Organisation und Transparenz der Ratsverfahren

Der PR-Rat besteht zur Zeit aus 16 Mitgliedern. Die drei Trägerverbände entsenden je vier Vertreter. Es sind ex offi­cio deren Prä­si­denten und drei zusätzlich gewählte Beisitzer. Der Rat kann für die Dauer seiner Amtszeit – die der Amtszeit der Träger­gremien entspricht, also drei Jahre beträgt – mehrere Berater mit vollem Stimmrecht koop­tieren. Er hat davon stets Gebrauch gemacht, um sich der Erfahrungen eines Hochschulprofessors, eines Rechts­anwalts und von ein oder zwei älteren PR-Experten zu versichern. Dieses so konstituierte Kollegium wählt aus seiner Mitte seinen Vorsitzenden und zwei stellvertretende Vorsitzen­de auf jeweils drei Jahre mit der Möglichkeit der Wieder­wahl.
 
Die Beschwerdeordnung
 
Der PR-Rat hat sich, wie die beiden anderen Räte, eine detaillierte Beschwerdeordnung gegeben. Diese beschreibt die einzuhaltenden Verfahren. Beschweren kann sich jede von einer kommunikativen Maß­nahme betrof­fe­ne einzelne Person und jede Organisation über Personen oder Organi­sationen, die in Deutschland oder von Deutsch­land aus in anderen Ländern tätig sind. Der Rat kann auch selbst die Initiative ergreifen und in der Öffentlichkeit disku­tiertes Fehlverhalten oder generelle Mißstände aufgreifen. Wegen des stärker gewor­de­nen Umfangs der zu behandelnden Fälle hat er bislang drei Beschwerdekammern eingerichtet: für Schleich­werbung in Print- und davon gesondert in TV-Medien und für Fälle mißbräuchlicher Ad-hoc-Finanz-Publizität.
 
Ein wesentliches Merkmal seiner Verfahren ist die Transparenz. »Der DRPR handelt grundsätzlich öffentlich, da auch zu beanstandendes PR-Verhalten gegenüber Öffentlichkeiten geschieht. Seine Urteile werden in der Regel pub­li­ziert.« So heißt es lapidar im siebten Grundsatz seiner Statuten. Bei Vorgängen, die bereits in der öffentlichen Dis­kus­sion sind, werden daher schon die Anklagen veröffentlicht und die Namen der Be­schuldigten genannt. In be­son­­­ders gravierenden Fällen werden auch die den Urteilssprüchen vorausgehenden Unter­su­chungen und Anhö­run­gen veröffentlicht (www.drpr-online.de/Spruchpraxis). Kommt es bei Urteilssprüchen zu abweichen­den Voten, so wer­den diese mit ausführlicher Be­gründung an­­ge­führt.
 
Sollte die Transparenz erweitert werden?
 
Einigen Kommunikationsexperten genügen diese Formen der Transparenz der deutschen Ratsorgane nicht. Ein im März 2004 gegründeter „Verein zur Förderung der publizistischen Selbstkontrolle e.V.“ benannte als 5. Ziel seines Zu­sammen­schlusses:
 
Mit dem am Öffentlichkeitsprinzip orientierten Selbstverständnis ist nicht vereinbar, wenn die Be­schwer­dearbeit von Selbst­kontrollorganen sich hinter verschlossenen Türen vollzieht. Beschwerden über ein Fehlverhalten von Angehörigen der Öffentlichkeitsberufe müssen im Prinzip selbst öffentlich verhandelt werden. Öffentlichkeit von Beschwerdeverfahren kann zwar zur Wiederholung eines gerüg­ten Fehlverhaltens führen. Aber im Zweifel ist der Ausschluss der Öffentlichkeit zu be­gründen, nicht deren Zulassung. (FPS 2004)
 
Der Deutsche Presserat nahm in seinem Jahresbericht 2004 (11) zu dieser Forderung ausführlich Stellung. Sein da­maliger Sprecher Kay E. Sattelmair verwies auf die deutsche Zivilgerichtsbarkeit; man arbeite ähnlich. Nach dem § 169 des Gerichts­ver­fassungsgesetz sind zwar „Verhandlungen vor dem erken­nen­den Gericht einschließlich der Ver­kündung der Urteile öffentlich“, Beratungen indessen nicht. Selbstverständlich sei für die Beschwerdeführer und Be­schwerdegegner, wenn sie es wünschen, die persönliche Anwesenheit möglich, und selbstverständlich auch der mündliche Vortrag. Aber das sei in den letzten 20 Jahren äußerst selten geschehen.
 
Soweit solche Anhörungen beim PR-Rat geschahen, wurden sie im Unterschied zur Verfahrens­wei­se der anderen Rä­te mit dem Urteilsspruch veröffent­licht (s.o.). Aber auch der PR-Rat schließt die Öffentlichkeit von internen Be­ra­tun­gen über seine Urteils­sprüche aus. Es muß möglich bleiben, bei solchen Beratungen Worte zu wählen, die un­be­teiligte Beo­bach­ter nicht auszu­schlach­ten vermögen.
 
Befangenheiten
 
Ein Beispiel ist die Erörterung eventueller Befangenheiten. Selbst­ange­zeigte Befangenheiten ein­zel­­ner Ratsmit­glie­der werden vom Ratskollegium ohne Prüfung akzeptiert. Darüber hin­aus hat jedes Mitglied, das mit Be­schuldigten in Vergangenheit oder Gegenwart einen geschäftlichen Kontakt unter­hielt, dies den Ratskollegen vor­zu­­tragen. Nicht das Mitglied selbst, sondern das Kollegium prüft und ent­scheidet dann, ob einer aus seinen Reihen als befangen zu gelten hat. Ist dies anzunehmen, bleibt es von dem anstehenden Verfahren ausge­schlossen.
 
Manche Gescholtenen neigen dazu, – meist erst nachträglich – dem Rat insgesamt eine strukturelle Voreinge­nom­men­heit zu unterstellen. Moritz Hunzinger zum Beispiel nannte die gegen ihn ausgesprochene Rüge den Ausdruck eines »pharisäerhaften institutionellen Konkurrenzneides« (Der Kontakter 38/2002: 14). Das wies der Rat scharf zu­rück. Er hatte sich vor der Diskussion des Falles eingehend mit der Frage befasst, ob Ratsmitglieder, die als Kon­kur­renten angesehen werden könnten, als befangen gelten müssten. Er verneinte es einstimmig und wies darauf hin, dass keine berufliche Selbstkontrolle funktionieren kann, wenn eine mögliche Kon­kurrenz­situation Anlass zu Be­­fan­gen­heiten gäbe. Das Wesen der freiwilligen Selbstkontrolle ist das Beurteilen von seines­gleichen. Das gilt für jede vergleichbare Institution, also auch für andere Räte oder andere autonom entscheidende Urteils­instanzen eines Be­rufsstandes.