05 / 2007 Schleichwerbung durch eine Behörde

Rüge gegen die Bundesagentur für Arbeit (BA)
 
Der Vorfall:
 
Nach den Recherchen des NDR-Medienmagazins ZAPP, dokumentiert in der Zeitschrift MESSAGE 3/2006, S. 43-47, hat die Bundesagentur für Arbeit (BA) Fernsehbeiträge bei den öffentlich-rechtlichen Sendern ZDF, RBB und MDR inhaltlich und finanziell unter-stützt. Dabei handelte es sich um die Sendungen „Jobjournal“ (MDR), „Arbeitsmarkt aktuell“ (rbb) und „Volle Kanne Susanne“ (ZDF). Dafür wurden von der BA in den Jahren 2004 und 2005 rund 350.000 Euro aufgewandt, was der Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der BA John-Philip Hammersen in einem, nach Angaben der Zeitschrift „MESSAGE“ schriftlich autorisierten Interview bestätigte.
 
Die Bundesregierung hat auf eine Kleine Anfrage zur „Finanzierung von Fernsehbeiträgen durch staatliche Behörden“ (Bundestagsdrucksache 16/1553) vorgegeben, dass es sich hierbei um zulässige Produktionskostenzuschüsse gehandelt habe.
 
Das Urteil
 
Berlin, 22. Februar 2007. Der PR-Rat erachtet die Zahlungen der BA als nicht transparente, gekaufte Themenplacements, die unter das Verdikt der Schleichwerbung fallen. Hätte es sich wie seitens der Bundesregierung behauptet um Produktionskostenzu-schüsse ohne thematische Absprachen mit den Sendern gehandelt, wären sie nach Auffassung des Rats ebenfalls zu beanstanden gewesen, weil sie für den Zuschauer nicht erkennbar gemacht, sondern verdeckt vorgenommen wurden.
 
Schleichwerbung stellt eine unzulässige Form der Zuschauerbeeinflussung dar. Sie ist nicht nur durch die Rundfunkstaatsverträge verboten. Auch der PR-Code de Lisbonne (Art. 4) und eine Verhaltensrichtlinie des DRPR zu Schleichwerbung und Product Placement gebieten offene und leicht als solche erkennbare Werbemaßnahmen.
 
Der DRPR spricht daher gegen die BA wegen der nicht transparenten Platzierungen von Themen in Programmen verschiedener öffentlich-rechtlicher Fernsehsender eine öffentliche Rüge aus.
 
Die Urteilsbegründung
 
Für Produktionskostenzuschüsse haben die Regeln des Sponsoring zu gelten: Sie müssen für Zuschauer transparent sein. Insofern haben die Sender und der BA gegen die Haltung verstoßen, die die Bundesregierung selbst in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vorgab: „Bei der Durchführung dieser Öffentlichkeitsarbeit sind die vom Bundesverfassungsgericht hierzu entwickelten Grundsätze zu beachten.“ Diese Grundsätze betreffen, was in der Antwort der Bundesregierung nicht ausgeführt wurde, auch die er-kennbare Trennung von Werbung und Programm.
 
Die BA selbst verweist in ihrer Antwort an den PR-Rat vom 3.11.06 auf ihre gesetzliche Verpflichtung, im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Bevölkerung über deren Rechte und Möglichkeiten in allgemeinverständlicher Weise zu informieren. Ihre ausweichende Argumentation bringt auf den Punkt, was alle öffentlich-rechtlichen und alle gemeinnützi-gen Institutionen zugunsten ihrer Themenplatzierungen aussagen: Es geschähe im Interesse der Bevölkerung oder einzelner Bevölkerungsgruppen.
 
Hierzu ist anzumerken, dass auch die Offenlegung solcher Transaktionen im Interesse der Bevölkerung liegt. Kein gesetzlicher Auftrag zur Informierung von Bevölkerungen entbindet vom Einsatz redlicher Mittel. Eine durch nicht ersichtliche Finanzierungskonstruktionen erschlichene Botschaft ist auf unredliche Weise zustande gekommen.
 
Nach Ansicht des Rates kommt dem Verstoß der BA gegen das Schleichwerbeverbot sogar eine besondere Schwere zu, da zwei staatliche Institutionen ohne erkennbares Unrechtsbewusstsein gegen das Gebot der Staatsferne des Fernsehens verstoßen haben – die eine aktiv und die andere befürwortend.
 
Ein besonderes Augenmerk richtete der PR-Rat dazu auf die Frage nach dem Einfluss der BA auf die redaktionelle Umsetzung der erwünschten Themen. Die Antwort der BA kam nicht von der Leitung PR und Öffentlichkeitsarbeit, sondern von ihrer Stabsstelle Datenschutz/ Justitiariat: „In welcher Form, mit welchem Inhalt und zu welchem Zeit-punkt die BA ihrer Informationsverpflichtung nachkommt, obliegt ihrem Gestaltungsspielraum.“ Die dazu genutzten sogenannten „Medienkooperationen“ werden nach Auskunft der Stabsstelle „nicht im Rahmen von Public Relations, sondern als Informationsinstrument genutzt, um die Kunden der BA über relevante Themen rund um den Arbeitsmarkt zu unterrichten.“
 
Aber Medienkooperationen verlieren nicht dadurch ihren Charakter von PR-Aktivitäten, dass sie nicht als Aufträge einer PR-Abteilung sondern durch andere Stäbe geschehen, zumal, wenn sie „in einem redaktionell gestalteten Umfeld bestimmte Zielgruppen anzusprechen oder besondere Kommunikationsziele zu erreichen“ haben. Der PR-Rat lässt es nicht zu, PR so beliebig zu definieren, dass gewisse Informationsinstrumente einfach davon ausgeschlossen werden.
 
Der BA-PR-Leiter Hammersen war gegenüber der Zeitschrift „MESSAGE“ auskunftsbereiter. In dem von ihm schriftlich autorisierten Interview erklärte er: „Wir geben Themenvorschläge, doch die Umsetzung ist wirklich in der Hand der Redaktion. Theoretisch könnten wir die Beiträge hier auch abnehmen, aber ich bin der Einzige im Haus mit Fernseherfahrung. Von daher würde eine Abnahme durch unsere Marketingabteilung nicht viel Sinn machen.“
 
Die Abnahme einer Sendung, also das letzte Wort über die Inhalte, durch die staatliche Behörde scheiterte folglich nur an der Inkompetenz der Marketingabteilung der BA bzw. an den fehlenden Kapazitäten des PR-Chefs und nicht an der Unzulässigkeit des Vorgehens. Für den PR-Rat ergibt sich daraus die Folgerung: Der Sender darf die gewünschten Themen zwar frei umsetzen, doch das letzte Wort über die Sendung hat im Zweifelsfall die Behörde. Sieht man es kritisch aus gesellschaftspolitischer Perspektive, wurde mittels der Themenplatzierungen heimlich Staatsfernsehen betrieben.