13 / 2007 Beschwerdekammer III – Akte 13/2007 Unilever (Becel)

Ratsrüge gegen Unilever Deutschland GmbH und die Agentur WWP Weirather – Wenzel & Partner GmbH
 
Beschwerdekammer III – Akte 13/2007 Unilever (Becel)
 
Der Vorgang
 
Unter dem Titel „Deutschland Walk“ strahlte die ARD in ihrem Vorabendprogramm im September 2006 ein zweiminütiges Sportsonderformat aus. Elf redaktionelle Beiträge zum Thema Nordic Walking mit Rosi Mittermaier und Christian Neureuther wurden zwischen dem 4. und 18.09.2006 zunächst um 19:15 Uhr, später dann um 17:50 Uhr gesendet. Die Beiträge wurden jeweils zu Beginn und am Ende mit sieben Sekunden langen Werbetrailern der Marke Becel der Unilever Deutschland GmbH eingerahmt. Dafür war ein reichweitenunabhängiger Festpreis von 300.000 € brutto vereinbart, der später mit der Vorverlegung des Sendeplatzes auf 235.000 € brutto reduziert wurde. Die redaktionelle Verantwortung für das Format lag beim Bayerischen Rundfunk. Nachdem ARD-Programmdirektor Günter Struve das ursprünglich von Christian Neureuther eingebrachte Konzept „Becel macht Deutschland gesund“ bereits im Oktober 2005 abgelehnt hatte, wurde es durch die von Unilever beauftragte österreichische Eventagentur WWP Weirather – Wenzel & Partner GmbH, Dornbirn, im März 2006 über den ARD-Sportkoordinator Hagen Boßdorf erneut eingebracht und schließlich realisiert.
 
 
Das Urteil
 
Der Deutsche Rat für Public Relations erteilt der Unilever Deutschland GmbH und der Agentur WWP Weirather – Wenzel & Partner GmbH eine öffentliche Rüge wegen Schleichwerbung im ARD-Vorabendprogramm.
 

[Die Urteilsbegründung]
 
Das Konzept von WWP „sah eine Integration von ‚markenrelevanten Themen im Umfeld des Produkts Becel wie Gesundheit, Ernährung, Cholesterin und Herz-Kreislauf‘ vor“ (ARD-Presseinformation vom 11. Oktober 2006). Die ARD selbst reagierte mit der Nicht-Verlängerung des Vertrages mit Hagen Boßdorf und weiteren arbeitsrechtlichen Maßnahmen gegen die für die Redaktion verantwortlichen BR-Mitarbeiter. Unilever und WWP antworteten auf die Anfrage des DRPR einmütig mit dem formellen Hinweis darauf, dass die redaktionelle Verantwortung ausschließlich bei der ARD lag. Für WWP „bestand daher kein Anlass bei diesem Format ‚Schleichwerbung‘ zu vermuten“.
 
Als Grund für die arbeitsrechtlichen Maßnahmen gegen die Mitarbeiter der Sportredaktion des BR sowie den ARD-Sportkoordinator nennt der BR auf Anfrage des DRPR einen „Verstoß gegen das für alle in unserem Haus tätigen Personen verbindlich geltende Trennungsgebot des § 7 Abs. 3 RStV“ (Rundfunkstaatsvertrag). Aus dem Trennungsgebot resultiert die Verpflichtung, unzulässiges Themen- und Markenplacement zu unterlassen. Dass dies eben nicht geschehen ist, hat die ARD damit bestätigt.
 
Das unzulässige Themenplacement von Unilever und der beauftragten Eventagentur WWP ergibt sich auch schon aus dem Ablauf der Geschehnisse. Dazu formuliert die Rechtsabteilung des BR zurückhaltend, aber dennoch eindeutig genug: „Auf ein Gespräch zwischen der Agentur, dem ARD-Sportkoordinator, der ARD-Werbung und dem zuständigen Redakteur der BR-Sportredaktion am 12.04.2006 erstellte die Agentur ein redaktionelles Konzept. Nach der Besprechung kam es schließlich zu einem Programmsponsoring-Vertrag, in dessen Rahmen die Sporteventagentur mit Schreiben vom 09.05.2006 der BR-Sportredaktion konkrete Themen vorschlug. Zusammenfassend gab es zwischen der BR-Sportredaktion und der für Becel tätigen Sporteventagentur im Zusammenhang zu dem Programm ‚Deutschland Walk‘ mehrfach Kontakt.“
 
Was dort besprochen wurde, ist dann einem Beitrag von epd medien zu entnehmen. Der Dienst zitiert aus den internen Planungspapieren die Absprache „Redaktionelle Beiträge als Good-Will von ARD ohne Berechnung!!“ Offenkundig waren darüber hinaus noch weitere redaktionelle Leistungen der ARD geplant: „Auf den Tourenplan des ‚Deutschland Walks‘ sollte im ARD-Telext und auf der Homepage des Ersten hingewiesen werden. Außerdem war an eine Berichterstattung von einzelnen Etappen im ‚Morgenmagazin‘ und ‚Mittagsmagazin‘ gedacht. Offenbar hatte die beteiligte Sportredaktion noch weitere ‚redaktionelle Begleitung zugesagt‘, dies jedoch mit einem Vorbehalt versehen: ‚Umfang und Sendeplatz nach Verfügbarkeit!‘“ (epd medien, Nr. 88, 8.11.2006, S. 5). Außerdem wurde vereinbart, das Becel-Markenlogo auf den Trikots der Walker aufzubringen und in den redaktionellen Beiträgen zu zeigen. „Branding im Rahmen der üblichen Sponsoringtools einer Laufveranstaltung“, (ebd.) lautete die wörtliche Umschreibung dafür.
 
In der fehlenden vertraglichen Ausgestaltung der Kooperation sieht der DRPR den Versuch den eigentlichen Kern der Vereinbarung zwischen Unilever/WWP und der ARD zu verschleiern. „Die Verknüpfung von Sponsoring und begleitender Berichterstattung soll schriftlich nicht fixiert worden sein“ (epd medien, Nr. 81, 14.10.2006, S. 8). Hätte es die Verknüpfung nicht gegeben, müsste man sich sehr wundern, dass der Vertrag über das 300.000 €-Projekt lediglich durch eine Buchungsbestätigung der ARD-Werbetochter AS&S zustande gekommen sein soll (vgl. ebd.).
 
Für epd medien ist auch der Preis für die Presentingtrailer „ein zusätzlicher Hinweis darauf, dass hier verdeckt programmliche Zusatzleistungen mit entlohnt wurden.“ Ein Einzelpreis von über 13.600 € liege in den oberen Tarifgruppen für reguläre Spotwerbung von 30 Sekunden. „Die einzelnen Sponsortrailer aber hatten eine Länge von nur sieben Sekunden“ (ebd., S. 3). Die von Unilever beauftragte Mediaagentur Mindshare sieht dies anders. In einer Stellungnahme gegenüber dem DRPR heißt es zusammenfassend: „Diese Kosten sind angemessen.“ Der PR-Rat weist bei dieser Gelegenheit darauf hin, dass die besondere Höhe des Preises zwar ein Hinweis für das Vorliegen von Schleichwerbung sein kann, aber keine notwendige Bedingung dafür ist.
 
Kritisch zu erwähnen ist abschließend die Unterstützung der Ratsarbeit durch den BR. Etwas mehr als zwei Jahre hat es gedauert bis die Rechtsabteilung des BR mit Schreiben vom 2.9.2009 die Fragen des DRPR endlich beantwortet hat. Die erste Anfrage an den BR datiert vom 20.8.2007. Möglicherweise spiegelt sich in der zögerlichen Reaktion des Senders der Versuch wieder, den Vorgang nicht weiter öffentlich thematisieren zu lassen. Schließlich zeigt der Fall neben der anerkennenswerten internen Aufklärungsarbeit der ARD auch die proaktive Mitarbeit bei der Einfädelung und Realisierung eines Schleichwerbe-Deals durch programmverantwortliche Mitarbeiter.