Zuständigkeiten

Räte haben also die Einhaltung eines moralisch einwandfreien Verhaltens in einem Berufs­­stand zu sichern. Ver­bän­­de sind ihre Träger, und je nach deren Zusammensetzung ergeben sich einige Eigentümlichkeiten:
 
Der Presserat wird neben den Journalisten- von Verlegerverbänden getragen. Er darf sich daher nur um Be­schwer­den gegen Printmedien kümmern, nicht um das Fernsehen. Womit die Fern­seh­an­stalten ihre Räte be­schäftigen, hat mit moralischer Selbst­kontrolle nur entfernt zu tun. »Hauptproblem ist in Deutschland, dass die ethische Selbstkontrolle im Fernsehen und im Internet kaum existiert«, schrieb der Deutsche Presserat in seinem Jahrbuch 2001 (Deutscher Presserat 2001: 26).
 
Der Werberat wird von der Wirtschaft getragen: von zur Zeit 41 Organisationen der werbenden Wirtschaft, der Werbeagen­tu­ren, der Medien, der Werbeberufe und der Forschung, alle zusammengefasst im Zen­tral­verband der Deut­schen Werbewirtschaft (ZAW). Er darf sich daher nur um wirtschaftliche Werbung küm­mern, nicht um politi­sche.
 
Für den Deutschen Rat für Public Relations (DRPR) gelten solche thematischen Beschränkungen nicht. Er wird nur von vier Organisationen getragen: der Deutschen Gesellschaft für Public Relations (DPRG), dem Be­rufs­ver­band der PR-Leute; der Gesellschaft der Public Relations Agenturen (GPRA), einem Wirt­schafts­verband; dem Bundesverband deutscher Presse­sprecher (BdP), einer der DPRG vergleichbaren Orga­nisa­tion; und der Deutschen Gesellschaft für Politikberatung (de’ge’pol), dem führenden Politikberaterverband in Deutschland. Der PR-Rat kann sich daher mit jeder Art von Öffent­­lichkeitsarbeit in jeder und für jede Art von Organi­sation befassen: Unternehmen, Gewerk­schaften, Stiftungen, NGOs, Parteien, Kirchen, den Staat und seine Be­hörden, auch die Presse selbst – soweit sie Eigen-PR macht.
 
Zum Teil beschäftigen diese Organisationen PR-Experten, zum Teil machen ihre Bosse alles selbst. Vor den PR-Rat kä­men sie ungeachtet ihres Professionalisierungsgrades. Die allererste Rüge des PR-Rates wurde 1994 gegen den Aufsichtsrats­vorsitzen­den eines großen deutschen Industrieunternehmens ausgesprochen, da er persönlich einem SPIEGEL-Redakteur für ein Inter­view ein beträcht­liches Honorar gezahlt hatte.
 
Das war jedoch ein aus der Situa­tion gegebener Ausnahmefall. Normalerweise beurteilt der PR-Rat nur das Verhal­ten von Organisationen, nicht das von Einzelpersonen. Da er nicht über die Ermittlungs­be­fugnisse von Staatsan­wäl­ten verfügt, kann es nicht seine Auf­gabe sein, Einzelverantwortungen in den beklagten Organi­sa­tionen auszumachen und autonome Verhal­tens­mög­lichkeiten – ein eventuell eigenmächtiges Handeln – aus­zuloten. Er befasst sich auch nicht mit Streitfällen zwischen Mitgliedern der berufsständischen Organisationen, da es dafür gesonderte Schieds­stellen, z.B. den Ehren­rat der DPRG, gibt.
 
Auch Nichtmitglieder werden belangt
 
Dass Beklagte nicht Mitglieder einer der Trägerorganisationen sein müssen, um vor den Rat zi­tiert zu werden, hat bei Betrof­fe­nen bisweilen zu Protesten geführt. Reicht dann der Hinweis auf den dritten Grund­­satz seiner Statuten aus? Da­rin heißt es: „Der Rat wird sich auch mit beanstandeten PR-Vorgängen befassen, die von Nicht­mitgliedern der Trä­ger­organisationen und Nicht­fachleuten ausgelöst oder veranlasst wur­den“.
 
Grundlage die­ser Satzung ist die Werte­ordnung in unserer Gesellschaft: Wer sich gegenüber Öffentlichkeiten äußert – oder es trotz sittlichem Ge­bots unter­läßt – , unterwirft sich allgemeingültigen moralischen Regeln. Diese wurden von Selbst­kontrollorganen der mit Öffent­lichkeitsarbeit befaßten Berufsorganisationen unter Berück­sich­ti­gung geltender mora­li­scher Maßstäbe formuliert; ihre Durchsetzung wurde durch Jahr­zehnte widerspruchsfrei propagiert. Die Zu­stän­dig­keit der Räte kann daher als gesell­schaftlich ak­zep­tiert gelten. Die Legitimierung des PR-Rates ergibt sich aus seinem weiter unten erläuterten gesell­schaftlichen Auf­trag.
 
Die Ratsverfahren gegen einen Aufsichtsratsvorsitzenden oder gegen Nichtmitglieder einer der drei Trägerorgani­sa­tion führ­­­­ten dazu, dass der Rat in seinen Verlautbarungen seit geraumer Zeit nicht mehr von den moralischen Pflich­ten eines (professionel­len) „PR-Experten“ spricht, auch nicht genereller von „PR-Leuten“ jeglicher Couleur (Event­spe­zialisten, Public Affairs-Experten, Kultur­manager etc), sondern von den die PR „Prakti­zierenden“. Damit ist im Prinzip jedermann gemeint, der sich einmal oder mehr­mals in welcher Form auch immer an Öffentlichkeiten wen­det.