16 / 2008 Beschwerdekammer III – Schleichwerbung mit einer Fernsehmoderatorin

Ratsrüge gegen die Weight Watchers Deutschland GmbH
 
Der Vorgang:
 
Seit 2000 unterhielt die Weight Watchers Deutschland GmbH mit Sitz in Düsseldorf PR-Verträge mit der Moderatorin Andrea Kiewel. In zahlreichen Veranstaltungen, Druckwerken der Weight Watchers und Presseveröffentlichungen wurde die Moderatorin als Beispiel für den Erfolg der Abnehm-Methode in Text und Bild dargestellt. In der Zeit von 2000 bis 2003 soll sie dafür rund 500.000 DM, für den letzten Vertrag von November 2006 bis Februar 2007 35.000 EUR von Weight Watchers bekommen haben.
 
In Fernseh-Interviews, -shows und Talkrunden nannte Frau Kiewel die Weight Watchers und sprach über ihre Erfolge mit dem Programm. Bei ihrem Auftritt als Gast in der Sendung „Johannes-B.-Kerner-Show“ am 23. Januar 2007 erregte Andrea Kiewel durch mehrfache Nennung des Namens Weight Watchers das Misstrauen des Moderators Johannes B. Kerner. Auf die Nachfrage, ob es einen bezahlten Werbevertrag zwischen ihr und Weight Watchers gebe, sagte Kiewel: „Keine Werbeverträge, natürlich nicht.“
 
Erst später wurde bekannt, dass Andrea Kiewel hier nicht bei der Wahrheit geblieben war. Daraufhin wurde ihr im Dezember 2007 vom ZDF und dem MDR gekündigt. Die Weight Watchers hatten die Zusammenarbeit mit Frau Kiewel bereits unmittelbar im Anschluss an die Kerner-Sendung gekündigt.
In ihrer Funktion als Fernseh-Moderatorin entzieht sich Frau Kiewel der Zuständigkeit des Deutschen Rat für Public Relations (DRPR). Lediglich das Verhalten von Weight Watchers als PR betreibendes Unternehmen, Initiator und Nutznießer möglicher Schleichwerbung war daher Gegenstand des Verfahrens vor dem PR-Rat.
 
Das Urteil:
 
Der DRPR erachtet den Vorwurf der Schleichwerbung als berechtigt und rügt das Unternehmen Weight Watchers Deutschland GmbH, Düsseldorf, für die entsprechenden Aktivitäten in Zusammenarbeit mit der Moderatorin Andrea Kiewel.
 
Die Urteilsbegründung:
 
In den Berichten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) vom 20.12.07 und der Süddeutschen Zeitung (SZ) vom 22./23.12.07 finden sich Auszüge aus einem Vertrag zwischen Weight Watchers und Frau Kiewel vom 21.11.06. Unter Punkt 6 des Vertrags wurde Frau Kiewel angehalten das Thema „Power Start“ und „ihre Abnahme mit dem Weight Watchers Konzept ausführlich in einem besonders gewünschten Format zu platzieren“. Genannt wurden die Sendungen „Wetten, dass…?“, „Stern TV“, „Beckmann“ und „Kerner“. Für diese besondere Leistung wurde ein Sonderhonorar in Aussicht gestellt.
 
Auf eine Anfrage des DRPR bestätigte die Leiterin Unternehmenskommunikation der Weight Watchers, Frau Claudia Bachhausen-Dewerf, die Richtigkeit der genannten Vertragspassage, betonte jedoch zugleich, dass „die Umsetzung im Falle der Johannes-B.-Kerner-Show nicht die von uns erwartete oder gar erwünschte“ gewesen sei. Infolge dieses Auftritts habe man den Vertrag noch vor seinem Auslaufen im Februar 2007 „sofort gekündigt“. „Ein Sonderhonorar wurde nicht gezahlt.“
 
Im Rahmen einer persönlichen Anhörung vor dem PR-Rat nannte Frau Bachhausen-Dewerf als Grund für die Vertragskündigung, die Missbilligung der unwahren Aussage von Frau Kiewel. Die Zusammenarbeit sei „immer offen und transparent kommuniziert“ worden. In der schriftlichen Einlassung von Frau Bachhausen-Dewerf heißt es weiter: „Warum Andrea Kiewel die Frage von Herrn Kerner nicht wahrheitsgemäß beantwortet hat, können wir nicht nachvollziehen. Wir haben das Gespräch mit der Agentur von Frau Kiewel gesucht, die uns dazu keine Auskunft geben konnte.“
 
Über Kiewels Kölner Agentur Kick-Media AG richtete der DRPR eine entsprechende Anfrage an die Moderatorin. Ihr Anwaltsbüro teilte daraufhin mit, dass Frau Kiewel „sich hier nicht erklären wird.“ So bleibt es bei Kiewels öffentlicher Entschuldigung aus Dezember 2007: „Das war ein Fehler, für den ich mich ausdrücklich bei den Zuschauern und den Kollegen vom ZDF entschuldigen möchte.“ Eine wie auch immer geartete Honorierung für den Auftritt bei Kerner durch Weight Watchers bestritt sie in Übereinstimmung mit der Aussage des Unternehmens (s.o.) in der gleichen Erklärung (vgl. Focus-online vom 20.12.2007).
 
Zu klären hatte der Rat aufgrund der gegebenen Sachlage zunächst, ob Weight Watchers die Zusammenarbeit mit Frau Kiewel bewusst auf Schleichwerbung angelegt hatte. Dafür sprach der oben zitierte Punkt 6 aus dem Vertrag vom 21.11.06, insbesondere in Aussicht gestellte Sonderhonorar als Anreiz für Frau Kiewel, eine gewünschte Platzierung zu erzielen.
 
In der mündlichen Anhörung bestritt die Leiterin Unternehmenskommunikation der Weight Watchers die absichtliche Initiierung von Schleichwerbung, räumte allerdings in Bezug auf die fragliche Vertragspassage ein, wohl etwas zu unbedarft mit der Ausgestaltung des Vertragswerks umgegangen zu sein. Heute würden man so etwas nicht mehr machen.
 
Letztlich ist dem Vertrag aber nicht eindeutig zu entnehmen, dass Frau Kiewel ihre vertragliche Beziehung zu Weight Watchers verschleiern oder gar verleugnen sollte. Es könnte auch eine transparente Platzierung gemeint sein, obwohl den Beteiligten klar gewesen sein dürfte, dass eine Platzierung für die Moderatorin Kiewel einfacher zu erreichen ist als für eine allgemein bekannte Weight Watchers Botschafterin. Letztlich konnte der Rat aber eine bewusste und systematische Anlage von Schleichwerbung nicht nachweisen.
 
Eine andere Frage ist allerdings, ob Weight Watchers die Schleichwerbung durch die Vertragspartnerin Kiewel stillschweigend gebilligt hat, um von der Werbewirkungen für das eigene Haus zu profitieren.
 
Dazu griff der Rat auf einen Fernsehauftritt von Andrea Kiewel in der Sendung „Beckmann“ aus 2003 zurück. „’Dankeschön für die Nennung bei Beckmann (hat uns sehr gefreut!)’, schrieb eine Weight Watchers PR-Frau im Juli 2003 an ihr Werbe-Zugpferd Andrea Kiewel.“ (vgl. Spiegel-online vom 21.12.07). Als Gegenleistung bot sie einen redaktionellen Beitrag im nächsten Weight-Watchers-Magazin über die Kindermodenkollektion von Frau Kiewel an.
 
In der mündlichen Anhörung vor dem PR-Rat bestätigte Frau Bachhausen-Dewerf, den Vorgang und dass sie die „PR-Frau“ war, die von Spiegel-online nicht namentlich erwähnt wurde. Auf die Frage, ob denn bei „Beckmann“ die Rolle von Frau Kiewel als bezahlte Botschafterin der Weight Watchers transparent gemacht wurde, konnte die Leiterin Unternehmenskommunikation keine Antwort geben. Sie könne sich aufgrund der langen Zeit nicht mehr genau an die Sendung erinnern. Im Nachgang zu der Ratssitzung teilte sie am 6.10.2008 per Mail mit: „Da dieser Beitrag einige Jahre zurück liegt, kann ich keine Angaben zum Inhalt machen.“
 
Der DRPR beschaffte sich einen kostenpflichtigen Mitschnitt der fraglichen Beckmann-Sendung bei der NDR Media GmbH. Danach erscheint das „Dankeschön“ an Frau Kiewel in einem eindeutigen Licht. Die für den Zuschauer der „Beckmann“-Sendung nicht transparente Platzierung der Weight Watchers wurde anders als bei der Kerner-Show als Erfolg gefeiert und eine Sondervergünstigung angeboten. Es darf vermutet werden, dass Frau Kiewel mit ihrer Falschaussage bei Kerner einen Schritt zu weit gegangen war und Weight Watchers sich zu einer sofortigen Vertragskündigung veranlasst sah. Im Falle des Auftritts bei „Beckmann“ ohne direkte Falschaussage Kiewels wurde die Schleichwerbung billigend und dankend angenommen.
 
Als Gegenargument und Beleg für die Transparenz der Vorgänge führte Frau Bachhausen-Dewerf „Werbe- und Anzeigenmaterial aus dem Jahre 2001“ sowie gemeinsame Pressekonferenzen und PR-Events mit Andrea Kiewel an. In den von Weight Watchers vorgelegten Veröffentlichungen wird Andrea Kiewel jedoch immer nur als Beispiel für die erfolgreiche Abnahme mit dem Programm und nicht explizit als bezahlte Botschafterin für das Unternehmen vorgestellt. Das gibt die Leiterin Unternehmenskommunikation in ihrer Mail vom 6.10.08 auch zu, meint jedoch, „dass Frau Kiewel für das Unternehmen Weight Watchers spricht“ sei „dennoch klar“ gewesen. Den PR-Rat konnte das nicht überzeugen. Der Fernsehzuschauer kann nicht dafür verantwortlich gemacht werden, dass er sich nicht selbst darüber informiert hat oder sich gar aus irgendwelchen anderen Aktivitäten, selbst erschlossen hat, welcher Talkgast gerade bei welchem Unternehmen unter Vertrag steht.
 
Einen Vorwurf könnte man allenfalls an die betreffenden Fernsehredaktionen richten, die vor der Einladung Kiewels hätten recherchieren oder nachfragen müssen, ob Frau Kiewel vertraglich mit den Weight Watchers verbunden war. Wusste die Redaktion Bescheid, läge entweder eine Fehlleistung des Moderators vor oder die Schleichwerbung wurde seitens der Sender bewusst in Kauf genommen. Es befremdet zumindest, dass Moderator Beckmann die WeightWatchers, nachdem der Name einmal von Frau Kiewel genannt war, selbst nochmals per Nachfrage ins Spiel bringt. Ein eventuelles Fehlverhalten der Medien fällt allerdings nicht in die Zuständigkeit des PR-Rats.
 
Für ihre Mitwirkung in diesem Verfahren aus spricht der Rat Frau Bachhausen-Dewerf als Vertreterin der Weight Watchers ausdrücklich seine Anerkennung aus. Für den DRPR war erkennbar, dass sie jederzeit bemüht war, zur Aufklärung des Falles beizutragen. Außerdem gelangte der Rat zu der Überzeugung, dass bei dem Verhalten in Zusammenarbeit mit Frau Kiewel zu keinem Zeitpunkt eine Arglist, sondern eher eine gewisse Gedankenlosigkeit erkennbar war, die allerdings nicht vor einer Rüge schützt. Positiv sieht der Rat auch die Bekundung, dass Weight Watchers derartige Kooperationen künftig nicht mehr eingehen wird.