Freispruch für die Fraport AG
Der Vorfall:
Die Redaktion des Magazins MONITOR berichtete in einem Beitrag vom 18. Januar 2007, dass Mitarbeiter der Fraport AG im hessischen Wirtschafts- und Verkehrsministerium direkt mit der Genehmigung von Nachtflügen befasst sind. Es wurde ihnen unterstellt, dass sie damit absichtlich und zum Vorteil der Fraport AG dem bundesweit geltenden Nachtflugverbot entgegenwirkten. Schon in einer MONITOR-Sendung vom 19. Oktober 2006 war behauptet worden, im Bundesverkehrsministerium eingesetzte Mitarbeiter der Fraport AG hätten Einfluss auf das Gesetzgebungsverfahren zu einem bundesweiten Nachtflugverbot („Fluglärmgesetz“) genommen.
Das Urteil:
Frankfurt, 10. Dezember 2007. Der Verdacht einer unzulässigen Einflussnahme der Fraport AG zu ihren privaten Gunsten konnte weder im Falle des hessischen Verkehrsministeriums noch im Falle des Bundesverkehrsministeriums erhärtet werden. Die Fraport AG wurde von beiden Vorwürfen freigesprochen.
Die zeitweise Entsendung von Unternehmensmitarbeitern in Ministerien und Behörden ist nach Ansicht des PR-Rates grundsätzlich zu begrüßen. Sie dient dem Erfahrungsaustausch zwischen der öffentlichen Verwaltung und der Wirtschaft. Zu beachten sind dabei zwei Erfordernisse: Diese Mitarbeit muss für Presse und Öffentlichkeit transparent sein, und die entsandten Mitarbeiter dürfen nicht mit vertraulichen oder entscheidungsrelevanten Vorgängen befasst werden, die das eigene Unternehmen unmittelbar betreffen.
Die Urteilsbegründung:
1. Zur Entsendung von Fraport-Mitarbeiter ins Bundesverkehrsministerium in Berlin: Die Bundesregierung hat die Mitarbeit von Angestellten der Fraport AG im Bundesverkehrsministerium in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage bestätigt und erläutert (Drucksachen 16/3395 und 16/3727): „Die externen Beschäftigten bekommen grundsätzlich keine Aufgaben zur selbständigen und abschließenden Erledigung zugewiesen. Mit ihrem spezifischen Fachwissen unterstützen sie im Rahmen des Möglichen und Vertretbaren die laufende Referatstätigkeit insbesondere durch den Erfahrungsaustausch. Eine konkrete Zuordnung von Arbeitsergebnissen zu einzelnen Personen ist daher grundsätzlich nicht möglich.“
„Im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung arbeiten die Mitarbeiter der Fraport AG, des Flughafens Köln/Bonn GmbH und der Deutschen Flugsicherung GmbH insbesondere an aktuellen Themenstellungen mit, die im Zusammenhang mit spezifisch technischen, sicherheitsrelevanten und luftrechtlichen Fragestellungen stehen. Ein pensionierter Mitarbeiter des Deutschen Aero Clubs e. V. berät vom Juli bis November 2006 in Bezug auf notwendige Verbesserungen im Lizensierungswesen des Luftsports und arbeitet beratend an einem Rohentwurf der 3. Änderungsverordnung zur Änderung luftrechtlicher Vorschriften über Anforderungen an das Luftfahrtpersonal (Luftsportler) mit.“
„Eine inhaltliche Einflussnahme auf Entscheidungen und die Gesetzgebungsvorschläge der Bundesregierung wird durch die Einbindung der externen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die hierarchischen Strukturen der Ministerien und der dadurch vorhandenen Kontrollmechanismen ausgeschlossen. Zudem werden die betreffenden Personen auf gewissenhafte Erfüllung ihrer Obliegenheiten und auf Verschwiegenheit über alle Angelegenheiten, die ihnen bei der Tätigkeit in den obersten Bundesbehörden bekannt werden, verpflichtet. Insbesondere ist gewährleistet, dass ihnen zur selbständigen und abschließenden Erledigung keine Aufgaben übertragen werden, die die entsendenden Verbände und Unternehmen betreffen. Darüber hinaus achten die unmittelbaren Vorgesetzten darauf, dass Interessenkonflikte ausgeschlossen werden.“
Die Fraport AG hat gegenüber dem PR-Rat die Entsendung eines Mitarbeiters in das BmVBS ebenfalls bestätigt: Dieser habe dort bis zum 31.12.06. fünf Jahre jeweils einen Tag in der Woche gearbeitet, aber nicht am Fluglärmgesetz. Zudem war ein Mitarbeiter der Fraport AG im Austausch gegen eine dortige Mitarbeiterin in der Staatskanzlei tätig, wobei „eventuelle Interessenkollisionen ausgeschlossen“ wurden.
2. Zur Entsendung von Fraport-Mitarbeiter in die örtliche Luftaufsichtsstelle des Flughafens Frankfurt: Die Fraport AG erteilte dem PR-Rat mit Schreiben vom 30.7.07. umfassende Auskünfte. Sie wies darauf hin, dass am Flughafen Frankfurt/Main weitreichende Nachtflugbeschränkungen von Mitternacht bis 05:00 Uhr gelten. Selbst für Home-Base-Carrier wie Lufthansa oder Condor, für die es Ausnahmen gibt, gelte ein Nachtlandeverbot zwischen 1 und 4:00 Uhr.
In begründeten Fällen könne das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung (HMWVL) als Genehmigungsbehörde für näher bestimmte Flüge auf Antrag Ausnahmen zulassen. Doch diese müssten gut begründet sein: Zu den Ausnahmen zählen Notfälle: Landungen von Flugzeugen, die aus meteorologischen, technischen oder sicherheitstechnischen Gründen Frankfurt/Main als Ausweichflughafen anfliegen, Vermessungsflüge unter besonderen Umständen und ohne eigenes Verschulden verspätete Flüge, die aus humanitären Gründen zugelassen werden; etwa, wenn Kinder oder Kranke an Bord sind und die Maschine schon mehr als 10 Stunden unterwegs ist.
Die Anträge sind in der Regel direkt ans Landesministerium zu richten und nur in Not- und Eilfällen an die örtliche Luftaufsichtsstelle direkt am Flughafen. Diese Luftaufsichtsstelle übernimmt außerhalb der Dienstzeiten des Ministeriums die Zulassung von Nachtflügen. Sie ist rund um die Uhr von Mitarbeitern der Fraport AG besetzt. Diese Mitarbeiter nehmen damit „Aufgaben der Luftaufsicht“ wahr, sind dabei aber ausschließlich an vorliegende Weisungen des (nachts nicht besetzten) HMWVL gebunden. Bei „sehr seltenen Unregelmäßigkeiten“ würden Ordnungswidrigskeits-Verfahren durch das Ministerium angestrengt. Nach glaubhafter Auskunft der Fraport AG sah das Ministerium bislang jedoch keinen Grund zu Beanstandungen oder die Gefahr eines Missbrauchs.
Wegen des Vorwurfs, die Politik habe mit dem System der Entsendung von Fraport-Mitarbeitern Strukturen geschaffen, die die Nachtflugbeschränkungen in der Praxis ad absurdum führen, befasste sich der PR-Rat auch mit diesem Aspekt der Beschwerde. Er stellte fest, dass die aktuelle Diskussion um den Nachtflugverkehr komplex und facettenreich ist. Dabei geht es um „normale“ Nachtlandegenehmigungen, nicht um die genannten „Notfälle“. Aktuell fordert die Lufthansa allein für ihre Flotte 41 Nachtflüge bis 2020. Die Diskussion dreht sich dabei einerseits um die Definitionen von „Nacht“ (von 22 bis 6 Uhr oder von 23 bis 5 Uhr) und „Fluglärm“ und bei letzterem um ein vom früheren hessischen Verkehrsminister eingeführtes Punktesystem; andererseits spielt dabei auch der Ausbau des Flughafens mit weiteren Landebahnen eine Rolle.
Das hess. Verkehrsministerium kann eher zu den Befürwortern von Nachtflügen gerechnet werden. Die Fraport AG hingegen hat in den Planfeststellungsunterlagen ein Nachtflugverbot beantragt. Sie hofft dadurch mehr Unterstützung für ihre Ausbaupläne zu finden. Auf sie könnte der geäußerte Vorwurf daher nicht zutreffen.