01 / 1999 Gemietete Demonstranten

Ratsrüge gegen die PR-Agentur MC.B Medical Consult
 
Der Vorfall:
 
Die PR-Agentur MC.B Medical Consult Bonn Public Relations / Public Affairs GmbH hat für eine öffentliche Demonstration „pro Therapiefreiheit“ in den Morgenstunden des 7. Dezember 1998 studentische Hilfskräfte angeheuert und mit 15 DM pro Stunde honoriert. Diese Studenten stellten nach Auskunft der Agentur über die Hälfte der zwischen 40 und 60 Demonstranten.
 
Der Agenturchef Wolfgang G. Lange, zugleich Geschäftsführer der Aktionsgemeinschaft Pro Therapiefreiheit, hatte diese Demonstration am 4. Dezember 1998 in einer Pressekonferenz angekündigt und dabei den Vorbehalt gemacht, dass „unsere Patient Action Group am Montag nicht nur aus Patienten bestehen wird… Wir wollen Kranke angesichts der Wetterlage nicht den Gefahren von Sekundärerkrankungen aussetzen. Daher wird nicht jeder Teilnehmer ein chronisch kranker Mensch sein.“
 
Nach seiner Auskunft wußten auch die 21 Mitglieder des Bundesausschusses der Kassenärzte und Krankenkassen, denen diese Demonstration galt, dass es sich bei den Teilnehmern nicht nur um kranke Personen handelte.
 

Das Urteil:
 
Öffentliche Demonstrationen sind ein wesentlicher Ausdruck politischen Willens und daher ein Grundrecht in einer demokratischen Gesellschaftsordnung. Dieses Recht setzt jedoch voraus, dass Demonstranten für eigene Überzeugungen eintreten. Demokratische Öffentlichkeiten unterstellen auch, dass Demonstranten eigene Anliegen verfolgen. Andernfalls müssen sie sich getäuscht fühlen.
 
Zulässig erscheint, dass sich Betroffene vertreten lassen durch Angehörige oder durch Personenkreise, die sich mit den Betroffenen solidarisieren. Nehmen Demonstrationsteilnehmer dafür allerdings ein Honorar entgegen, so ist eine persönliche Anteilnahme auszuschließen. Sie handeln wie engagierte Schauspieler oder Statisten bei einem Event.
 
Die Aktion der Bonner PR-Agentur war nicht als ein PR-Event geplant, sondern als eine verbandspolitische öffentliche Demonstration. Die Adressaten der Aktion – sowohl die Presse wie die angesprochenen Mitglieder des Bundesausschusses der Kassenärzte und Krankenkassen und eventuelle Passanten – mussten gerade auf Grund des von der Aktionsgemeinschaft geäußerten Vorbehalts annehmen, dass es sich bei einer „Patient Action Group“, wenn nicht um Kranke, so doch um eine mit ihnen solidarische Personengruppe handelt. Daher hatten auch alle Berichterstatter über die Pressekonferenz der Aktionsgemeinschaft arglos die bevorstehenden „Protestaktionen“ (AP-Meldung vom 4.12.98.) gemeldet, ohne auf deren durch angeheuerte Demonstranten eingeschränkte Aussagekraft hinzuweisen.

 
Die Urteilsbegründung:
 
Dass bezahlte studentische Hilfskräfte eingesetzt wurden, stellt eine Irreführung der Öffentlichkeit dar. Der Deutsche Rat für Public Relations spricht der Agentur MC.B daher eine öffentliche Rüge aus. Grundlage dieses Spruchs ist Artikel 4 des Code de Lisbonne:
 
Public Relations-Aktivitäten müssen offen durchgeführt werden. Sie müssen leicht als solche erkennbar sein, eine klare Quellenbezeichnung tragen und dürfen Dritte nicht irreführen.

 
Abgrenzungen:
 
Von Honorierungen zu unterscheiden sind die bisweilen von Veranstaltern einer Demonstration ausgezahlten Ausfallsentgelte oder angebotene Verköstigungen und Gegenstände (Regenschirme etc.). Einiges davon könnte eine Vorteilsannahme darstellen, die zu unmotivierten und daher irreführenden Demonstrationsteilnahmen verleiten. Der PR-Rat hatte über solche Fälle nicht zu entscheiden.