Deutsche Rat für Public Relations sieht in solch falschen und verallgemeinernden Äußerungen einen eklatanten Widerspruch zu den wichtigen Berufskodizes Code d’Athenes (Punkt 10), Code de Lisbonne (Art. 3 und 4) sowie den „Sieben Selbstverpflichtungen der DPRG“. Dort werden Lügen in der Ausübung von Öffentlichkeitsarbeit sowie die Täuschung von Öffentlichkeiten nachdrücklich ausgeschlossen.
Im vorliegenden Fall kommt erschwerend hinzu, dass Prof. Dr. Merten als Mehrheitsgesellschafter und alleiniger Geschäftsführer eines zertifizierten Weiterbildungsinstituts aufgetreten ist. Seine Äußerungen wirken daher in die Ausbildungsinhalte des eigenen Unternehmens hinein und haben dadurch auch besondere Bedeutung für die Weiterbildung der gesamten Branche. Hierzu stellt der DRPR fest, dass Prof. Merten seine Thesen, falls die Aussagen so gemeint waren, nicht ausdrücklich als solche kenntlich gemacht bzw. auch im nachfolgenden schriftlichen Anhörungsverfahren nicht relativiert hat.
Diese Missbilligung wird unabhängig von der vom Grundgesetz garantierten Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) ausgesprochen, die Wissenschaftlern erlaubt, Berufsnormen in ihrer empirischen Wirklichkeit und ihrem normativen Sinn in Frage zu stellen und zu diskutieren.
Freispruch für die BMW AG
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Der Vorfall:
Der Schriftsteller Horst Mönnich war von der BMW AG mit der Abfassung einer Unternehmensgeschichte beauftragt worden. Zwei Bände, die die Zeit von der Gründung des Unternehmens bis zum Beginn der Ära des Vorstandsvorsitzenden v. Kuenheim 1973 umfassten, sind erschienen. Die Veröffentlichung eines dritten Bandes, der größtenteils die Handlung noch lebender Personen beschreibt, hält das Unternehmen zurück.
Gegen diese Zurückhaltung beschwerte sich ein Leser der ersten beiden Bände mit dem Hinweis, an der Veröffentlichung des Gesamt-Werkes eines Schriftstellers bestehe ein öffentliches Interesse.
Das Urteil:
Hamburg, 2. Juni 2008: Der PR-Rat sieht mehrheitlich keine Veranlassung, eine sofortige Veröffentlichung des dritten Bandes der BMW-Firmengeschichte zu fordern. Das Interesse der Öffentlichkeit an der jüngsten Entwicklung des Unternehmens werde durch eine vom Firmen-Archiv publizierte historische Dokumentation abgedeckt.
Die Urteilsbegründung:
Die dem Rat vorgelegte Beschwerde wurde aus grundsätzlichen Gründen abgewiesen. Auftragswerke der Literatur und der Essayistik können trotz ihres Informationsgehalts aus übergeordneten Gründen des Persönlichkeitsrechts vom Auftraggeber bis zu einem von ihm zu wählenden Zeitpunkt zurückgehalten werden. Strittig ist die Zurückhaltung von Ergebnissen einer Auftragsforschung. Der PR-Rat behält sich vor, hierüber fallweise anders zu urteilen. Dies würde auch dann nicht nach vertragsrechtlichen sondern nach Gesichtspunkten der Kommunikationsmoral geschehen.
Der scheidende und der neue Ratsvorsitzende (beide früher BMW) erklärten sich für befangen und haben an der Erörterung und der Urteilsfindung dieses Falles nicht mitgewirkt.
Mahnung der PR-Agentur Schmellenkamp Communications
Der Vorfall:
In ihrer Infomail 11 / 2007 bot die PR Agentur Schmellenkamp Communications „Resonanz mit Auflagengarantie“ an. Sie verstieß damit gegen den Code de Lisbonne:
Art. 10: Public Relations Fachleute dürfen keine vertraglichen Vereinbarungen eingehen, in denen sie ihrem Auftrag- oder Arbeitgeber messbare Erfolgsgarantien abgeben.
Auf die Vorhaltung des PR-Rates machte die Agentur geltend, dass sie keinem der Trägerverbände des PR-Rates angehöre und sich nicht „expressis verbis“ (!) mit deren Kodex auseinandergesetzt habe. Trotzdem habe sie daraufhin sämtliche entsprechenden Formulierungen ihres Auftritts im Internet geändert.
Das Urteil:
Hamburg, 2. Juni 2008: Der PR-Rat ermahnt die Agentur Schmellenkamp Communications, sich künftig an die Regeln der Kommunikationsberufe zu halten.
Die Urteilsbegründung:
Die Kommunikationsberufe sind in Deutschland nicht verkammert. Folglich besteht kein Zulassungszwang zu ihrer Ausübung. Das enthebt PR Ausübende aber nicht der Pflicht, sich den vorhandenen beruflichen Standards zu unterwerfen. Andernfalls könnte jedermann vor einem geplanten Fehlverhalten aus einem der Trägerverbände des PR-Rates austreten und sich PR-Regeln nach eigenem Gutdünken ausdenken. Die angezogenen PR-Regeln sind auch keine willkürlichen Satzungen eines einzelnen Verbandes. Sie wurden 1978 erstmals formuliert und gelten international. Sie basieren auf dem, was in der öffentlichen Kommunikation seit eh und je Sitte und Anstand gebieten. Darin sind sie dem deutschen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vergleichbar. Beide Texte müssen daher jedem vertraut sein, der als PR-Agenturchef tätig ist.
Freispruch im Fall Dr. Werth
Der Vorfall:
Ein Zuschauer des Nachrichtenkanals n-tv beschwerte sich über die Schleichwerbung des Magdeburger Neurologen Dr. Ulrich Werth in der n-tv-Sendung „Gesund & Schön“. In dieser Sendung sei dessen Heilmethode für Parkinsonkranke wiederholt vorgestellt und umworben worden. Dabei werden bis zu 30 Titannadeln unter der Haut der Ohrmuschel eingepflanzt. Die Behandlung mit solchen „ewigen Nadeln“ koste bis zu 10.000 E, Kosten, die wegen nicht bewiesener Wirksamkeit weder von den gesetzlichen noch von den privaten Krankenkassen übernommen werden. Hauptzweck der TV-Aktivitäten des Dr. Werth sei daher die Akquisition von Neukunden bzw. –Patienten.
Der Beschwerdeführer, selbst ein an Parkinson Erkrankter, legte dem PR-Rat ärztliche Stellungnahmen und eine Patientenstudie der Deutschen Parkinson-Vereinigung vor, die an den behaupteten Behandlungserfolgen des Dr. Werth zweifeln lassen.
Der Sender n-tv, so der Beschwerdeführer, verwende trotzdem Material aus den Werbevideos des Dr. Werth, verweise seine Zuschauer auf weiterführende Teletext-Informationen zum Thema und missachte damit das Werbeverbot für Ärzte. Auf die Vorhaltungen des PR-Rates antwortete n-tv am 22. Februar 2008: „Wir haben daraufhin die Angelegenheit überprüft, können jedoch keine Auffälligkeiten in dieser Sache feststellen. Ein Einfluss des Herrn Dr. Werth auf die genannte Sendung hat nicht stattgefunden.“
Die Ratsentscheidung:
Hamburg, den 2. Juni 2008. Ob für die Darstellung der Heilmethode des Dr. Werth im n-tv-Bericht Geld gezahlt wurde oder eine andere Gegenleistung erfolgte, kann nicht festgestellt werden. Der PR-Rat stellt daher dieses Verfahren ein
1 – 9 / 2008 Beschwerdekammer III – Schleichwerbung in der ARD-Serie „In aller Freundschaft“
Ratsrügen gegen Merz-Pharma AG, Sanofi Aventis Deutschland GmbH, Astra Zenenca GmbH, Genzyme GmbH, UCB GmbH, Novartis Deutschland GmbH, Janssen-Cilag GmbH sowie erneut gegen deren PR-Agentur K+W von Andreas Schnoor. Öffentliche Abmahnung der Pharmafirma H. Lundbeck A/S (Dänemark)
Die Vorfälle:
Der Deutsche Rat für Public Relations (DRPR) hatte 2006 eine Reihe von Firmen und Verbänden, darunter die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) und den Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) sowie deren Agentur K+W wegen Schleichwerbungspraktiken in ARD-Sendungen gerügt. Seine Quellen waren die Listen der ARD-Clearingstelle von 2005. Darin waren in einigen Spalten auch Produktnamen oder Krankheiten angeführt, denen keine Veranlasser möglicher Schleichwerbung zugeordnet werden konnte.
Diese Zuordnungen sind jetzt in einem Großteil der Fälle möglich geworden. Im August 2007 wurde ein interner Projektbericht der Agentur K + W Kultur und Werbung von Andreas Schnoor in München bekannt. Er enthält für die ARD-Serie „In aller Freundschaft“ sowohl die Themen und ihre Ausstrahlungstermine wie die veranlassenden Firmen und die Zahl ihrer bestellten Folgen. Pro Folge waren 30.000 EUR fällig.
Mit Schreiben vom 11. Februar 2008 forderte der DRPR acht in dem Projektbericht genannte Pharmafirmen zu einer Stellungnahme auf. Fünf Firmen antworteten schriftlich, zwei zusätzlich per Telefon. Drei Firmen haben nicht geantwortet.
Das Urteil:
Schleichwerbung stellt eine unzulässige Form der Zuschauerbeeinflussung dar. Sie ist nicht nur durch die Rundfunkstaatsverträge verboten. Auch der PR-Code de Lisbonne (Art. 4) und eine Verhaltensrichtlinie des DRPR zu Schleichwerbung und Product Placement gebieten offene und leicht als solche erkennbare PR-Maßnahmen. Diese Offenheit wurde bei den Themenplacements der betroffenen Unternehmen vermieden.
Der DRPR spricht gegenüber den Firmen
• Merz-Pharma AG
• Sanofi Aventis Deutschland GmbH
• AstraZeneca GmbH
• Genzyme GmbH
• UCB GmbH
• Novartis Deutschland GmbH
• Janssen-Cilag GmbH
als Auftraggeber der durch den Vermittler K+W durchgeführten bezahlten Themenplacements öffentliche Rügen aus.
Ebenfalls und erneut rügt der Rat die Agentur K+W von Andreas Schnoor, dem als Initiator, Vermittler und Abwickler dieser Schleichwerbungfälle eine besondere Verantwortung zukommt.
Die Pharmafirma H. Lundbeck A/S (Dänemark) wird in dem Projekt-Bericht der Agentur genannt. Sie hatte zugesagt, ein Nachfolgepräparat von Cipramil – offensichtlich ihr neues Präparat Cipralex – nach dessen Zulassung für eine Folge der ARD-Serie „In aller Freundschaft“ thematisieren zu lassen. Zu ihren Gunsten nimmt der PR-Rat an, dass sie angesichts der sehr heftigen öffentlichen Reaktionen auf derartige bezahlte Themenplatzierungen davon Abstand genommen hat. In den Listen der ARD-Clearingstelle findet dieser Vorgang als einziger jedenfalls keine Entsprechung. Die Gelegenheit zu einer Stellungnahme hat das Unternehmen nicht genutzt.
Der PR-Rat ermahnt die Firma Lundbeck A/S, keine weiteren derartigen Geschäfte ins Auge zu fassen.
Die Urteilsbegründung:
Der PR-Rat verteidigt jede offene Pressearbeit von Pharmaunternehmen mit Medien und Filmproduzenten, um neue Krankheiten zu thematisieren oder neue Arzneien oder Anwendungen vorzustellen. Wer aber Geldmittel einsetzt, um redaktionelle Veröffentlichungen zu erkaufen, untergräbt erstens die Entscheidungsfreiheit der Medienleute. Zweitens täuscht er die Zuhörer, da diese von einer neutralen Darstellung der Sachverhalte ausgehen. Er verbreitet heimlich Werbeaussagen als scheinbar unabhängige Berichterstattung.
Die Firmen Merz-Pharma AG und Sanofi Aventis Deutschland GmbH haben die Gelegenheit zu einer entlastenden Stellungnahme nicht genutzt. Aufgrund des Abgleichs der Tabellen der ARD-Clearingstelle mit dem Projektbericht der Agentur K + W kommt der PR-Rat zu dem Ergebnis, dass sie Schleichwerbung betrieben haben.
Die AstraZeneca GmbH gibt in ihrem Antwortschreiben an den PR-Rat die Schleichwerbung in der ARD-Serie „In aller Freundschaft“, Folge 142 vom 28.5.2002 zu. „Das Placement erfolgte auf Vermittlung der H+S Unternehmensberatung bzw. durch die Agentur ‚Kultur und Werbung’.“ Dafür sei ein Honorar von 25.000 EUR gezahlt worden. Dies sei der einzige Fall dieser Art gewesen.
„Einzig ein Vorgang aus dem Bereich Onkologie weist gewisse Parallelen auf. Die angebahnte Platzierung einer Krebstherapie wurde jedoch nicht zu Ende verfolgt. Die Umsetzung im Sinne einer Schleichwerbung hat nicht stattgefunden.“ Dieser letztgenannte Vorgang taucht in dem Projektbericht von K+W unter „Abschlüsse“, aber nicht in der konkreten Auflistung von Ausstrahlungen auf. Auch in den Listen der Clearingstelle ist er nicht zu finden. Der Rat vertraut daher den Aussagen von AstraZeneca.
Die Genzyme GmbH räumt ebenfalls eine Zusammenarbeit mit der Agentur K+W ein („eine ausgewiesene Pharma-PR-Agentur“). Es sei ihr nicht bewusst gewesen, dass diese einen Teil der Zahlungen für die Platzierungen eingesetzt hat. Der PR-Rat orientiert sich in seinem Urteil aber an den für alle genannten Firmen gleichen Geschäftsgrundlagen, die daher auch allen Beteiligten bekannt gewesen sein dürften. Auch lässt er sich von dem schon in der Vergangenheit befolgten Grundsatz der vollen Verantwortlichkeit des Auftraggebers leiten, der seine Dienstleister entsprechend zu verpflichten und zu kontrollieren hat (siehe u. a. DRPR-Verfahren 6 / 2006 vom 9. Mai 2006). Unwissenheit schützt nicht vor einer Ratsrüge.
Sowohl UCB als auch Novartis können den Vorwurf nach eigenen Auskünften „weder bestätigen noch dementieren“ (Novartis). UCB dazu: „Wir können deshalb nur nochmals unser Bedauern zum Ausdruck bringen, dass hier, wie durch Ihre Unterlagen untermauert, offensichtlich Aktivitäten initiiert wurden, in denen eine Involvierung der UCB GmbH leider nicht ausgeschlossen werden kann.“ Der Rat musste sein Urteil daher aufgrund der eindeutigen Aktenlage fällen.
Die Janssen-Cilag GmbH bestreitet, über ihren Geschäftsbereich Ortho Biotech ein TV-Placement für ihr Medikament Erypo in Auftrag gegeben zu haben, „weder über K+W noch über eine andere Agentur“. Nach Prüfung der Unterlagen „im Fachbereich, im Einkauf und in der Rechtsabteilung“ sei eine Zahlung „definitiv“ nicht erfolgt, teilte das Unternehmen dem DRPR per E-Mail mit. Immerhin berichtet Janssen-Cilag von einer Anfrage zu Placements zum Krankheitsbild Fatigue. „Diese Anfrage wurde von uns abgelehnt. Es kam kein Vertrag und somit kein Auftrag zustande.“
Diesen Auskünften widersprechen einerseits die Eintragungen in die Liste der ARD-Clearingstelle für 2002 und 2003 („Wirkstoff: Erypo“ bzw. „Müdigkeitssyndrom“) einschließlich kumulierter Geldbeträge und anderseits die erfolgten Ausstrahlungstermine im Agenturbericht sowie der anschließende Arbeitshinweis: „Erypo/Fatigue Syndrom: Folge 183 als 2. Folge. Treatment ab 02.12.02 angesagt. Drehbuch ab 16.12. 2002 angesagt. Drehbuch muss von SF bis 20.12.2002 bearbeitet werden, damit es in der zweiten Drehbuchfassung integriert ist.“
Leider hat das Unternehmen innerhalb zweier zusätzlich eingeräumter Fristen weder eine Zeugenaussage noch anderes entlastendes Material vorlegen können. Die auf der Empfängerseite registrierten Beträge könnten beispielsweise auch über eine zwischengeschaltete Firma mit einer anderen Summe und einem nicht eindeutigen Verwendungszweck geflossen sein.
Der DRPR schließt sich aufgrund der belastenden Unterlagen daher der Aussage des Vorsitzenden der ARD-Clearingstelle Hermann Eicher an: „Die Agentur Schnoor war kein Wohlfahrtsunternehmen, die hätte sicher nicht gezahlt für etwas, wofür sie selbst kein Geld bekommen hat.“ (Wiedergegeben in Markus Grill: „Kranke Geschäfte“, Rowohlt 2007, Seite 165)
Erwähnenswert ist die Ernsthaftigkeit, mit der die zuletzt genannten fünf Pharmafirmen AstraZeneca, Genzyme, UCB, Novartis Deutschland und Janssen-Cilag die vom Rat erhobenen Vorwürfe bearbeitet haben. Sie haben der Aufforderung des Rates zu einer schriftlichen Stellungnahme ausführlich entsprochen. Alle fünf Firmen sprechen sich eindeutig gegen Schleichwerbung und für die Einhaltung der ethischen Normen der PR-Arbeit aus.
Die Rolle des DRPR wird dabei ausdrücklich anerkannt und seine Befassung mit den Fällen begrüßt. Verwiesen wird auch auf eigene Kodizes der Branche (Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e.V. vom 16.02.2004) und der Firmen selbst, deren Einhaltung die Firmen nach eigenem Bekunden künftig konsequent sicherstellen wollen.
Der Rat begrüßt das Verhalten und die Absichtserklärungen dieser Pharmaunternehmen ausdrücklich.
13 / 2007 Beschwerdekammer III – Akte 13/2007 Unilever (Becel)
Ratsrüge gegen Unilever Deutschland GmbH und die Agentur WWP Weirather – Wenzel & Partner GmbH
Beschwerdekammer III – Akte 13/2007 Unilever (Becel)
Der Vorgang
Unter dem Titel „Deutschland Walk“ strahlte die ARD in ihrem Vorabendprogramm im September 2006 ein zweiminütiges Sportsonderformat aus. Elf redaktionelle Beiträge zum Thema Nordic Walking mit Rosi Mittermaier und Christian Neureuther wurden zwischen dem 4. und 18.09.2006 zunächst um 19:15 Uhr, später dann um 17:50 Uhr gesendet. Die Beiträge wurden jeweils zu Beginn und am Ende mit sieben Sekunden langen Werbetrailern der Marke Becel der Unilever Deutschland GmbH eingerahmt. Dafür war ein reichweitenunabhängiger Festpreis von 300.000 € brutto vereinbart, der später mit der Vorverlegung des Sendeplatzes auf 235.000 € brutto reduziert wurde. Die redaktionelle Verantwortung für das Format lag beim Bayerischen Rundfunk. Nachdem ARD-Programmdirektor Günter Struve das ursprünglich von Christian Neureuther eingebrachte Konzept „Becel macht Deutschland gesund“ bereits im Oktober 2005 abgelehnt hatte, wurde es durch die von Unilever beauftragte österreichische Eventagentur WWP Weirather – Wenzel & Partner GmbH, Dornbirn, im März 2006 über den ARD-Sportkoordinator Hagen Boßdorf erneut eingebracht und schließlich realisiert.
Das Urteil
Der Deutsche Rat für Public Relations erteilt der Unilever Deutschland GmbH und der Agentur WWP Weirather – Wenzel & Partner GmbH eine öffentliche Rüge wegen Schleichwerbung im ARD-Vorabendprogramm.
[Die Urteilsbegründung]
Das Konzept von WWP „sah eine Integration von ‚markenrelevanten Themen im Umfeld des Produkts Becel wie Gesundheit, Ernährung, Cholesterin und Herz-Kreislauf‘ vor“ (ARD-Presseinformation vom 11. Oktober 2006). Die ARD selbst reagierte mit der Nicht-Verlängerung des Vertrages mit Hagen Boßdorf und weiteren arbeitsrechtlichen Maßnahmen gegen die für die Redaktion verantwortlichen BR-Mitarbeiter. Unilever und WWP antworteten auf die Anfrage des DRPR einmütig mit dem formellen Hinweis darauf, dass die redaktionelle Verantwortung ausschließlich bei der ARD lag. Für WWP „bestand daher kein Anlass bei diesem Format ‚Schleichwerbung‘ zu vermuten“.
Als Grund für die arbeitsrechtlichen Maßnahmen gegen die Mitarbeiter der Sportredaktion des BR sowie den ARD-Sportkoordinator nennt der BR auf Anfrage des DRPR einen „Verstoß gegen das für alle in unserem Haus tätigen Personen verbindlich geltende Trennungsgebot des § 7 Abs. 3 RStV“ (Rundfunkstaatsvertrag). Aus dem Trennungsgebot resultiert die Verpflichtung, unzulässiges Themen- und Markenplacement zu unterlassen. Dass dies eben nicht geschehen ist, hat die ARD damit bestätigt.
Das unzulässige Themenplacement von Unilever und der beauftragten Eventagentur WWP ergibt sich auch schon aus dem Ablauf der Geschehnisse. Dazu formuliert die Rechtsabteilung des BR zurückhaltend, aber dennoch eindeutig genug: „Auf ein Gespräch zwischen der Agentur, dem ARD-Sportkoordinator, der ARD-Werbung und dem zuständigen Redakteur der BR-Sportredaktion am 12.04.2006 erstellte die Agentur ein redaktionelles Konzept. Nach der Besprechung kam es schließlich zu einem Programmsponsoring-Vertrag, in dessen Rahmen die Sporteventagentur mit Schreiben vom 09.05.2006 der BR-Sportredaktion konkrete Themen vorschlug. Zusammenfassend gab es zwischen der BR-Sportredaktion und der für Becel tätigen Sporteventagentur im Zusammenhang zu dem Programm ‚Deutschland Walk‘ mehrfach Kontakt.“
Was dort besprochen wurde, ist dann einem Beitrag von epd medien zu entnehmen. Der Dienst zitiert aus den internen Planungspapieren die Absprache „Redaktionelle Beiträge als Good-Will von ARD ohne Berechnung!!“ Offenkundig waren darüber hinaus noch weitere redaktionelle Leistungen der ARD geplant: „Auf den Tourenplan des ‚Deutschland Walks‘ sollte im ARD-Telext und auf der Homepage des Ersten hingewiesen werden. Außerdem war an eine Berichterstattung von einzelnen Etappen im ‚Morgenmagazin‘ und ‚Mittagsmagazin‘ gedacht. Offenbar hatte die beteiligte Sportredaktion noch weitere ‚redaktionelle Begleitung zugesagt‘, dies jedoch mit einem Vorbehalt versehen: ‚Umfang und Sendeplatz nach Verfügbarkeit!‘“ (epd medien, Nr. 88, 8.11.2006, S. 5). Außerdem wurde vereinbart, das Becel-Markenlogo auf den Trikots der Walker aufzubringen und in den redaktionellen Beiträgen zu zeigen. „Branding im Rahmen der üblichen Sponsoringtools einer Laufveranstaltung“, (ebd.) lautete die wörtliche Umschreibung dafür.
In der fehlenden vertraglichen Ausgestaltung der Kooperation sieht der DRPR den Versuch den eigentlichen Kern der Vereinbarung zwischen Unilever/WWP und der ARD zu verschleiern. „Die Verknüpfung von Sponsoring und begleitender Berichterstattung soll schriftlich nicht fixiert worden sein“ (epd medien, Nr. 81, 14.10.2006, S. 8). Hätte es die Verknüpfung nicht gegeben, müsste man sich sehr wundern, dass der Vertrag über das 300.000 €-Projekt lediglich durch eine Buchungsbestätigung der ARD-Werbetochter AS&S zustande gekommen sein soll (vgl. ebd.).
Für epd medien ist auch der Preis für die Presentingtrailer „ein zusätzlicher Hinweis darauf, dass hier verdeckt programmliche Zusatzleistungen mit entlohnt wurden.“ Ein Einzelpreis von über 13.600 € liege in den oberen Tarifgruppen für reguläre Spotwerbung von 30 Sekunden. „Die einzelnen Sponsortrailer aber hatten eine Länge von nur sieben Sekunden“ (ebd., S. 3). Die von Unilever beauftragte Mediaagentur Mindshare sieht dies anders. In einer Stellungnahme gegenüber dem DRPR heißt es zusammenfassend: „Diese Kosten sind angemessen.“ Der PR-Rat weist bei dieser Gelegenheit darauf hin, dass die besondere Höhe des Preises zwar ein Hinweis für das Vorliegen von Schleichwerbung sein kann, aber keine notwendige Bedingung dafür ist.
Kritisch zu erwähnen ist abschließend die Unterstützung der Ratsarbeit durch den BR. Etwas mehr als zwei Jahre hat es gedauert bis die Rechtsabteilung des BR mit Schreiben vom 2.9.2009 die Fragen des DRPR endlich beantwortet hat. Die erste Anfrage an den BR datiert vom 20.8.2007. Möglicherweise spiegelt sich in der zögerlichen Reaktion des Senders der Versuch wieder, den Vorgang nicht weiter öffentlich thematisieren zu lassen. Schließlich zeigt der Fall neben der anerkennenswerten internen Aufklärungsarbeit der ARD auch die proaktive Mitarbeit bei der Einfädelung und Realisierung eines Schleichwerbe-Deals durch programmverantwortliche Mitarbeiter.
Ratsrüge gegen die PR-Agentur Flaskamp AG
Der Vorfall:
Am 10. August 2007 berichtete der Kölner Stadtanzeiger, ihm seien durch die PR-Agentur Flaskamp öffentliche politische Veranstaltungen und Redaktionsbesuche eines Staatssekretärs des Bundeswirtschaftsministeriums angeboten worden, die mittels Anzeigen „gegenfinanziert“ werden sollten. Dabei könne es sich um Summen bis 40.000 Euro handeln. Die Berichterstattung sollte in der Gesamtausgabe erfolgen. Ein Beispiel, in dem die mögliche Gegenfinanzierung durch Anzeigen erkennbar sei, habe dem Angebot beigelegen: das der Märkischen Allgemeinen Zeitung.
Das Urteil:
Frankfurt, 10. Dezember 2007. Der PR-Rat fand die Darstellung des Kölner Stadtanzeigers nach eingehender Prüfung der von ihm, von der Agentur, vom DIHK und dem Bundeswirtschaftsministeriums vorgelegten Auskünfte und Dokumente und nach einer Anhörung des Agenturchefs zutreffend. Ein Agenturmitarbeiter hatte dem Kölner Stadtanzeiger eine Gegenfinanzierung von redaktionellen Berichten über eine Kampagne des Bundeswirtschaftsministeriums durch Anzeigen dieses Ministeriums und einer IHK angeboten.
Solche „Koppelungsgeschäfte“ widersprechen dem Transparenzgebot, das aller PR-Pressearbeit zugrunde liegen muss. Der PR-Rat sprach daher gegen die Agentur Flaskamp AG mehrheitlich eine öffentliche Rüge aus. Die Agentur Flaskamp AG akzeptierte den Ratsspruch umgehend mit einer öffentlichen Erklärung.
Der PR-Rat beschränkte sich auf einen aktenkundlichen Einzelfall. Er sah mehrheitlich von der Verurteilung des Medienkooperationskonzepts der Agentur ab. Um ein solches zu beurteilen, bedarf es nach Ansicht der Mehrheit noch zu formulierender geeigneter Maßstäbe; eine Verhaltensrichtlinie solle dazu jetzt erarbeitet werden.
Minderheitsvotum:
Vier Ratsmitglieder sprachen sich für die Verurteilung des Gesamtverhaltens der Agentur aus. Sie sahen in der Konstruktion sogenannter Medienkooperationen ihr entscheidendes Fehlverhalten. Die ganze Kampagne sei darauf angelegt gewesen, mediale Berichterstattung durch Anzeigen zu erzeugen. Daher müsse auch der Auftraggeber, das Bundeswirtschaftsministerium, zur Rechenschaft gezogen werden.
Der PR-Rat bekräftigte einstimmig, dass sich Auftraggeber – anders als vom Bundesministerium vorgetragen – nicht ihrer Verantwortung für die Handlungsweisen einer von ihnen beauftragten Agentur entziehen können. Ihre PR- und Pressereferenten unterliegen den gleichen Verhaltenskodizes wie alle in der Privatwirtschaft Tätigen. Aber im vorliegenden Fall war nicht das dem Auftraggeber vorgelegte Konzept, sondern eine einzelne Handlung zu beurteilen.
Die Urteilskriterien des PR-Rates:
1. Koppelungsgeschäfte mit Anzeigenplatzierungen gegen redaktionelle Berichterstattung sind nicht statthaft. Der PR-Rat bezieht sich hierbei auf den Code de Lisbonne und seine Richtlinie über Product Placement und Schleichwerbung:
Jeder Versuch, die Öffentlichkeit oder ihre Repräsentanten zu täuschen, ist nicht zulässig. Informationen müssen unentgeltlich und ohne irgendeine verdeckte Belohnung zur Verwendung oder Veröffentlichung bereitgestellt werden (Code de Lisbonne, Art. 15).
Öffentlichkeitsarbeiter bekennen sich zum Prinzip der klaren Trennung von Werbung und Redaktion bzw. Programmgestaltung in den Medien. Der Deutsche Rat für Public Relations … bekräftigt daher in Übereinstimmung mit dem Deutschen Presserat das Verbot der Schleichwerbung. Diese ist gegeben, wenn für Medienkonsumenten nicht ersichtlich ist, dass sie mit einer bezahlten Werbebotschaft konfrontiert sind…. Nebenabsprachen, die darauf abzielen, die Rechte und Freiheiten von Redaktion und Regie einzuschränken, sind sittenwidrig ( DRPR-Richtlinie über Product Placement und Schleichwerbung)
2. Nicht jeder Parallelität von Anzeigen und redaktionellem Bericht zum gleichen Gegenstand muss ein konkretes Geschäft zugrunde liegen. Beispiel: Automobilfirmen schalten in fast jeder Ausgabe der Zeitschrift Auto/Motor/Sport eine Anzeige und werden parallel sehr häufig redaktionell besprochen. Die AMS-Leser sehen in der Regel in solchen redaktionellen Texten keine verkappten Werbebotschaften sondern kritische Berichte.
3. Erscheinen hingegen in einem Medium normalerweise keine Anzeigen eines Inserenten, dann aber parallel zu einem diesen Inserenten betreffenden Bericht, so kann ein Koppelungsgeschäft vermutet werden.
Die Urteilsbegründung:
Gegen die Agentur Flaskamp AG wurde erstens der Vorwurf erhoben, dem Kölner Stadtanzeiger ein Koppelungsgeschäft angeboten zu haben (1) und zweitens, dass dies faktisch ein Bestandteil des Kampagnenkonzeptes war (2).
(1) Zum erstgenannten Vorwurf lagen dem Rat die Aussagen der beiden Hauptakteure, Antonius Flaskamp für die Flaskamp AG, und der Rechtsabteilung des Verlags M DuMont Schauberg vor. Sie sind in Teilen deckungsgleich und unterscheiden sich vor allem in Interpretation und Bewertung des Vorgefallenen. Das Angebot kann als belegt gelten. Für den DRPR zu bewerten war in erster Linie ein Satz aus einer Email eines Mitarbeiters der Flaskamp AG an einen Verlagsvertreter vom 20.7.2007:
„Die Berichterstattung soll in der jeweiligen Gesamtausgabe erfolgen. Anhand des beigefügten Beispieles der MAZ können Sie die möglichen Gegenfinanzierungen erkennen (Anzeigen).“ Dazu erklärte Herr Flaskamp dem DRPR am 4.10.07.: „Dass dieser missverständliche Satz ein Fehler war, haben wir eingeräumt und uns öffentlich dafür entschuldigt.“
Es sei der Fehler der Agentur allein gewesen, hatte Flaskamp schon vorher gegenüber anfragenden Medien geäußert: „Das war nicht mit unserem Auftraggeber abgestimmt.“ (SPIEGEL ONLINE, 12. 8. 2007).
Beim erstgenannten Vorwurf waren daher für den PR-Rat die Tatbestände eindeutig: Nicht beim Ministerium, sondern bei der Agentur lag das Fehlverhalten. Dass es ein einzelner tat, war dabei nicht ausschlaggebend. Der Rat beurteilt nur das Verhalten von Organisationen, nicht das von Einzelpersonen. Da er nicht über die Ermittlungsbefugnisse von Staatsanwälten verfügt, kann es nicht seine Aufgabe sein, Einzelverantwortungen in beklagten Organisationen auszumachen und autonome Verhaltensmöglichkeiten – ein eventuell eigenmächtiges Handeln – auszuloten.
(2) Zum zweiten Vorwurf – einem falschen Kampagnenkonzept – prüfte der PR-Rat die ihm vorgelegten Darstellungen der Kampagne und die bis zum Vorfall geschehenen Abläufe:
Im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) hatte die Flaskamp AG im Juni 2007 eine „Dialogtour“ als Teil einer Mittelstandsinitiative gestartet. Laut Website des BMWi begann diese Tour am 15. Juni in Nürnberg, weitere Veranstaltungen in größeren und mittleren deutschen Städten sollten folgen. Bestandteile dieser „Dialogtour“ waren Unternehmensbesuche eines BMWi-Staatssekretärs oder parlamentarischen Staatssekretärs, Diskussionsveranstaltungen bei IHKs, Telefonaktionen mit BMWi-Experten sowie Pressegespräche und eine lokale oder regionale Anzeigenkampagne.
Mediapartner dieser Aktionen sollte die für die Region geeigneteste Tageszeitung sein. Der DIHK beschrieb in einem Rundbrief vom 1. Juni 2007 an seine Mitglieder das Projekt als eine „Dialogtour & Anzeigenkampagne des BMWi“:
„Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) plant in Kooperation mit einigen IHKs eine „Dialogtour“ und eine „Nationale Anzeigenkampagne“…. Das BMWi tritt direkt mit einigen IHKs in Kontakt und bittet die IHKs um Mitarbeit.“
Dieser DIHK-Rundbrief enthält u. a. einen Absatz über „Begleitende Pressearbeit im Detail“:
• Kooperation mit der wichtigsten regionalen Tageszeitung (Vorabstimmung relevanter Themen, Redaktionsbesuch, Expertentelefon, Schaltung einer Eckfeldanzeige mit Terminankündigung, Moderation durch den Chefredakteur, begleitende Berichterstattung, auch im Internet)
• Einladung der übrigen regionalen Medien (Print, Hörfunk, TV) zur Begleitung der Firmenbesuche bzw. zur Diskussionsrunde. Vermittlung von Interviewkontakten, Ausgabe einer Pressemappe mit allen relevanten Informationen zur Mittelstandspolitik des Ministeriums, Betreuung der Journalisten am Ifostand durch PR-Berater der Agentur.
• Einbeziehung der Kammermedien
Zur ersten Station der Tour in Nürnberg gab es nach Auskunft von Herrn Flaskamp gegenüber dem DRPR keine Medienpartnerschaft. Anzeigen wurden, wie von der Agentur gegenüber dem DRPR belegt, in zwei Medien geschaltet: in den Nürnberger Nachrichten und in BILD Nürnberg. Über die redaktionelle Berichterstattung in diesen Medien lagen dem DRPR keine Informationen vor.
Bei der zweiten Station der Tour am 11. Juli 2007 in Potsdam war die Märkische Allgemeine Zeitung (MAZ) der Medienpartner. Sie berichtete in aller Ausführlichkeit. BMWi- und IHK-Anzeigen wurden im entsprechenden Zeitraum flankierend zur Tour geschaltet, wie aus einer Dokumentation der Flaskamp AG hervor geht, die dem DRPR vorgelegt wurde. Berichtet wurde wie folgt:
„Ein Maßnahmenbündel für die kleinen Unternehmen…“ (05. Juli), „Der Osten braucht auch weiterhin eine besondere Förderung. Staatssekretär Walter Otremba…“ (Interview 05.Juli), „Mittelstand im Fokus Dialogtour des Wirtschaftsministeriums“ (9. Juli), „Staatssekretär diskutiert mit Mittelständlern“ (11. Juli), „Der märkische Mittelstand ist bester Laune. Auf seiner „Dialogtour“ darf sich Staatssekretär…“ (13. Juli)
Anzeigen des BMWi erschienen in der MAZ am 7./8. Juli, 10. Juli und 11. Juli; Anzeigen der IHK Potsdam am 12. Juli. Der Geschäftsführer der Zeitung Peter Asmussen kommentierte diese Zusammenarbeit am 13.8.07. in der TAZ: Man habe die Chance nutzen wollen, das Thema exklusiv aufzugreifen. Aber: „Anzeigen waren in keiner Weise Teil des Gesamtdeals.“ Es seien zwar von der Agentur Flaskamp Anzeigen geschaltet worden, dies sei aber erst nach der Veranstaltung geschehen. Und dass der Chefredakteur Veranstaltungen moderiere, an denen die Potsdamer IHK beteiligt ist, sei nicht unüblich.
Für die Mehrheit der PR-Ratsmitglieder boten die schriftlichen Anregungen des DIHK an seine Mitglieder bezüglich der begleitenden Pressearbeit (s.o.) keinen Anlass, die intendierte Medienpartnerschaft zu inkriminieren. Wenn in diesem DIHK-Rundbrief von „Eckfeldanzeigen mit Terminankündigung“ gesprochen werde, lasse das nicht auf eine Aufforderung an die IHKs schließen, dem ausgewählten Verlag Koppelungsgeschäfte anzubieten. Auch die Aussage des Geschäftsführers der Märkischen Allgemeinen Zeitung schließe eine derartige generelle Intention der Agentur aus. (Minderheitsvotum s.o.)
11 / 2007 Abordnung von Mitarbeitern in Ministerien und Behörden
Freispruch für die Fraport AG
Der Vorfall:
Die Redaktion des Magazins MONITOR berichtete in einem Beitrag vom 18. Januar 2007, dass Mitarbeiter der Fraport AG im hessischen Wirtschafts- und Verkehrsministerium direkt mit der Genehmigung von Nachtflügen befasst sind. Es wurde ihnen unterstellt, dass sie damit absichtlich und zum Vorteil der Fraport AG dem bundesweit geltenden Nachtflugverbot entgegenwirkten. Schon in einer MONITOR-Sendung vom 19. Oktober 2006 war behauptet worden, im Bundesverkehrsministerium eingesetzte Mitarbeiter der Fraport AG hätten Einfluss auf das Gesetzgebungsverfahren zu einem bundesweiten Nachtflugverbot („Fluglärmgesetz“) genommen.
Das Urteil:
Frankfurt, 10. Dezember 2007. Der Verdacht einer unzulässigen Einflussnahme der Fraport AG zu ihren privaten Gunsten konnte weder im Falle des hessischen Verkehrsministeriums noch im Falle des Bundesverkehrsministeriums erhärtet werden. Die Fraport AG wurde von beiden Vorwürfen freigesprochen.
Die zeitweise Entsendung von Unternehmensmitarbeitern in Ministerien und Behörden ist nach Ansicht des PR-Rates grundsätzlich zu begrüßen. Sie dient dem Erfahrungsaustausch zwischen der öffentlichen Verwaltung und der Wirtschaft. Zu beachten sind dabei zwei Erfordernisse: Diese Mitarbeit muss für Presse und Öffentlichkeit transparent sein, und die entsandten Mitarbeiter dürfen nicht mit vertraulichen oder entscheidungsrelevanten Vorgängen befasst werden, die das eigene Unternehmen unmittelbar betreffen.
Die Urteilsbegründung:
1. Zur Entsendung von Fraport-Mitarbeiter ins Bundesverkehrsministerium in Berlin: Die Bundesregierung hat die Mitarbeit von Angestellten der Fraport AG im Bundesverkehrsministerium in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage bestätigt und erläutert (Drucksachen 16/3395 und 16/3727): „Die externen Beschäftigten bekommen grundsätzlich keine Aufgaben zur selbständigen und abschließenden Erledigung zugewiesen. Mit ihrem spezifischen Fachwissen unterstützen sie im Rahmen des Möglichen und Vertretbaren die laufende Referatstätigkeit insbesondere durch den Erfahrungsaustausch. Eine konkrete Zuordnung von Arbeitsergebnissen zu einzelnen Personen ist daher grundsätzlich nicht möglich.“
„Im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung arbeiten die Mitarbeiter der Fraport AG, des Flughafens Köln/Bonn GmbH und der Deutschen Flugsicherung GmbH insbesondere an aktuellen Themenstellungen mit, die im Zusammenhang mit spezifisch technischen, sicherheitsrelevanten und luftrechtlichen Fragestellungen stehen. Ein pensionierter Mitarbeiter des Deutschen Aero Clubs e. V. berät vom Juli bis November 2006 in Bezug auf notwendige Verbesserungen im Lizensierungswesen des Luftsports und arbeitet beratend an einem Rohentwurf der 3. Änderungsverordnung zur Änderung luftrechtlicher Vorschriften über Anforderungen an das Luftfahrtpersonal (Luftsportler) mit.“
„Eine inhaltliche Einflussnahme auf Entscheidungen und die Gesetzgebungsvorschläge der Bundesregierung wird durch die Einbindung der externen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die hierarchischen Strukturen der Ministerien und der dadurch vorhandenen Kontrollmechanismen ausgeschlossen. Zudem werden die betreffenden Personen auf gewissenhafte Erfüllung ihrer Obliegenheiten und auf Verschwiegenheit über alle Angelegenheiten, die ihnen bei der Tätigkeit in den obersten Bundesbehörden bekannt werden, verpflichtet. Insbesondere ist gewährleistet, dass ihnen zur selbständigen und abschließenden Erledigung keine Aufgaben übertragen werden, die die entsendenden Verbände und Unternehmen betreffen. Darüber hinaus achten die unmittelbaren Vorgesetzten darauf, dass Interessenkonflikte ausgeschlossen werden.“
Die Fraport AG hat gegenüber dem PR-Rat die Entsendung eines Mitarbeiters in das BmVBS ebenfalls bestätigt: Dieser habe dort bis zum 31.12.06. fünf Jahre jeweils einen Tag in der Woche gearbeitet, aber nicht am Fluglärmgesetz. Zudem war ein Mitarbeiter der Fraport AG im Austausch gegen eine dortige Mitarbeiterin in der Staatskanzlei tätig, wobei „eventuelle Interessenkollisionen ausgeschlossen“ wurden.
2. Zur Entsendung von Fraport-Mitarbeiter in die örtliche Luftaufsichtsstelle des Flughafens Frankfurt: Die Fraport AG erteilte dem PR-Rat mit Schreiben vom 30.7.07. umfassende Auskünfte. Sie wies darauf hin, dass am Flughafen Frankfurt/Main weitreichende Nachtflugbeschränkungen von Mitternacht bis 05:00 Uhr gelten. Selbst für Home-Base-Carrier wie Lufthansa oder Condor, für die es Ausnahmen gibt, gelte ein Nachtlandeverbot zwischen 1 und 4:00 Uhr.
In begründeten Fällen könne das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung (HMWVL) als Genehmigungsbehörde für näher bestimmte Flüge auf Antrag Ausnahmen zulassen. Doch diese müssten gut begründet sein: Zu den Ausnahmen zählen Notfälle: Landungen von Flugzeugen, die aus meteorologischen, technischen oder sicherheitstechnischen Gründen Frankfurt/Main als Ausweichflughafen anfliegen, Vermessungsflüge unter besonderen Umständen und ohne eigenes Verschulden verspätete Flüge, die aus humanitären Gründen zugelassen werden; etwa, wenn Kinder oder Kranke an Bord sind und die Maschine schon mehr als 10 Stunden unterwegs ist.
Die Anträge sind in der Regel direkt ans Landesministerium zu richten und nur in Not- und Eilfällen an die örtliche Luftaufsichtsstelle direkt am Flughafen. Diese Luftaufsichtsstelle übernimmt außerhalb der Dienstzeiten des Ministeriums die Zulassung von Nachtflügen. Sie ist rund um die Uhr von Mitarbeitern der Fraport AG besetzt. Diese Mitarbeiter nehmen damit „Aufgaben der Luftaufsicht“ wahr, sind dabei aber ausschließlich an vorliegende Weisungen des (nachts nicht besetzten) HMWVL gebunden. Bei „sehr seltenen Unregelmäßigkeiten“ würden Ordnungswidrigskeits-Verfahren durch das Ministerium angestrengt. Nach glaubhafter Auskunft der Fraport AG sah das Ministerium bislang jedoch keinen Grund zu Beanstandungen oder die Gefahr eines Missbrauchs.
Wegen des Vorwurfs, die Politik habe mit dem System der Entsendung von Fraport-Mitarbeitern Strukturen geschaffen, die die Nachtflugbeschränkungen in der Praxis ad absurdum führen, befasste sich der PR-Rat auch mit diesem Aspekt der Beschwerde. Er stellte fest, dass die aktuelle Diskussion um den Nachtflugverkehr komplex und facettenreich ist. Dabei geht es um „normale“ Nachtlandegenehmigungen, nicht um die genannten „Notfälle“. Aktuell fordert die Lufthansa allein für ihre Flotte 41 Nachtflüge bis 2020. Die Diskussion dreht sich dabei einerseits um die Definitionen von „Nacht“ (von 22 bis 6 Uhr oder von 23 bis 5 Uhr) und „Fluglärm“ und bei letzterem um ein vom früheren hessischen Verkehrsminister eingeführtes Punktesystem; andererseits spielt dabei auch der Ausbau des Flughafens mit weiteren Landebahnen eine Rolle.
Das hess. Verkehrsministerium kann eher zu den Befürwortern von Nachtflügen gerechnet werden. Die Fraport AG hingegen hat in den Planfeststellungsunterlagen ein Nachtflugverbot beantragt. Sie hofft dadurch mehr Unterstützung für ihre Ausbaupläne zu finden. Auf sie könnte der geäußerte Vorwurf daher nicht zutreffen.
Ratsrüge gegen Jan Burdinski
Der Vorfall:
Der Berliner Politikberater Jan Burdinski gab gegenüber Abgeordneten und im Internet vor, namens einer sogenannten „Koalition pro Patienteninformation“ für die Freigabe werblicher Produktinformationen für Patienten einzutreten. Bei dieser Koalition handelte es sich nach seinen Angaben im Internet (Stand 28. 9. 06.) um „ein Netzwerk aus Patientenverbänden und Einzelpersonen aus Deutschland… Unsere Verbände und Unterstützer repräsentieren 55.000 Patienten“. Ziel sei es, eine fraktionsübergreifende Arbeitsgruppe im Deutschen Bundestag und im Europäischen Parlament zu schaffen, die „politischen Druck auf die Kommission ausübt“, damit es bis ca. 2010 zu einer „Abstimmung über gesetzliche Neuregelung im Europäischen Parlament“ kommt.
Zwei der drei von Jan Burdinski angegebenen Patientenverbände stritten gegenüber dem PR-Rat ihre Teilnahme an dieser Koalition ab. Der dritte verweigerte eine Auskunft. Herr Burdinski legte seine Finanzquellen nicht offen.
Das Urteil:
Frankfurt, 10. Dezember 2007. Jan Burdinski konnte gegenüber der Öffentlichkeit weder seine Finanzquellen noch die Träger der „Koalition pro Patienteninformation“ offen legen.
Dieses Verhalten widerspricht jeder fairen Kommunikation im Lobbyismus. Der Verstoß ist als schwerwiegend und vorsätzlich zu bewerten. Der PR-Rat spricht daher gegen den Politikberater Jan Burdinski eine öffentliche Rüge aus. Er bezieht sich dabei auf die Ratsrichtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum:
Public Affairs-Berater und Lobbyisten tragen dafür Sorge, dass ihre Organisation, ihre Interessen und ihre hauptsächliche Arbeitsweise (z.B. Lobbying, Pressearbeit, Veranstaltungen etc.) in geeigneter Weise öffentlich gemacht werden (1.1).
Public Affairs-Berater und Lobbyisten haben ihren politischen Gesprächspartnern ihre Auftraggeber, sowie ihre und deren Interessen jeweils offen zu legen (1.2).
Die Urteilsbegründung:
Trotz der schriftlichen Befragung des Herrn Burdinskis blieb unklar, wer seine Koalition bildet. Der PR-Rat erachtete seine Bereitschaft zur Aufklärung des Sachverhalts als gering, da er an Behauptungen festhielt, die den Rat nicht überzeugten. So bestritten zwei von drei im Webauftritt der Koalition und in der dort veröffentlichten Pressemeldung genannten Trägerverbände glaubhaft eine Trägerschaft und jede finanzielle Beteiligung. Auch die dritte Organisation stützte Jan Burdinski nicht; statt sich zu seiner Koalition zu bekennen, verweigerte sie schlicht eine Aussage zum kompletten Vorgang.
Der von Herrn Burdinski geäußerte Einwand, die von ihm genannten Trägerverbände hätten ihre Beteiligung selbst verschleiern wollen, trifft nur auf diesen – eventuellen – Träger zu. Aktenkundig ist jedoch, dass die beiden anderen Verbände Herrn Burdinski gegenüber eine Nennung als Mitglieder der Koalition verweigerten und diese, soweit trotzdem geschehen, zu keinem Zeitpunkt autorisiert hatten.
Offen bleibt die Frage, wer die Koalition bildet und finanziert und wer Herrn Burdinski mit ihrer Vertretung beauftragt hat. Vom Beschwerdeführer wurde der Verdacht geäußert, die Vorgehensweise und die speziell ausgewählten medizinischen resp. Pharmazeutischen Segmente, die in diesem Bündnis gesammelt wurden, legten eine Finanzierung durch einen oder mehrere Pharmakonzerne nahe. Diesen Verdacht hegte auch der Bundesselbsthilfeverband für Osteoporose e.V., ohne ihn belegen zu können; vgl. sein Schreiben vom 15. August 2007 an den PR-Rat: „Gleichzeitig wurde für den Fall, dass sich der Verdacht, die Pharmaindustrie würde die Koalition unterstützen, (erhärtet,) die Distanzierung des Bundesselbsthilfeverbandes für Osteoporose e.V. angekündigt.“
Daher muss der Vorgang als verdeckte Kommunikation für unbekannte Absender und damit als schwerwiegenden Verstoß gegen die Kodizes eingestuft werden.
Herrn Burdinski wurde auch vorgeworfen, bei der Information von Bundestagsabgeordneten bewusst falsche Darstellungen verbreitet zu haben. Der von ihm benutzte Präsenter liegt dem PR-Rat vor. Darin ist eine Veränderung der Argumentation ab Oktober 2006, vermutlich aufgrund der damals einsetzenden kritischen Nachfragen durch einzelne Abgeordnete, dokumentiert. Herr Burdinski selbst spricht von einer Präzisierung seiner Aussagen. Die davon abweichende Einschätzung eines Abgeordnetenbüros kann politisch motiviert sein.
Es ist nicht Aufgabe des Rates, die politische Bewertung eines Sachverhaltes als falsch oder richtig darzustellen. Allerdings bleibt zu beanstanden, dass die veränderten Formulierungen der Präsentation keinen Eingang auf die Website der Koalition gefunden haben. Der Rat ermahnte Herrn Burdinski und die „Koalition pro Patienteninformation“ daher, in Abgeordnetengesprächen verwendete Präzisierungen der eigenen Position auch öffentlich zu verwenden. Insbesondere empfahl der Rat Herrn Burdinski und der „Koalition pro Patienteninformation“, angesichts des Umstands, dass die Arbeit der Koalition angeblich ausgelaufen ist, die Website zu deaktivieren, um weitere Irritationen zu vermeiden. Dies ist inzwischen auch geschehen.
Gegen Herrn Burdinski und das von ihm gegründete „ipas Institut für politische Analysen und Strategie“ wurde ferner der Vorwurf geäußert, die erste Studie dieses Instituts mit dem Titel „Auswirkungen des Werbeverbots für verschreibungspflichtige Arzneimittel“ sei bereits Teil seiner Arbeit für die Koalition pro Patienteninformation und durch diese finanziert. Auch wurde ihm vorgehalten, er habe in seiner Funktion als Herausgeber dieser Studie deren Ergebnisse in seinem Vorwort bewusst verfälscht, um dem Anliegen der Koalition eine – vermeintlich – wissenschaftliche Basis zu verschaffen.
Zum erstgenannten Sachverhalt lagen dem Rat keine Aussagen vor. Der Verdacht konnte nicht erhärtet werden. Im zweitgenannten Fall haben die an der Studie beteiligten Autoren die geäußerte Vermutung zurückgewiesen. Der Rat sah daher keine Veranlassung, diesen Vorwurf weiter zu verfolgen.
Ratsrüge gegen Gert Schukies
Der Vorfall:
Der Kommunikationsberater Dr. Gert Schukies hat, wie durch Gerichtsurteil festgestellt, bei einem ehemaligen Stasi-Offizier ein Dossier über den österreichischen Verleger Johann Oberauer in Auftrag gegeben und Redaktionen zur Veröffentlichung zugeleitet. Der PR-Rat hatte aus der Nichtbeachtung dieses Materials auf dessen Belanglosigkeit geschlossen und daher von einer Rüge abgesehen (Ratsspruch 2005/5).
Der Verleger Johann Oberauer hat dem PR-Rat jetzt das Dossier zugänglich gemacht und darauf hingewiesen, dass es Unterstellungen enthalte, die ihm schaden und seinem Haus den wirtschaftlichen Ruin hätte bringen können.
Eine Prüfung des Dossiers ergab, dass es neben sehr vielen Hintergrundinformationen über die Rolle österreichischer Journalisten im Kalten Krieg nur zwei Hinweise auf Überlegungen enthielt, wie der Auslandsnachrichtendienst der DDR den jungen Journalisten Oberauer für seine Zwecke dienstbar machen wollte. Von diesem selbst enthält das Dossier kein einziges Zeugnis. Gleiches gilt von der im Dossier ausgesprochenen Vermutung einer Anbindung Johann Oberauers an den KGB.
Das Urteil:
Berlin, 18. August 2007. Das Dossier des Dr. Gert Schukies arbeitete mit Unterstellungen und Vermutungen, die offensichtlich das einzige Ziel hatten, der darin genannten Person zu schaden. Das widerspricht jeder fairen Kommunikation. Der PR-Rat spricht daher gegen den Kommunikationsberater Dr. Gert Schukies eine öffentliche Rüge aus. Der Ratspruch 2005/5 wird kassiert (s. Anhang).
Grundlage des neuen Ratsspruchs sind Artikel 11 und 12 des Code d’Athenes: Jedes Mitglied (der angeschlossenen PR-Verbände) soll es unterlassen
• Informationen aus unkontrollierten oder unkontrollierbaren Quellen zu verbreiten (Art. 11) und
• sich für Aktionen oder Vorhaben herzugeben, die gegen die Moral verstoßen, die Menschenwürde verletzen oder in den Bereich der Persönlichkeit eingreifen (Art. 12).
Die Urteilsbegründung:
Das Dossier enthält nur Hinweise darauf, dass man die Mitarbeit des jungen Journalisten J.O. „angedacht“ habe. Dass dies nicht gelang, darf daraus geschlossen werden, dass das Dossier darüber nichts verlautet. Es wird jedoch unterstellt. Auch die im Dossier ausgesprochene Vermutung, durch den KGB hätte es einen „geheimdienstlichen Hintergrund von J. O.“ gegeben, ist durch keinen Fakt belegt. Die Sätze sind so schleier-haft formuliert, dass ihre Verfasser offensichtlich damit rechneten, irgendetwas davon werde schon an der Person J. O. hängen bleiben.*
Das Bielefelder Landgericht hatte am 15. Dezember 2004 Dr. Gert Schukies als Auftraggeber des Dossiers zur Zahlung eines Honorars von 12.500 E an dessen Verfasser ver-urteilt. In der Gerichtsverhandlung war auch von der Mittäterschaft des Verlegers Rommerskirchen die Rede. Dieser handelte dabei jedoch eindeutig als Verleger. Der PR-Rat erachtete sich daher wie schon in seinem ersten Verfahren 2005 für dessen Verhalten als nicht zuständig.
* O’Ton Dossier: Die HVA-Idee, sich solchen Leuten wie der Prinzessin und Johann Oberauer zu widmen, stammt aus dem Denkansatz zum „Europäischen Haus“. Als politische Formel hatte dies die Konsequenz, mehrere überregionale Pressedienste zu bilden. Diese Aktivitäten wurden innerhalb der HVA unter der Aktion „Pool“ zusammengefasst… Interessant, aber nur eine Vermutung: Da die“Pool“-Idee von den Russen (KGB) stammt, das neue Medium Internet damals noch keine Rolle spielte – ist das aktuelle Geflecht J.O. die Weiterführung dieses Ansatzes mit den Russen auf moderner Ebene? Diese Frage ist durch den geheimdienstlichen Hintergrund von J.O. durchaus zu stellen.
Anhang: Der Ratsspruch 2005/5: Dossiers erstellen und Redaktionen zuleiten
Der Vorfall: Der PR-Rat wurde gebeten zu prüfen, ob es gegen die guten Sitten und gegen die Standesregeln verstößt, mit einem Dossier einen unliebsamen Zeitgenossen schädigen zu wollen, selbst wenn der recherchierende Journalismus häufig solche Dossiers als Quellen benutzt.
Ergebnis der Ermitlungen: Gerichtsberichte in der Berliner Zeitung und in der Süddeutschen Zeitung, die beide am 16.12.04. erschienen, schrieben den Herrn Gert Schukies und Thomas Rommerskirchen die Beschaffung und Weitergabe eines Dossiers mit belastenden Stasi-Informationen über den österreichischen Verleger Oberauer zu. Die Herren Schukies und Rommerskirchen haben auf die Ratsanfragen bzw. –mitteilungen nicht reagiert. Der PR-Rat mußte seine Feststellungen daher aufgrund der vorliegenden Presseberichte treffen. Er stellte fest:
– Herr Schukies war zum Zeitpunkt der Tat – laut SZ-Bericht: am 14.10.03. – ein PR-Berater, da er zumindest nach früherer Selbstauskunft gegenüber der Presse noch Beraterfunktionen bei der Post innehatte. Der PR-Rat hat sich daher für seinen Fall als zuständig zu betrachten.
– Herr Rommerskirchen hat offensichtlich ebenso wie Herr Schukies mit dem Dossier operiert. Er handelte dabei jedoch ganz eindeutig als Verleger. Der PR-Rat erachtet sich für dessen Verhalten daher als nicht zuständig.
– Ob Herr Schukies als Privatmann gehandelt hat, wie es seine Auskunft vor Gericht nahelegt, erscheint dem Rat zweifelhaft, aber nicht überprüfbar. Dass seine Tat ein „Schlaglicht auf das Treiben einflußreicher PR-Berater“ werfe (SZ vom 16.12.04.), muß als Pressekommentar hingenommen werden.
Das Urteil: Das von Herrn Schukies bestellte Dossier über den österreichischen Verleger Oberauer enthielt vermutlich keine nachrichtenrelevanten abträglichen Inhalte. Andernfalls hätte das Wiener Magazin PROFIL sie ausgeschlachtet. Der Rat folgert daraus, dass es keine unwahren Unterstellungen enthielt, die eine Verurteilung nahelegen müssten.
Der Vorfall:
Die Magazin-Sendung MONITOR berichtete in drei aufeinander folgenden Beiträgen über den Einsatz von Arbeitskräften in diversen Bundes- und Landesministerien, die ihr Gehalt nicht von diesen Ministerien, sondern von privaten Organisationen beziehen. Es handele sich dabei um Mitarbeiter, die für einen vorübergehenden Zeitraum an die Behörden ausgeliehen wurden. Die MONITOR-Redaktion prägte dafür den Begriff „Leihbeamte“.
In den Sendungen wurden Vorwürfe der verdeckten Einflussnahme auf politische oder administrative Entscheidungen zugunsten der entsendenden Firmen oder Verbände erhoben.
Der Beschluss:
Berlin, 15. Juni 2007.Der PR-Rat erachtete mehrheitlich das vorliegende Material als nicht ausreichend, um beurteilen zu können, ob es sich bei den dargestellten Einsätzen um einen Austausch von Personal zum besseren wechselseitigen Verständnis von Arbeitsabläufen handelt, was durchaus begrüßenswert erscheint, oder ob das entsandte Personal an politischen oder administrativen Entscheidungen beteiligt wird.
Der PR-Rat hat den Vorsitzenden der neu geschaffenen „Beschwerdekammer IV für Public Affairs und Lobbying“ Heiko Kretschmer gebeten, einzelne Fälle aufzugreifen und gesondert zu untersuchen. Wird ein konkretes Fehlverhalten erkennbar und liegen nach-vollziehbare Belege dafür vor, dass der Ratsrichtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum zuwidergehandelt wurde, so wird der Rat tätig werden.
07 / 2007 Täuschung von Öffentlichkeiten durch manipulierte wissenschaftliche Erhebungen
Freispruch für GPRA
Der Vorfall:
Prof. Dr. Klaus Merten führt Beschwerde gegen die Gesellschaft Public-Relations Agenturen (GPRA) wegen Täuschung von Öffentlichkeiten durch eine zugunsten von GPRA-Mitgliedsagenturen manipulierte Untersuchung über das Ranking der in Deutschland tätigen PR-Agenturen, veröffentlicht im PR MAGAZIN 5 / 2006. Er begründet seine Beschwerde im Einzelnen (wörtliche Anführungen aus dem von ihm vorgelegten Schriftsatz):
1. Das Ranking wurde von der GPRA „unterstützt“. Offenbar habe sie damit „auch entschieden, wer das Ranking durchführen soll“. Sie nahm „massiven und offenbar auch manipulativen Einfluss auf die Auswahl des verantwortlichen Wissenschaftlers und die Bewertungsgrundlagen der Studie“.
2. In diesem „GPRA-Ranking konnten die zu beforschenden Agenturen auf das Forschungsergebnis selbst Einfluss nehmen, weil sie die Adressen ihrer Kunden für die Befragung zur Verfügung stellen sollten. Sie konnten also selektiv nur die >guten< Kunden nennen“. Prof. Merten leitet daraus den Vorwurf einer strukturellen Manipulation ab.
3. Vorausgegangen war ein Treffen beim Verlag Rommerskirchen, An den Beschwerdeführer „wurde dabei das Ansinnen gestellt, bei den künftigen Rankings (deren Sieger vom PR MAGAZIN dann ausgelobt werden sollten) doch zu versuchen dass unter den Siegern jeweils eine GPRA-Agentur vertreten sei.“ Da er „darauf nicht ansprang, wurde seitens der GPRA offenbar ein anderer, möglichst renommierter Hochschullehrer gesucht.“
4. Die GPRA beantwortete „wissenschaftliche Kritik an der GPRA-Untersuchung mit einer Klage, betreibt also massive Einschüchterung“.
Die Ratsverhandlung:
Prof. Dr. Dr. Josef Hackforth sagt aus, dass er den Auftrag zur Durchführung des Rankings vom Verlag Rommerskirchen erhalten habe. Die GPRA habe darauf keinen Einfluss gehabt. Auch die Wahl der geeignetesten Untersuchungsmethode sei von ihm getroffen worden; weder die GPRA noch das PR MAGAZIN hätten darauf Einfluss genommen. Das Ranking sei sach- und fachgerecht sowie repräsentativ durchgeführt worden. Das Ergebnis wurde von der TU München sowie durch den Auftraggeber über-prüft. Es lasse auch keine Bevorzugung von GPRA-Agenturen erkennen. Unter den ersten 10 Siegern seien nur der vierte und der siebente ein GPRA-Mitglied.
Der für die Untersuchung verantwortliche PR-MAGAZIN-Redakteur Wolf-Dieter Rühl bestätigt die Aussage von Prof. Hackforth, dass keinerlei Beeinflussung seitens der GPRA stattgefunden habe. Die Ergebnisse der TU München seien direkt an die Redaktion und nicht an die GPRA-Verantwortlichen übermittelt worden. Weder er selbst noch der Verlag haben über die kompletten Untersuchungsdaten verfügt. Und ausschließlich die Mitarbeiter der Projektgruppe haben von der TU München ein Honorar erhalten.
Von Thomas Rommerskirchen, dem Chefredakteur des Magazins wird ein Schreiben vom 9. November 2006 vorgelegt und zitiert, „dass entgegen der Aussage von Prof. Klaus Merten das von uns an Prof. Dr. Hackforth in Auftrag gegebene Agenturbarometer 2006 weder von der GPRA noch von GPRA-Agenturen finanziert oder mitfinanziert worden ist“.
Zu seinem dritten Vorwurf sagt der Beschwerdeführer aus, dass der Wunsch, unter den Siegern des Rankings solle eine GPRA-Agentur vertreten sein, vom Verleger des PR-MAGAZINs vorgetragen wurde. Die Zeugin Elke Neujahr, die als einziges GPRA-Mitglied an dem Treffen teilgenommen hatte, bestätigt diese Aussage. Sie gibt aber zu bedenken, dass man diesen Wunsch nicht als konkreten Untersuchungsauftrag auffassen musste, sondern auch als Ausdruck dafür verstehen konnte, dass es erfreulich wäre, wenn sich unter den Siegern eine GPRA-Agentur befände.
Prof. Merten beschreibt ergänzend den damaligen Kontext: Dem Verleger sei es nach Kenntnis des Beschwerdeführers darum gegangen, neben dem „PR-Manager des Jahres“ auch eine „PR-Agentur des Jahres“ auszuloben und vom Sieger (mit)-finanzieren zu lassen. Der Verleger selbst habe daher offensichtlich Interesse daran gehabt, dass der Gewinner eine der großen GPRA-Agenturen ist. Prof. Merten lässt sich nicht auf die Anschlussfrage ein, ob er seine Beschwerde dann wirklich gegen die GPRA richten könne. Die Feststellung des Ratsmitglieds Manfred Piwinger, dass Prof. Merten den falschen Adressaten beschuldige, bleibt von ihm unwidersprochen.
Für die GPRA selbst wies deren Präsident Dieter Schulze van Loon alle Vorwürfe zurück. Zu einer Klage habe sie sich gezwungen gesehen, da sie sich „wiederholt ungerechtfertigten Angriffen und Vorwürfen von Herrn Prof. Dr. Merten ausgesetzt sah“ (GPRA-Statement vom März 2007).
Vor der Urteilsberatung verlassen die Prozessbeteiligten, darunter alle GPRA-Verteter des PR-Rates, sowie Beteiligte an weiteren Verfahren und Gäste den Sitzungsraum.
Das Urteil:
Berlin, 15. Juni 2007. Der PR-Rat weist die Beschwerde von Prof. Dr. Klaus Merten gegen die Verantwortlichen der GPRA einstimmig zurück. Der PR-Rat kann keinen Täuschungsversuch seitens der GPRA bei den vom PR-MAGAZIN als Ranking vorgestellten Untersuchungsergebnissen erkennen. Nach seiner Auffassung beschuldigte Prof. Merten den falschen Adressaten einer unzulässigen Einflussnahme auf die Ergebnisse der Untersuchung.
Nach den Aussagen der beteiligten Akteure und aufgrund des umfangreichen schriftlichen Materials kommt der PR-Rat auch zu der Überzeugung, dass das Ranking weder von der GPRA beauftragt noch finanziert wurde.
Die Urteilsbegründung:
Der PR.-Rat sieht es nicht als seine Aufgabe an, in einem wissenschaftlichen Methoden-streit über eine eventuelle strukturelle Manipulation bei einer der alternativen Untersuchungsdesigns zu entscheiden. Auch hat er keine Handhabe, die angewandte Methodik wissenschaftlich zu überprüfen. Er hatte nur über den Vorwurf der öffentlichen Täuschung zu entscheiden und demzufolge auf valide Indizien für ein eventuelles Fehlverhalten zu achten.
Prof. Merten habe, so wird angemerkt, nach der Beschwerdeordnung des Rates die Möglichkeit, dem Ratsspruch mit schriftlicher Begründung und unter Vorlage neuer Dokumente zu widersprechen. Der Rat werde dann erneut beraten und abschließend entscheiden.
Freispruch für die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und comm:up
Der Vorfall:
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) organisierte, von ihrer PR-Agentur comm:up beraten und unterstützt, am Donnerstag, den 14.12.2006 vor dem Berliner Reichstagsgebäude eine Protestaktion, bei der „170 junge Menschen“, wie es in der Presseinformation der KBV vom 14.12.06. hieß, tausende von Arztkitteln hochhielten. „Den allerletzten Kittel hängte KBV-Chef Köhler an den Nagel.“ Damit sollte auf die Tatsache aufmerksam gemacht werden, dass bislang rund 12.000 Ärzte Deutschland wegen schlechter Arbeitsbedingungen verlassen haben.
Die gedruckten Presseinformationen der KBV enthielten keinen Hinweis darauf, dass es sich bei den Kittelhaltern nicht um Ärzte, sondern um Studenten handelte, die dafür mit je 30 E bezahlt wurden. BILD warf der KBV deshalb am Tag danach eine bewusste Täuschung der Öffentlichkeit vor. Bundestagsabgeordnete kritisierten die Aktion und Studenten wandten sich mit der Bitte um eine Stellungnahme zur Zulässigkeit von „Mietdemonstranten“ an den PR-Rat.
Das Urteil:
Berlin, 15. Juni 2007. Die für die Protestaktion Verantwortlichen konnten in der Ratssitzung am 14.5.07. glaubhaft machen, dass bei ihren Pressegesprächen während des Events auf den Status der Kittelhalter hingewiesen wurde und man den Journalisten so-gar nahe gelegt hatte, mit den bei einem Hostessen-Service angeheuerten Garderobisten zu sprechen. Mit Ausnahme des genannten Mediums enthielten die dem Rat vorgelegten Presseberichte folglich weitgehend korrekte Darstellungen des Sachverhalts.
Der Deutsche Rat für Public Relations sprach daher die KBV und comm:up vom Vorwurf der bewussten Täuschung von Öffentlichkeiten frei. Er erachtete die Berliner Protestaktion als eine nachvollziehbare PR-Aktion im Rahmen einer PR-Kampagne und nicht als eine „politische Kundgebung“ mit gemieteten Demonstranten.
Allerdings muss auch für PR-Aktionen gelten, dass ihre Abläufe transparent sind. Wegen ihrer zweideutigen gedruckten Presse-Einladungen und -informationen ermahnte der PR-Rat die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und ihre PR-Agentur comm:up ein-dringlich, künftig auf unmissverständlichere Wahrnehmungsmöglichkeiten für ihre Bot-schaften und Aktionen zu achten. Das Anmieten von Statisten zu Demonstrationszwecken verurteilt der PR-Rat entschieden und verweist dazu auf seinen Spruch 1999 / 2.
Rüge gegen die Bundesagentur für Arbeit (BA)
Der Vorfall:
Nach den Recherchen des NDR-Medienmagazins ZAPP, dokumentiert in der Zeitschrift MESSAGE 3/2006, S. 43-47, hat die Bundesagentur für Arbeit (BA) Fernsehbeiträge bei den öffentlich-rechtlichen Sendern ZDF, RBB und MDR inhaltlich und finanziell unter-stützt. Dabei handelte es sich um die Sendungen „Jobjournal“ (MDR), „Arbeitsmarkt aktuell“ (rbb) und „Volle Kanne Susanne“ (ZDF). Dafür wurden von der BA in den Jahren 2004 und 2005 rund 350.000 Euro aufgewandt, was der Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der BA John-Philip Hammersen in einem, nach Angaben der Zeitschrift „MESSAGE“ schriftlich autorisierten Interview bestätigte.
Die Bundesregierung hat auf eine Kleine Anfrage zur „Finanzierung von Fernsehbeiträgen durch staatliche Behörden“ (Bundestagsdrucksache 16/1553) vorgegeben, dass es sich hierbei um zulässige Produktionskostenzuschüsse gehandelt habe.
Das Urteil
Berlin, 22. Februar 2007. Der PR-Rat erachtet die Zahlungen der BA als nicht transparente, gekaufte Themenplacements, die unter das Verdikt der Schleichwerbung fallen. Hätte es sich wie seitens der Bundesregierung behauptet um Produktionskostenzu-schüsse ohne thematische Absprachen mit den Sendern gehandelt, wären sie nach Auffassung des Rats ebenfalls zu beanstanden gewesen, weil sie für den Zuschauer nicht erkennbar gemacht, sondern verdeckt vorgenommen wurden.
Schleichwerbung stellt eine unzulässige Form der Zuschauerbeeinflussung dar. Sie ist nicht nur durch die Rundfunkstaatsverträge verboten. Auch der PR-Code de Lisbonne (Art. 4) und eine Verhaltensrichtlinie des DRPR zu Schleichwerbung und Product Placement gebieten offene und leicht als solche erkennbare Werbemaßnahmen.
Der DRPR spricht daher gegen die BA wegen der nicht transparenten Platzierungen von Themen in Programmen verschiedener öffentlich-rechtlicher Fernsehsender eine öffentliche Rüge aus.
Die Urteilsbegründung
Für Produktionskostenzuschüsse haben die Regeln des Sponsoring zu gelten: Sie müssen für Zuschauer transparent sein. Insofern haben die Sender und der BA gegen die Haltung verstoßen, die die Bundesregierung selbst in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vorgab: „Bei der Durchführung dieser Öffentlichkeitsarbeit sind die vom Bundesverfassungsgericht hierzu entwickelten Grundsätze zu beachten.“ Diese Grundsätze betreffen, was in der Antwort der Bundesregierung nicht ausgeführt wurde, auch die er-kennbare Trennung von Werbung und Programm.
Die BA selbst verweist in ihrer Antwort an den PR-Rat vom 3.11.06 auf ihre gesetzliche Verpflichtung, im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Bevölkerung über deren Rechte und Möglichkeiten in allgemeinverständlicher Weise zu informieren. Ihre ausweichende Argumentation bringt auf den Punkt, was alle öffentlich-rechtlichen und alle gemeinnützi-gen Institutionen zugunsten ihrer Themenplatzierungen aussagen: Es geschähe im Interesse der Bevölkerung oder einzelner Bevölkerungsgruppen.
Hierzu ist anzumerken, dass auch die Offenlegung solcher Transaktionen im Interesse der Bevölkerung liegt. Kein gesetzlicher Auftrag zur Informierung von Bevölkerungen entbindet vom Einsatz redlicher Mittel. Eine durch nicht ersichtliche Finanzierungskonstruktionen erschlichene Botschaft ist auf unredliche Weise zustande gekommen.
Nach Ansicht des Rates kommt dem Verstoß der BA gegen das Schleichwerbeverbot sogar eine besondere Schwere zu, da zwei staatliche Institutionen ohne erkennbares Unrechtsbewusstsein gegen das Gebot der Staatsferne des Fernsehens verstoßen haben – die eine aktiv und die andere befürwortend.
Ein besonderes Augenmerk richtete der PR-Rat dazu auf die Frage nach dem Einfluss der BA auf die redaktionelle Umsetzung der erwünschten Themen. Die Antwort der BA kam nicht von der Leitung PR und Öffentlichkeitsarbeit, sondern von ihrer Stabsstelle Datenschutz/ Justitiariat: „In welcher Form, mit welchem Inhalt und zu welchem Zeit-punkt die BA ihrer Informationsverpflichtung nachkommt, obliegt ihrem Gestaltungsspielraum.“ Die dazu genutzten sogenannten „Medienkooperationen“ werden nach Auskunft der Stabsstelle „nicht im Rahmen von Public Relations, sondern als Informationsinstrument genutzt, um die Kunden der BA über relevante Themen rund um den Arbeitsmarkt zu unterrichten.“
Aber Medienkooperationen verlieren nicht dadurch ihren Charakter von PR-Aktivitäten, dass sie nicht als Aufträge einer PR-Abteilung sondern durch andere Stäbe geschehen, zumal, wenn sie „in einem redaktionell gestalteten Umfeld bestimmte Zielgruppen anzusprechen oder besondere Kommunikationsziele zu erreichen“ haben. Der PR-Rat lässt es nicht zu, PR so beliebig zu definieren, dass gewisse Informationsinstrumente einfach davon ausgeschlossen werden.
Der BA-PR-Leiter Hammersen war gegenüber der Zeitschrift „MESSAGE“ auskunftsbereiter. In dem von ihm schriftlich autorisierten Interview erklärte er: „Wir geben Themenvorschläge, doch die Umsetzung ist wirklich in der Hand der Redaktion. Theoretisch könnten wir die Beiträge hier auch abnehmen, aber ich bin der Einzige im Haus mit Fernseherfahrung. Von daher würde eine Abnahme durch unsere Marketingabteilung nicht viel Sinn machen.“
Die Abnahme einer Sendung, also das letzte Wort über die Inhalte, durch die staatliche Behörde scheiterte folglich nur an der Inkompetenz der Marketingabteilung der BA bzw. an den fehlenden Kapazitäten des PR-Chefs und nicht an der Unzulässigkeit des Vorgehens. Für den PR-Rat ergibt sich daraus die Folgerung: Der Sender darf die gewünschten Themen zwar frei umsetzen, doch das letzte Wort über die Sendung hat im Zweifelsfall die Behörde. Sieht man es kritisch aus gesellschaftspolitischer Perspektive, wurde mittels der Themenplatzierungen heimlich Staatsfernsehen betrieben.