Ratsrügen gegen Berlinpolis e.V. und Berlinpolis GmbH
Ratsbeschluss
Der Deutsche Rat für Public Relations (DRPR) hat sich eingehend mit den vorliegenden Beschwerden im Fall der verdeckten PR der Deutschen Bahn AG beschäftigt. Aufgrund des Umfangs des Gesamtkomplexes, der aus mehreren Einzelfällen besteht, sowie der mangelnden Mitwirkung an der Aufklärung des Sachverhaltes seitens der deutschen European Public Policy Advisers GmbH (EPPA) konnten in einer ersten Sitzung am 22. Juni zunächst nur die Einzelfälle Deutsche Bahn AG und EPPA GmbH abschließend behandelt werden. Gegen beide wurde eine öffentliche Rüge ausgesprochen. Hiermit wird auch ein Ratsbeschluss in der Angelegenheit der Denkfabrik Berlinpolis e.V. und der Agentur Berlinpolis GmbH gefasst. Deren Vorsitzender bzw. Geschäftsführer Dr. Daniel Dettling hat die Fragen des DRPR ausführlich und umfassend beantwortet.
In diesem Ratsfall spricht der DRPR eine öffentliche Rüge aus:
1.) Der DRPR rügt die Denkfabrik Berlinpolis e.V. und die Agentur Berlinpolis GmbH für die Durchführung von Maßnahmen der verdeckten PR in unterschiedlichen Medien, insbesondere im Internet und im Bereich der Printmedien.
Es wird bei der Rüge ein Verstoß gegen den Code de Lisbonne, Artikel 3, Artikel 4, Artikel 13 und Artikel 15 festgestellt. Des Weiteren wurde gegen die DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum, insbesondere gegen das Transparenzgebot Punkte 1.1, 1.2, 1.3, 1.4, sowie das Redlichkeitsgebot Punkte 2.2 und 2.4 verstoßen.
Berlin, den 24. August 2009
Die Vorfälle
Die verdeckte PR der Deutschen Bahn AG ist ein in seinem Umfang und seiner Tiefe sehr ernst zu nehmender Vorgang. Zwischen Februar und Dezember 2007 wurden durch die Deutsche Bahn AG Aufträge für mindestens 1,65 Millionen Euro an die EPPA GmbH erteilt, in denen durchgängig die Nennung des Absenders der Kommunikation verschleiert wurde. Die EPPA GmbH beauftragte wiederum die Berlinpolis GmbH mit der verdeckten PR.
Die Berlinpolis GmbH erhielt als Subunternehmer der EPPA GmbH einen Globalauftrag mit dem Ziel, die Pläne zur Bahnprivatisierung medial zu stützen. Der Auftraggeber sollte bei diesen Aktivitäten nicht genannt werden.
So verbreitete die Webseite www.zukunftmobil.de , die als neutrales Informationsportal unter Federführung von Berlinpolis e.V. auftrat mit dem “Ziel, nachhaltige Mobilität“ zu schaffen, Inhalte im Sinne der Bahn. Über die Webseite wurde ein Newsletter an Journalisten und Entscheidungsträger geschickt sowie eine gestellte und als solche nicht gekennzeichnete Straßenumfrage auf YouTube eingestellt. Auch gab es einen angeschlossenen Blog zum Thema. Ein Auftraggeber oder Details über die Finanzierung des Portals wurden nicht genannt.
Die Schrift „Die Zukunft der Mobilität“ war ebenfalls Teil des Globalauftrags der EPPA GmbH und wurde durch den Think Tank Berlinpolis e.V. als Projekt von zukunftmobil.de vertrieben.
Des Weiteren gab Berlinpolis eine Umfrage zum Thema Bahnprivatisierung bei Forsa in Auftrag. Die Fragen waren einseitig bahnfreundlich formuliert und die daraus resultierenden bahnfreundlichen Ergebnisse wurden entsprechend publiziert und von den Medien auch aufgegriffen. Ob eine zweite Umfrage zum Lokführerstreik der Deutschen Bahn ebenfalls in Rechnung gestellt wurde, kann ohne Mitwirkung von Dr. Rüdiger May, der zu diesem Zeitpunkt Geschäftsführer der EPPA GmbH und geschäftsführender Gesellschafter der Berlinpolis GmbH war, nicht geklärt werden. Dr. Rüdiger May war in rechtlichen und finanziellen Dingen der Hauptkontakt zur Deutschen Bahn AG. Dr. Daniel Dettling war hingegen hauptsächlich in die Umsetzung der verdeckten PR involviert und gibt an, keine umfassenden Einblicke in finanzielle Angelegenheiten zwischen Berlinpolis, EPPA GmbH und Deutsche Bahn AG gehabt zu haben.
Meinungsartikel von Dr. Daniel Dettling zum Thema Bahnprivatisierung erschienen in Medien wie dem Tagesspiegel und auf Capital.de als Teil der Arbeit des Think Tanks Berlinpolis e.V. und wurden nicht von der EPPA GmbH beauftragt. Inwiefern diese Artikel aber von der EPPA GmbH der Deutschen Bahn in Rechnung gestellt wurden, bleibt unklar.
Begründung des Rates
Zu 1.) Es wurden nachweislich verdeckte PR-Maßnahmen für die Deutsche Bahn AG durch die EPPA GmbH an die Berlinpolis GmbH beauftragt und durch Berlinpolis GmbH und e.V. auch durchgeführt. Dazu gehörten die vielfältigen Aktivitäten im und durch das Portal zukunftmobil.de, der angeschlossene Blog, die Schrift „Die Zukunft der Mobilität“ sowie die Forsa-Umfrage zur Bahnprivatisierung.
Der DRPR nimmt zur Kenntnis, dass das Geschäftsmodell der verdeckten PR bei Berlinpolis nicht weiter verfolgt werde.
Die damalige Einschätzung des Geschäftsführers Dr. Daniel Dettling, dass Think Tanks nicht den Richtlinien des DRPR unterliegen, teilt der DRPR nicht. Als Denkfabrik und Agentur, die beide Öffentlichkeit beanspruchen, gelten für Berlinpolis die Kodizes der Branche. Laut Dr. Daniel Dettling könne sich ein Think Tank wie Berlinpolis e.V. in Deutschland nicht mittels Förderern und Zuschüssen aus eigener Kraft finanzieren. Dies ist bedauerlich, jedoch kein Grund, elementare Grundsätze wie Offenheit und Transparenz in der Kommunikation zu vernachlässigen.
Auch ist die fehlende Unterscheidbarkeit zwischen Berlinpolis e.V. und GmbH offenkundig problematisch. Beispielsweise war die Webseite www.zukunftmobil.de wie auch die Schrift „Die Zukunft der Mobilität“ ein Teil des Globalauftrags der EPPA GmbH an die Agentur Berlinpolis GmbH, wurde aber in der Öffentlichkeit durch den Verein und Think Tank Berlinpolis e.V. betrieben bzw. herausgegeben. Auch ist nicht klar, wie und ob Publikationen vom Vorsitzenden des e.V. Dr. Daniel Dettling, die als ideelle Positionierung des Think Tanks gedacht waren, Teil der verdeckten PR waren. Eine rechtliche Trennung zwischen Verein und Agentur besteht zwar, doch kann es in der Öffentlichkeit durch personelle Überschneidungen in der Führung, der Benutzung der gemeinsamen Webseite www.berlinpolis.de, einer gemeinsamen Postadresse sowie der thematischen Ähnlichkeit der Arbeit zu keiner klaren Unterscheidung kommen. Bei dem Geschäftsmodell von Berlinpolis führt die GmbH Auftragsarbeit auf Gebieten aus, auf denen Berlinpolis e.V. als reformorientierter progressiver Think Tank schon als Experte gilt. Ziel ist es, eine öffentliche Kommunikation für das Thema des Kunden zu schaffen. Solange e.V. und GmbH schwer zu unterscheiden sind, erscheint das Geschäftsmodell von Berlinpolis darauf angelegt, eine Verwechslung hervorzurufen. Der DRPR rät daher dringend, die Namensgleichheit abzuschaffen. Ferner müssen sich die Mitarbeiter von Berlinpolis bislang keinem Code of Conduct oder einem vorhandenen Verhaltenskodex der PR-Branche schriftlich verpflichten. Auch dies empfiehlt der DRPR dringend zu ändern.
Die erwähnten Codices und Artikel im Wortlaut
Code de Lisbonne
Code de Lisbonne, Artikel 3: In der Ausübung ihres Berufes beweisen die Public Relations-Fachleute Aufrichtigkeit, moralische Integrität und Loyalität. Insbesondere dürfen sie keine Äußerungen und Informationen verwenden, die nach ihrem Wissen oder Erachten falsch oder irreführend sind. Im gleichen Sinn müssen sie vermeiden, dass sie – wenn auch unbeabsichtigt – Praktiken oder Mittel gebrauchen, die mit diesem Kodex unvereinbar sind.
Code de Lisbonne, Artikel 4: Public Relations-Aktivitäten müssen offen durchgeführt werden. Sie müssen leicht als solche erkennbar sein, eine klare Quellenbezeichnung tragen und dürfen Dritte nicht irreführen.
Code de Lisbonne, Artikel 13: Falls die Ausführung eines Public Relations-Mandates nach aller Voraussicht ein gravierendes Fehlverhalten und eine den Grundsätzen dieses Kodex widersprechende Vorgehensweise bedingen würde, müssen Public Relations-Fachleuten ihren Auftrag- oder Arbeitgeber unverzüglich unterrichten und ihn mit allen gebührenden Mitteln zu einer Respektierung der Grundsätze im Kodex veranlassen. Selbst wenn der Auftrag- oder Arbeitgeber weiter an seinem Vorsatz festhält, sind Public Relations-Fachleute ohne Rücksicht auf persönliche Konsequenzen verpflichtet, gemäß dem Kodex zu handeln.
Code de Lisbonne, Artikel 15: Jeder Versuch, die Öffentlichkeit oder ihre Repräsentanten zu täuschen, ist nicht zulässig.
DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum
DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum, 1. Transparenzgebot. 1.1 Das politische Kontakt- und Kommunikationsmanagement der im politischen Raum tätigen Unternehmen, Verbände, Stiftungen und sonstigen Organisationen zielt auf einen Personenkreis von Politikern und Beamten ab, der gegenüber Öffentlichkeiten rechenschaftspflichtig ist. Auch Public Affairs-Berater und Lobbyisten tragen daher dafür Sorge, dass ihre Organisation, ihre Interessen und ihre hauptsächliche Arbeitsweise (z.B. Lobbying, Pressearbeit, Veranstaltungen etc.) in geeigneter Weise öffentlich gemacht werden.
DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum, 1. Transparenzgebot. 1.2 Public Affairs-Berater und Lobbyisten haben ihren politischen Gesprächspartnern ihre Auftraggeber sowie ihre und deren Interessen jeweils offen zu legen.
DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum, 1. Transparenzgebot. 1.3 Nehmen Public Affairs-Berater und Lobbyisten an öffentlichen Diskussionen teil, die die Ziele der auftraggebenden Organisation berühren, so gilt die Pflicht zur Offenlegung des Auftraggebers und seiner Interessen auch gegenüber dem Diskussionspublikum. Dabei ist es unerheblich, unter welcher unverfänglichen Bezeichnung Public Affairs-Berater und Lobbyisten auftreten. Sie dürfen nicht durch eine vorgeblich neutrale Position ihre tatsächliche Funktion verschleiern.
DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum, 1. Transparenzgebot. 1.4 Politische Kampagnen sind ein Instrument der Einflussnahme auf die öffentliche Meinungsbildung. Sie müssen daher offen geführt werden und die Grundsätze redlicher PR-Arbeit beachten. Auftraggeber müssen bei Presse-Anfragen genannt werden.
DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum, 2. Redlichkeit. 2.2 Public Affairs-Berater und Lobbyisten werden ihren Auftraggebern von illegalen, unseriösen oder unsittlichen Vorhaben abraten. Sie werden entsprechende Aufträge zurückweisen.
DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum, 2. Redlichkeit. 2.4 Public Affairs-Berater und Lobbyisten haben die ihnen anvertrauten Kenntnisse gegenüber Dritten vertraulich zu behandeln. Mitteilungen an die Öffentlichkeit sind mit Auftrag- oder Arbeitgebern abzustimmen. Es wird jedoch erwartet, dass Public Affairs-Berater und Lobbyisten dabei auch die Interessen der politischen Öffentlichkeit beachten. Die arglistige Täuschung von Öffentlichkeiten ist nicht statthaft.