Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie e.V. (VDB), EPPA GmbH, Berlinpolis e.V. und Berlinpolis GmbH
Der Deutsche Rat für Public Relations (DRPR) hat sich eingehend mit dem Fall der verdeckten PR für den Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) beschäftigt. Bewertungsgrundlage waren die unten geschilderte Sachlage und die Beschreibung der Vorfälle durch Beteiligte sowie die Tatsache, dass einige Befragte nicht oder nur teilweise an der Aufklärung des Fall mitgewirkt haben.
Der DRPR spricht eine öffentliche Rüge aus:
Der DRPR rügt den VDB, die EPPA GmbH, sowie Berlinpolis e.V. und Berlinpolis GmbH aufgrund verdeckter PR-Maßnahmen in unterschiedlichen Medien. Dabei hebt der Rat die maßgebliche Rolle der damaligen Gesellschafter der Berlinpolis GmbH, Josef Grendel und Rüdiger May, hervor.
Es werden Verstöße gegen den Code de Lisbonne, Artikel 3, Artikel 4, Artikel 13 und Artikel 15 festgestellt. Des Weiteren wurde gegen die DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum, insbesondere das Transparenzgebot (Punkte 1.1 bis 1.4), sowie das Redlichkeitsgebot (Punkte 2.2 und 2.4) verstoßen.
Positiv anzumerken ist, dass der VDB aufgrund der Praktiken der verdeckten PR, die bei Vertragsabschluss im Detail nicht bekannt waren, den Vertrag mit der EPPA GmbH vorzeitig gekündigt hat, sich ausdrücklich von verdeckten PR-Maßnahmen distanziert, sich dem Code de Lisbonne und DRPR-Richtlinien verpflichtet fühlt und mit Einschränkungen an der Aufklärung des Falls mitgewirkt hat. Auch Berlinpolis e.V. und GmbH erkennen mittlerweile den Code de Lisbonne und die DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum an.
Das professionell organisierte Geschäftsmodell für verdeckte Kommunikation wurde von der EPPA GmbH mit dem Hinweis auf verschiedene Partner offensiv und proaktiv verschiedenen Akteuren angeboten und zumindest für den VDB und die Deutsche Bahn AG auch durchgeführt. Diese Angebote und die Durchführung von Kommunikationsmaßnahmen unter Missachtung ethischer Standards ist besonders kritikwürdig.
Der DRPR verurteilt unlautere Methoden der verdeckten PR aufs Schärfste und weist auf die Gefahren und den nicht nachzuvollziehenden „Nutzen“ solcher Aufträge für den potentiellen Auftraggeber hin, sowie auf die Schwierigkeit, verdeckte PR-Leistungen nachzuvollziehen und abzurechnen. Die Öffentlichkeit ist aufgerufen, dem DRPR ähnliche Vorfälle und Angebote zu melden.
Berlin, den 20. November 2009
Die Vorfälle
Ende 2007 traten Rüdiger May und Josef Grendel an den VDB mit dem Angebot heran, eine Analyse der medialen Berichterstattung zum Thema „Biokraftstoffe“ durchzuführen. Zusätzlich enthielt der auf ein Jahr angelegte Vertrag auch Maßnahmen wie Öffentlichkeitsarbeit, um ein positives Bild des Themas „Biokraftstoffe“ in der Öffentlichkeit zu verbreiten. Ausführende Agentur war die Berlinpolis GmbH als Subunternehmen der EPPA GmbH. Herr May und Herr Grendel waren zu diesem Zeitpunkt beide Gesellschafter der Berlinpolis GmbH – es war die Rede vom „Team Berlinpolis“. Herr May ist Geschäftsführer der EPPA GmbH. Ob und welche Rolle Herr Grendel bei der EPPA GmbH spielte, ist unklar.
Berlinpolis räumte nach Recherchen der Initiative LobbyControl und des DRPR gegenüber dem DRPR ein, folgende Maßnahmen für den VDB – mit dem Inhalt pro Biokraftstoffe/alternative Energien – durchgeführt zu haben. Der Auftraggeber wurde durchgängig nicht bekannt gemacht.
Leserbriefe von Berlinpolis-Mitarbeitern in verschiedenen deutschen Print- und Online-Medien, überwiegend nicht mit Nennung des Arbeitgebers, nie mit Nennung des Auftraggebers
Fachartikel/Gastbeiträge/Kommentare von Berlinpolis-Mitarbeitern in verschiedenen deutschen Medien und Internetportalen, teils mit Nennung des Arbeitgebers, nie mit Nennung des Auftraggebers
Artikel auf dem Berlinpolis-Portal zukunftmobil.de, das sowohl für den VDB als auch für die Deutsche Bahn AG genutzt wurde
Forsa-Umfrage zum Thema („Was denken die Deutschen über die Konkurrenz zwischen Nahrungsmittelversorgung und Biokraftstoffen“)
Diskussionsveranstaltung „Tank oder Teller“
Von 2007 bis 2009 betreute die Berlinpolis GmbH ein Portal des NRW-Ministeriums für Wirtschaft, Mittelstand und Energie mit dem Namen NRW.Kreative Ökonomie. Der Gastbeitrag „Rekordpreise bei Öl und Gas“ auf NRW.Kreative Ökonomie vom damaligen Berlinpolis-Mitarbeiter Markus Becker ist in den ersten zwei Absätzen wortgleich mit der Pressemitteilung, die Berlinpolis e.V. als Ankündigung für die von der Berlinpolis GmbH für den VDB ausgerichteten Podiumsdiskussion „Tank oder Teller“ publiziert hat. Auf der NRW-Webseite war nicht ersichtlich, dass Herr Becker für Berlinpolis oder den VDB tätig ist. Berlinpolis-Geschäftsführer Daniel Dettling bestreitet, dass es einen sachlichen oder rechtlichen Zusammenhang der NRW-Webseite mit den Aktivitäten für den VDB gebe und verweist darauf, dass die Artikel auf NRW.Kreative Ökonomie sich nicht für Biosprit aussprächen, sondern sich mit dem Thema kritisch auseinander setzen würden. Der DRPR bewertet die Sachlage aufgrund der vorliegenden Dokumente und Publikationen allerdings gegenteilig: Argumente, die als Teil des VDB-Auftrags verbreitet wurden, finden sich ohne Nennung des Absenders wortgleich auch auf der Internetseite des NRW-Ministeriums. Somit finden Texte für einen Kunden Eingang in die Texte eines anderen, was der DRPR als intransparentes Lobbying wertet.
Bei der Umsetzung der Maßnahmen wurde durchgängig die Nennung des Auftraggebers der Kommunikation, der VDB bzw. die EPPA GmbH, sowie teilweise der Arbeitgeber, verschleiert – auch wenn es laut Herrn Dettling keine explizite Anweisung dazu an die Mitarbeiter von Berlinpolis gab. Mit den Politikern, die auf der Veranstaltung „Tank oder Teller“ sprachen, gab es nach Aussage von Herrn Dettling keine finanziellen Abkommen. Auch wussten sie nicht, dass die Veranstaltung Teil eines Auftrags für EPPA GmbH/VDB war. Erneut fällt eine Überschneidung der Aktivitäten der kommerziell ausgerichteten Berlinpolis GmbH und des gemeinnützigen Vereins Berlinpolis e.V. auf. Auf diese Problematik hat der DRPR bereits in der Rüge gegen Berlinpolis e.V. und GmbH vom 24. August 2009 hingewiesen.
Begründung
Von Februar bis August 2008 wurden umfangreiche verdeckte PR-Maßnahmen für den VDB durch die Berlinpolis GmbH als Subunternehmer der EPPA GmbH durchgeführt. Auch der gemeinnützige Verein und Think Tank Berlinpolis e.V. war an den Maßnahmen beteiligt. Das Bekenntnis des VDB zum Code de Lisbonne und den DRPR-Richtlinien, die vorzeitige Beendigung des Vertragsverhältnisses mit der EPPA GmbH, die Abkehr von Maßnahmen der verdeckten PR sowie die Unterstützung bei der Aufklärung des Falls wird vom DRPR positiv zur Kenntnis genommen.
Berlinpolis in Person von Daniel Dettling hat teilweise bei der Aufklärung des Falls mitgeholfen, auch wenn nicht alle Erklärungen plausibel klingen. Herr Dettling gibt zudem an, über Vertragsdetails und finanzielle Vereinbarungen zum fraglichen Zeitpunkt nicht informiert gewesen zu sein. Bereits zum Fall Bahn erklärte Dettling, dass den Berlinpolis-Mitarbeitern klar sei, dass keine verdeckten PR-Maßnahmen mehr durchgeführt werden würden. Mittlerweile stellen der Code de Lisbonne und die DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum einen verpflichtenden Bestandteil der Arbeitsverträge aller Berlinpolis-Mitarbeiter dar um Fälle dieser und vergleichbarer Art zu verhindern, wie Herr Dettling gegenüber dem DRPR erklärte.
Die Tatsache, dass von Seiten der EPPA GmbH auch nach schriftlichen und telefonischen Nachfragen keine Hilfe bei der Aufklärung des Falls geleistet wurde, muss als kritikwürdig angesehen werden. Es konnte außerdem nicht festgestellt werden, ob die EPPA GmbH inzwischen von dem offensiv verfolgten Geschäftsmodell der verdeckten PR Abstand genommen hat.
Dem DRPR liegen Unterlagen vor, die belegen, dass die EPPA GmbH ein professionell ausgearbeitetes Geschäftsmodell der verdeckten PR („no badge“-Kommunikation) auch anderen Unternehmen und Verbänden angeboten und im Fall Deutsche Bahn im großen Stile auch umgesetzt hat (siehe Ratsbeschlüsse des DRPR im Fall Deutsche Bahn AG). Als mögliche Partner für verdeckte Kommunikation bzw. Kanäle der Botschaften wurden dabei Think Tanks, Experten und Umfrageinstitute genannt. Auch Josef Grendel wird darin benannt. Die forsa Gesellschaft für Sozialforschung und Analysen mbH wird in diesen Akquirierungsschreiben als Partner erwähnt, lässt gegenüber dem DRPR allerdings erklären, dass keine formelle oder informelle Partnerschaft mit EPPA oder Berlinpolis bestehe.
Dieses komplexe Geschäftsmodell der verdeckten Kommunikation führt zu dieser scharfen Rüge des Initiators EPPA GmbH. Auch nach der personellen Trennung von Berlinpolis Ende 2008 wurde dieses Geschäftsmodell weiterhin angeboten. Der DRPR weist erneut darauf hin, dass nicht nur Agenturen und Berater, sondern auch Think Tanks, Experten und Umfrageinstitute den einhelligen Kodizes der PR-Branche unterliegen, sobald sie öffentlich kommunizieren.
Die erwähnten Codices und Artikel im Wortlaut
Code de Lisbonne
Code de Lisbonne, Artikel 3: In der Ausübung ihres Berufes beweisen die Public Relations-Fachleute Aufrichtigkeit, moralische Integrität und Loyalität. Insbesondere dürfen sie keine Äußerungen und Informationen verwenden, die nach ihrem Wissen oder Erachten falsch oder irreführend sind. Im gleichen Sinn müssen sie vermeiden, dass sie – wenn auch unbeabsichtigt – Praktiken oder Mittel gebrauchen, die mit diesem Kodex unvereinbar sind.
Code de Lisbonne, Artikel 4: Public Relations-Aktivitäten müssen offen durchgeführt werden. Sie müssen leicht als solche erkennbar sein, eine klare Quellenbezeichnung tragen und dürfen Dritte nicht irreführen.
Code de Lisbonne, Artikel 13: Falls die Ausführung eines Public Relations-Mandates nach aller Voraussicht ein gravierendes Fehlverhalten und eine den Grundsätzen dieses Kodex widersprechende Vorgehensweise bedingen würde, müssen Public Relations-Fachleuten ihren Auftrag- oder Arbeitgeber unverzüglich unterrichten und ihn mit allen gebührenden Mitteln zu einer Respektierung der Grundsätze im Kodex veranlassen. Selbst wenn der Auftrag- oder Arbeitgeber weiter an seinem Vorsatz festhält, sind Public Relations-Fachleute ohne Rücksicht auf persönliche Konsequenzen verpflichtet, gemäß dem Kodex zu handeln.
Code de Lisbonne, Artikel 15: Jeder Versuch, die Öffentlichkeit oder ihre Repräsentanten zu täuschen, ist nicht zulässig.
DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum
DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum, 1. Transparenzgebot. 1.1 Das politische Kontakt- und Kommunikationsmanagement der im politischen Raum tätigen Unternehmen, Verbände, Stiftungen und sonstigen Organisationen zielt auf einen Personenkreis von Politikern und Beamten ab, der gegenüber Öffentlichkeiten rechenschaftspflichtig ist. Auch Public Affairs-Berater und Lobbyisten tragen daher dafür Sorge, dass ihre Organisation, ihre Interessen und ihre hauptsächliche Arbeitsweise (z.B. Lobbying, Pressearbeit, Veranstaltungen etc.) in geeigneter Weise öffentlich gemacht werden.
DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum, 1. Transparenzgebot. 1.2 Public Affairs-Berater und Lobbyisten haben ihren politischen Gesprächspartnern ihre Auftraggeber sowie ihre und deren Interessen jeweils offen zu legen.
DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum, 1. Transparenzgebot. 1.3 Nehmen Public Affairs-Berater und Lobbyisten an öffentlichen Diskussionen teil, die die Ziele der auftraggebenden Organisation berühren, so gilt die Pflicht zur Offenlegung des Auftraggebers und seiner Interessen auch gegenüber dem Diskussionspublikum. Dabei ist es unerheblich, unter welcher unverfänglichen Bezeichnung Public Affairs-Berater und Lobbyisten auftreten. Sie dürfen nicht durch eine vorgeblich neutrale Position ihre tatsächliche Funktion verschleiern.
DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum, 1. Transparenzgebot. 1.4 Politische Kampagnen sind ein Instrument der Einflussnahme auf die öffentliche Meinungsbildung. Sie müssen daher offen geführt werden und die Grundsätze redlicher PR-Arbeit beachten. Auftraggeber müssen bei Presse-Anfragen genannt werden.
DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum, 2. Redlichkeit. 2.2 Public Affairs-Berater und Lobbyisten werden ihren Auftraggebern von illegalen, unseriösen oder unsittlichen Vorhaben abraten. Sie werden entsprechende Aufträge zurückweisen.
DRPR-Richtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum, 2. Redlichkeit. 2.4 Public Affairs-Berater und Lobbyisten haben die ihnen anvertrauten Kenntnisse gegenüber Dritten vertraulich zu behandeln. Mitteilungen an die Öffentlichkeit sind mit Auftrag- oder Arbeitgebern abzustimmen. Es wird jedoch erwartet, dass Public Affairs-Berater und Lobbyisten dabei auch die Interessen der politischen Öffentlichkeit beachten. Die arglistige Täuschung von Öffentlichkeiten ist nicht statthaft.