1. Überblick
Der Deutsche Rat für Public Relations hat im Berichtsjahr 2006 an öffentlicher Aufmerksamkeit gewonnen. Die Zahl der mit einem Spruch abgeschlossenen Fälle stieg gegenüber den Vorjahren beträchtlich an. Dabei haben sich die von außen an den Rat herangetragenen Beschwerden nur geringfügig auf rund 50 erhöht. Aber der Rat griff selbst viele Vorfälle auf, die ihm durch Medienberichterstattungen oder durch die Veröffentlichungen der ARD und einzelner Landesmedienanstalten bekannt wurden.
Das Thema Schleichwerbung stand auch im Berichtsjahr 2006 auf der Ratsagenda obenan. In seinen zwei Sitzungen sprach der PR-Rat gegen 9 Verbände, Stiftungen oder Firmen und 4 beteiligte Agenturen, darunter einem mehrfach aktiven Vermittler, 17 öffentliche Rügen wegen Schleichwerbung in TV oder Printmedien aus. Die Aufarbeitung der sich aus den Veröffentlichungen der ARD-Clearingstelle ergebenden Fälle wird fortgesetzt.
In einem der Fälle wurde der Redaktion einer Fernsehanstalt sendefähiges Material zur Verfügung gestellt, ohne dass für die Wiedergabe Platzierungskosten gezahlt wurden. Der Rat anerkannte dies als ein korrektes Placement.
Ein Freispruch erging auch für einen der arglistigen Täuschung beschuldigten Verband, der zu einer Aufsehen erregenden Massenbriefaktion aufgerufen hatte. Der Rat hält den Einsatz vorformulierter Briefe als Formulierungshilfen im Rahmen von Kampagnen für legitim. Auch ließe eine Fehlerquote von drei oder vier Briefen mit gefälschten Unterschriften bei rund 100.000 Aussendungen nicht die Annahme eines Versuchs der systematischen Täuschung zu.
2. Die Bedeutung der Themenplacements
Die der Schleichwerbung beschuldigten Verbände und Stiftungen machten zum Teil geltend, dass ihre Themenplacements nicht mit anfechtbaren Produkt-Placements einzelner Firmen gleichgesetzt werden dürften. Ihre Beiträge dienten vielmehr der generellen Unterrichtung der Zuschauer über aktuelle gesellschafts-, gesundheits- oder arbeitsrechtliche Probleme. Mit ihren Zahlungen sollte ein besseres Verständnis ermöglicht werden.
Diese Argumentation übersieht, dass vom Begriff der Schleichwerbung auch die heimlich gekaufte Platzierung ideeller Botschaften, das sogenannte Themenplacement, erfasst wird. Dessen Ziel mag im Einzelfall edel sein: einen besseren Wissensstand und zugleich ein positives Meinungsbild zu einem für Interessenten relevanten Thema zu erzeugen. Dies durch Überzeugungsarbeit gegenüber Redaktionen oder Programmgestaltern zu erreichen, kann als genuine Aufgabe von PR angesehen werden. Aber der Kauf von Meinungen wird eindeutig vom Begriff der Schleichwerbung erfasst und ist gegen die Berufsehre der PR.
Viele Beteiligte blieben uneinsichtig. Im Prüfungsbericht der Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz über den TV-Sender SAT 1 vom 21.12.2005 heißt es: „Durchgängig fehlte das Unrechtsbewusstsein für Schleichwerbung; organisatorische Vorkehrungen dagegen waren nicht nur nicht getroffen, sondern wurden offensichtlich nicht gewünscht.“
Nur eine Organisation sah ihr Fehlverhalten ein und akzeptierte, wie sie in einer Presseerklärung schrieb, „die Rüge wegen >bezahlter Themenplatzierung<, die der Deutsche Rat für Public Relations gegenüber unserem Engagement bei der ARD-Serie >Marienhof< ausgesprochen hat. Wir bedauern diesen Fehler.“
3. Die Verantwortung der vermittelnden PR-Agenturen
Fast alle Beschuldigten verwiesen wie die oben zitierte Organisation auf die falschen Ratschläge der vermittelnden Agenturen: „Uns wurde von der Produktionsgesellschaft mehrfach versichert, dass die Form der Zusammenarbeit in Einklang mit dem Rundfunkstaatsvertrag stehe und die zuständige ARD-Redaktion die Stücke abnehme. Diese Information hat sich im Nachhinein als falsch herausgestellt.“
Diese PR-Agenturen wurden daher vom PR-Rat besonders scharf gerügt. Aber die Verbände und Stiftungen sprach dies nicht frei. Sie waren für die Folgen ihrer Zahlungen verantwortlich. Von professionell handelnden Personen durfte erwartet werden, dass sie sich mit den für sie einschlägigen Regeln und Normen vertraut machen und ihre Dienstleister entsprechend verpflichten und kontrollieren.
Dass ein Verband von den Zahlungen seiner von ihm beauftragten Agentur an die Produktionsgesellschaft nichts gewusst habe, hielt der Rat in Anbetracht der z. T. hohen Überweisungen für unwahrscheinlich. Er vermutete sogar, dass die Verbandsgeschäftsführung ihren Beiräten darüber Rechenschaft erstattet hatte und der Kreis der Mitwisser daher noch größer war.
4. Die Legitimität der Ratssprüche
Eine Firmengruppe bestritt die „Rügebefugnis“ des DRPR und schrieb: „Solche Befugnis haben entweder staatliche oder Verbandsgerichte aufgrund gesetzlicher Grundlage oder aber Verbände für ihre Mitgliedsunternehmen.“ Sie gehöre keiner der Trägerorganisationen des Rates an und müsse sich für den Fall einer Rüge rechtliche Schritte vorbehalten.
Der PR-Rat sprach eine Rüge auch gegen diese Firmengruppe aus. Er verwies auf den dritten Grundsatz seiner Statuten: „Der Rat wird sich auch mit beanstandeten PR-Vorgängen befassen, die von Nichtmitgliedern der Trägerorganisationen und Nichtfachleuten ausgelöst oder veranlasst wurden.“
Grundlage dieses Ratsstatuts ist die Werteordnung in unserer Gesellschaft: Wer sich gegenüber Öffentlichkeiten äußert – oder es trotz sittlichem Gebot unterlässt -, unterwirft sich allgemeingültigen moralischen Regeln. Diese wurden von den Selbstkontrollorganen der mit Öffentlichkeitsarbeit befassten Berufsorganisationen unter Berücksichtigung geltender moralischer Maßstäbe formuliert; ihre öffentliche Durchsetzung wurde durch Jahrzehnte widerspruchsfrei akzeptiert.
Die Zuständigkeit der Räte kann daher als gesellschaftlich anerkannt gelten. Sie hat auch rechtlichen Bestand zumal mit Bezug auf Nichtmitglieder der Trägerorganisationen und Nichtfachleute. Ein letztinstanzliches Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 11. Juli 2006 (Aktenzeichen: 15U30/06) hat bei der Abweisung einer gegen den Deutschen Presserat gerichteten Klage festgestellt, dass Urteilssprüche von „Räten“ generell als Meinungsäußerungen gelten können, die an ethische Maßstäbe anknüpfen und appellativen Charakter haben. Räte üben keine Disziplinarrechtssprechung nur für Mitglieder aus.
Dieser Urteilsspruch gilt sinngemäß auch für die Handlungsweisen des PR-Rats.
5. Erstmaliger Ratsspruch zur Adhoc-Publizität
Zur Verantwortung des PR-Rates gehört es, über die Einhaltung korrekter Auskunftspflichten gegenüber Öffentlichkeiten zu wachen. Die Ad-hoc-Publizität von börsennotierten Unternehmen gehört dazu. Sie geriet in das Blickfeld des Rates, als sich die Irreführungen der Anleger durch missbräuchliche Adhoc-Meldungen mehrten.
„Wer nur angeblich erheblich kursrelevante Neuigkeiten veröffentlicht, führt Öffentlichkeiten in die Irre“, heißt es in der Präambel der PR-Ratsrichtlinie zur ordnungsmäßigen Ad-hoc-Publizität, die der PR-Rat im November 2003 vorgestellt und 2005 den Rechtsänderungen entsprechend aktualisiert hatte. „Dies stellt einen Verstoß gegen die guten Sitten der Finanzkommunikation dar.“
Ein erstes Ratsverfahren zur Ad-hoc-Berichterstattung stand im Frühjahr 2006 an. Geprüft wurde die Ad-hoc-Publizität eines großen deutschen Telekommunikationsunternehmens, dessen Mitteilungen sich durch Umfang und Art der Darstellung deutlich von denen anderer Dax-Werte unterschieden. Der Rat beurteilte die gegenüber anderen Emittenten ausufernde Berichterstattung bei allen untersuchten Mitteilungsgelegenheiten und die dadurch nahezu unkenntlichen Neuigkeitswerte der vier Ad-hoc-Mitteilungen.
Das kritisierte Dax-Unternehmen erklärte sich bereit, den Vorschlägen des Rates Rechnung zu tragen, was sich in der Folgezeit auch als zutreffend erwies. Das betraf auch die Verpflichtung, zukunftsbezogene Aussagen unverzüglich zu aktualisieren.
6. Der BdP wurde neues Ratsmitglied
Im Februar 2006 vollzog der Bundesverband deutscher Pressesprecher (BdP) seinen Beitritt zum DRPR. Die jetzt drei Trägerorganisationen nehmen seither die gleichen Rechte und Pflichten wahr: Jeder Verband entsendet vier Mitglieder in den Rat; jeder Verband trägt die Ratskosten zu einem Drittel. Einschließlich der vier im Juni 2005 kooptierten Ratsmitglieder besteht das Ratskollegium seitdem aus 16 Mitgliedern und einem ständigen Berater für Finanzkommunikation.
Zum gleichen Zeitpunkt traten die 3 Beschwerdekammern des Rates in Funktion: die Kammer I für Ad-hoc-Publizität, die Kammer II für Schleichwerbung in TV und die Kammer III für Schleichwerbung in Printmedien. Die Beschwerdeordnung des Rates wurde entsprechend geändert.
Berlin, 11. Februar 2007