1. Die PR-Arbeit für und von Ministerien
Der Deutsche Rat für Public Relations war 2007 mit rund 30 Vorfällen befasst. Davon führten 15 zu Ratsverfahren, von denen im Berichtsjahr 12 Verfahren mit z. T. mehreren Beteiligten abgeschlossenen werden konnten. Ausgesprochen wurden zehn Rügen, zwei Mahnungen und fünf Freisprüche. Dabei überwogen Vorgänge, die auf politische Felder ausgriffen und daher von der politischen Presse verfolgt wurden.
Öffentliche Aufmerksamkeit fand vor allem der Fall Flaskamp AG (s. DRPR-Verfahren 12 / 2007, Anlage 1), da hier ein Bundesministerium als Auftraggeber involviert war. Der Rat bewertete das zu verurteilende Angebot eines Koppelungsgeschäfts mehrheitlich als Einzelfall; eine Minderheit von vier Mitgliedern sah in dem diesem Angebot zugrunde liegenden Konzept einer Medienpartnerschaft das auslösende Übel. Sie verlangte daher, dass auch der Auftraggeber der Agentur als mitentscheidende Instanz belangt werde.
Während die Agentur die Ratsrüge in einer öffentlichen Erklärung umgehend akzeptierte (was damit zum zweiten Mal in der Geschichte des Rates geschah), sah sich das Bundeswirtschaftsministerium noch im Januar 2008 davon nicht berührt. In einem BMWi-Bericht vom 10.1.2008 über seine Zusammenarbeit mit der Agentur Flaskamp verwies es auf seine Antwort auf eine Kleine parlamentarische Anfrage im September 2007. Der Code de Lisbonne der PR-Branche, so hieß es darin, sähe nicht vor, dass bei etwaigen Verstößen durch Mitglieder der jeweilige Auftraggeber hierfür in Anspruch zu nehmen ist.“ (Drucksachen-Nr. 16/6247).
Dieser Auffassung hatte der PR-Rat in seiner Sitzung am 10. Dezember 2007 jedoch widersprochen: „Der PR-Rat bekräftigte einstimmig, dass sich Auftraggeber – anders als vom Bundesministerium vorgetragen – nicht ihrer Verantwortung für die Handlungsweisen einer von ihnen beauftragten Agentur entziehen können. Ihre PR- und Pressereferenten unterliegen den gleichen Verhaltenskodizes wie alle in der Privatwirtschaft Tätigen.“
Die PR-Arbeit von Ministerien war auch Gegenstand einer heftigen öffentlichen Debatte, als bekannt wurde, dass die PR-Agentur A&B ONE PR-Aussendungen für das Bundesfamilienministerium durchführte. Man konstruierte Zusammenhänge zwischen dem Fall Flaskamp und dieser Agentur. Von „politischer Schleichwerbung“ war die Rede (SZ vom 29.8.07.), von einer „PR gegen kritische Presse“ (TAZ 30.8.2007) und von einer „Aufruhr in der PR-Zunft“ (w&v 36/2007). Der PR-Rat wies die pauschalen Vorwürfe der Schleichwerbung und Manipulation zurück:
„Wenn staatliche Behörden ihre Öffentlichkeiten über die Ausgabe schriftlicher Presseinformationen hinaus mit sendefähigen Beiträgen für den Rundfunk oder Matern für Printmedien oder mit wörtlichen Zitaten einer Ministerin und Bildmaterial bedienen und dazu PR-Agenturen einsetzen, so ist das unanfechtbar und legitim,“ stellte der Rat in einer Verlautbarung am 31. 8.2007 fest. Solche zusätzlichen Informationsmittel gehörten schon immer zu einer professionellen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, und diese zu leisten sei eine der Aufgaben von Ministerien und Behörden. „Wer solche Dienste der Schleichwerbung zurechnet, hat Schleichwerbung nicht verstanden.“ Sie liege dann vor, wenn in Medien platzierte Botschaften mit Geld abgegolten – erschlichen – werden, sei es durch direkte Zahlungen oder angekoppelte Anzeigenaufträge.
2. Lebhafte Anhörungen
Bei der Erörterung des Falles Flaskamp und von drei weiteren Vorfällen – Beschwerden gegen den Einsatz von „Mietdemonstranten“, gegen die Entsendung von „Leihbeamten“ und gegen manipulierte wissenschaftliche Erhebungen – waren die Betroffenen persönlich vor dem Rat erschienen. Damit kam es zum zweiten Mal nach 2002 zu mündlichen Verhandlungen, wie sie jeder Standesgerichtsbarkeit gut anstehen.
Der Vorwurf der Täuschung von Öffentlichkeiten durch manipulierte wissenschaftliche Erhebungen war dabei sowohl hinsichtlich des Streitgegenstands wie der streitenden Parteien ein Novum. Erstmals waren sowohl der beschwerdeführende Wissenschaftler wie die Vertreter der beschuldigten Gesellschaft, ihr wissenschaftlicher Experte und etliche Zeugen bei der Verhandlung anwesend.
Auch war erstmals die beschuldigte Gesellschaft eine der Trägerorganisationen des Rates: die GPRA. Ihre vier Vertreter hatten daher während der Urteilsfindung den Tagungsraum zu verlassen. (s. DRPR-Verfahren 7 / 2007).
In einem anderen Anhörungsfall ging es um die Frage, ob eine PR-Aktion gegen die Gesundheitsreform mit angeheuerten Garderobieren als politische Demonstration mit falschen Demonstranten beurteilt werden muss. BILD hatte dem Veranstalter eine bewusste Täuschung der Öffentlichkeit vorgeworfen. Bundestagsabgeordnete kritisierten die Aktion und Studenten wandten sich mit der Bitte um eine Stellungnahme zur Zulässigkeit von „Mietdemonstranten“ an den PR-Rat.
Der PR-Rat bekräftigte entschieden eine frühere Verurteilung des Einsatzes von Mietdemonstranten, sprach im vorliegenden Fall nach einer mündlichen Anhörung und der Prüfung der vorgelegten Presseresonanzen die Veranstalter jedoch frei. Außer BILD hatte keine Redaktion den PR-Event als politische Demonstration verstanden (s. DRPR-Verfahren 6 / 2007).
Ein drittes politisch motiviertes Thema, das dem PR-Rat angetragen wurde, betrifft den Einsatz von Arbeitskräften in diversen Bundes- und Landesministerien, die ihr Gehalt nicht von diesen Ministerien, sondern von privaten Organisationen beziehen. Die MONITOR-Redaktion, die darüber im Monat März 2007 in drei aufeinander folgenden Beiträgen berichtete, prägte für diesen Personenkreis den Begriff „Leihbeamte“. Sie erhob in den Sendungen den Vorwurf der verdeckten Einflussnahme auf politische oder administrative Entscheidungen zugunsten der entsendenden Firmen oder Verbände.
Der PR-Rat konnte im Berichtsjahr einen der bekannt gewordenen Vorwürfe prüfen und die beschuldigte Firma von unzulässigen Einflussnahmen freisprechen (DRPR-Verfahren 11 / 2007, Anlage 2). In seinem Spruch begrüßte der Rat die zeitweise Entsendung von Unternehmensmitarbeitern in Ministerien und Behörden grundsätzlich. Sie diene dem Erfahrungsaustausch zwischen den öffentlichen Verwaltungen und der Wirtschaft.
Zu beachten seien dabei allerdings zwei Erfordernisse: Diese Mitarbeit müsse für Presse und Öffentlichkeit transparent sein, und die entsandten Mitarbeiter dürften nicht mit vertraulichen oder entscheidungsrelevanten Vorgängen befasst werden, die das eigene Unternehmen betreffen. Bei drei dem PR-Rat noch zur Prüfung vorliegenden Fällen besteht jedoch der Verdacht, dass diesen Erfordernissen nicht entsprochen wurde.
3. Vortäuschung großer Anhängerschaften
Im Lobbygewerbe werden bisweilen Anhängerschaften für Gesetzesinitiativen vorgetäuscht, um Parlamentarier oder Behörden zu beeindrucken. Ein Berliner Politikberater gab gegenüber Abgeordneten und im Internet vor, namens einer sogenannten „Koalition pro Patienteninformation“ für die Freigabe werblicher Produktinformationen für Patienten einzutreten. Dabei handelte es sich nach seinen Internet-Angaben und Auskünften um „ein Netzwerk aus Patientenverbänden und Einzelpersonen aus Deutschland,“ die „55.000 Patienten“ repräsentierten.
Der Beschuldigte konnte gegenüber der Öffentlichkeit weder seine Finanzquellen noch die Träger seiner Koalition offen legen. Die angegebenen Patientenverbände stritten gegenüber dem PR-Rat in der Mehrzahl ihre Teilnahme an dieser Koalition ab. Der PR-Rat sprach gegenüber dem Politikberater daher eine öffentliche Rüge aus (s. DRPR-Verfahren 10 / 2007, Anlage 3).
4. Weitere Schleichwerbungsfälle
Sogar unter den behandelten Schleichwerbungsvorgängen befand sich diesmal eine nationale Behörde: die Bundesagentur für Arbeit. Der PR-Rat sah sich dadurch im Berichtsjahr zu einer weiteren politischen Feststellung veranlasst: „Sieht man es kritisch aus gesellschaftspolitischer Perspektive, wurde mittels der Themenplatzierungen heimlich Staatsfernsehen betrieben.“ (DRPR-Verfahren 5 / 2007).
Mit der Ausfertigung der letzten bis dahin noch offenen Schleichwerbungsurteile (7 Rügen und ein Freispruch in 2007) glaubte der PR-Rat alle Altfälle abgearbeitet zu haben, die seit der Aufspürung der ersten Themen- und Produktplatzierungen in der ARD-Serie Marienhof im Jahre 2005 angefallen waren. Seine Quellen waren dabei vor allem die veröffentlichten Listen einer Clearingstelle, die die ARD zur Aufklärung der Vorfälle eingerichtet hatte.
In diesen ARD-Listen waren in einigen Spalten Produktnamen oder Krankheiten angeführt, denen keine Veranlasser zugeordnet werden konnten. Diese Zuordnungen sind seit Herbst letzten Jahres möglich. Durch Recherchen des STERN-Redakteurs Markus Grill wurde ein interner Projektbericht der vom Rat mehrfach gerügten Agentur K+W bekannt, der für die 2002 gesendete ARD-Serie „In aller Freundschaft“ sowohl die Themen und ihre Ausstrahlungstermine wie die veranlassenden Firmen und die Zahl ihrer bestellten Folgen auflistet. Pro Folge waren 30.000 E fällig.
Die Beschwerdekammer III des PR-Rats wird jetzt daher erneut seine Recherchearbeit aufnehmen müssen. Waren bisher vornehmlich Wirtschaftsverbände zu beurteilen, so stehen jetzt etliche Firmen vor den Schranken des Rats.
Der Deutsche Presserat sprach im März 2007 acht Rügen gegen Printmedien aus, die nach seinen Maßstäben Schleichwerbung betrieben hatten. Beispiele: Bei einer BILD-Ausgabe wurde die Schlagzeile gerügt: „Aldi-Urlaub“ (BILD hat gegen diese Rüge protestiert; es handele sich um eine legitime Leser-Information). Bei der NORDWEST ZEITUNG wurde bei der Meldung über einen neuen Vertriebsweg für Autos in einer Marktkette die Nennung der Firmen, die Preise der Fahrzeuge und der Link zu deren Internetseite gerügt. Die Zeitschrift GO LONGLIFE hatte eine Anzeige des Sultanats Oman neben einen Reisebericht über dieses Land gestellt. Wie schon bei anderen Sprüchen des Presserats davor und danach wurden diese Vorfälle daraufhin auch vom PR-Rat geprüft.
Der Presserat hatte dem PR-Rat dazu bereitwillig sein Beweismaterial zur Verfügung gestellt und in seinem Begleitschreiben betont, dass der Presserat nicht prüfe, ob für ein auffälliges Placement Geld geflossen ist. Für den PR-Rat ist dieses Kriterium jedoch entscheidend. PR-Ratsrügen können nur dann gegen Veranlasser oder Auslöser von Firmen- oder Produktnachrichten in Printmedien ausgesprochen werden, wenn es sich um bezahlte (erschlichene) Platzierungen handelt.
Der PR-Rat sah daher bei den vorgelegten Vorfällen keinen Handlungsbedarf. Selbst im Falle der Zeitschrift GO LONGLIFE fand sich die Anzeige des Sultanats Oman auch in den folgenden Ausgaben – ohne redaktionelle Informationen über das Land. Von einem Koppelungsgeschäft ging der PR-Rat daher nicht aus.
Diese acht Recherchen wurden in der Statistik der DRPR-Verfahren (s.o) nicht mitgezählt. Nicht mitgezählt wurden auch fünf Anfragen, die im Rat besprochen wurden, ihn aber nicht zu förmlichen Verfahren veranlassten, darunter eine vom Rat erheischte Stellungnahme zu Ausbildungsvideos der Bundeswehr, die in der New Yorker Bronx Empörung ausgelöst haben sollen.
5. Üble Nachreden
In der PR-Zunft wird zur Zeit über etliche neuere Usancen diskutiert, die als verwerflich angesehen werden oder zumindest das Image des PR-Berufs beschädigen könnten. Neu ist z. B., dass sich einzelne Vorstandsmitglieder von DAX-Unternehmen neben den internen Presseabteilungen ihrer Häuser gesonderte freie Kommunikationsberater halten. Ihre Aufträge bleiben auch hausintern meist geheim; im Berichtsjahr wurden sie nur einmal im Falle einer HV-Auskunft aktenkundig.
Ein solches Verhalten läuft nicht nur den Regeln der internen Corporate Governance zuwider, sondern widerspricht auch dem Transparenzgebot, das jeglicher Pressearbeit zugrunde liegt. Gravierender als solche Beauftragungen erscheinen jedoch deren Zielsetzungen. Wirtschaftsjournalisten haben gegenüber Ratsmitgliedern glaubwürdig vorgebracht, in jüngster Zeit häufiger in offensichtlich intriganter Absicht mit üblen Nachreden angegangen worden zu sein. Sie prägten für diese Ansinnen die Begriffe „Borderline-PR“ oder „Schwarze PR“.
Der PR-Rat erörterte daher in bisher zwei Sitzungen die Frage, ob solche Vorkommnisse konkretisiert werden können. Auch müssten sie gegenüber der Arbeit von Spezialagenturen für Finanzkommunikation abgegrenzt werden. Im Berichtsjahr lag dem PR-Rat nur ein Fall von übler Nachrede zur erneuten Beurteilung vor; und dieser konnte auch nur durch die neuerliche Einsicht in ein „Dossier“ zu einer Rüge führen (DRPR-Verfahren 9 / 2007). Der Rat wird sich mit diesen Entwicklungen erneut befassen, wenn dazu neue Erkenntnisse vorliegen.
6. Das Ratsjubiläum
Die 20-Jahrfeier des Deutschen Rates für Public Relations fand am 10. Oktober 2007 in der rheinland-pfälzischen Landesvertretung in Berlin statt. Vor einem mit vielen erlauchten Gästen gefüllten Saal, darunter etlichen früheren Ratsmitgliedern wie Wolfgang Reineke, dem Vorgänger des amtierenden Vorsitzenden, hielt Prof. Dr. Otfried Jarren einen Festvortrag über „Governance in der Kommunikations- und Medienbranche“. Der Sprecher des Deutschen Presserats Fried von Bismarck hob in seinem Grußwort die Gemeinsamkeiten beider Räte hervor. Der Sprecher der Global Alliance for Public Relations Toni Muzi Falconi verkündete die Absicht, das so erfolgreiche deutsche PR-Ratssystem europaweit einzuführen.
Die anschließende Podiumsdiskussion unter der Moderation von Prof. Dr. Günter Bentele befasste sich mit der Frage: „Sind Räte zahnlose Tiger?“ Neben Prof. Dr. Volker Wolff nahmen daran Jürgen Pitzer für den PR-Rat, Lutz Tillmanns für den Presserat und Volker Nickel für den Werberat teil. In seinem Schlusswort dankte der Ratsvorsitzende allen Mitwirkenden. Es habe ihn besonders gefreut, dass die drei großen deutschen Kommunikations-Räte wieder einmal einträchtig neben einander auf einem Podium saßen und sich mit gemeinsamen Problemen befassten. Für alle aber gelte das Fazit, das Otfried Jarren am Ende seiner Festansprache gezogen habe: Sie sind auf gutem Wege.
Der Rat hatte zu diesem Anlass eine Festschrift des DRPR vorgelegt, die von etlichen PR-Agenturen und Kommunikationsstellen durch Anzeigen gesponsort wurde. Unter dem Titel „Selbstkontrolle im Berufsfeld Public Relations“ bringt sie eine historische Darstellung der ersten 20 Jahre des PR-Rates. Auch bietet sie alle zur Zeit gültigen Kodizes und Verhaltensrichtlinien der PR-Branche sowie die Namen aller bisherigen PR-Ratsmitglieder. Patrick Hacker vom Lehrstuhl Prof. Bentele in Leipzig, hatte die Texte geschrieben und die Dokumente zusammengestellt.
Horst Avenarius
DRPR-Vorsitzender
20. Februar 2008
Anlage 1:
DRPR-Verfahren 12 / 2007: Angebot eines Koppelungsgeschäfts
Ratsrüge gegen die PR-Agentur Flaskamp AG
Der Vorfall:
Am 10. August 2007 berichtete der Kölner Stadtanzeiger, ihm seien durch die PR-Agentur Flaskamp öffentliche politische Veranstaltungen und Redaktionsbesuche eines Staatssekretärs des Bundeswirtschaftsministeriums angeboten worden, die mittels Anzeigen „gegenfinanziert“ werden sollten. Dabei könne es sich um Summen bis 40.000 Euro handeln. Die Berichterstattung sollte in der Gesamtausgabe erfolgen. Ein Beispiel, in dem die mögliche Gegenfinanzierung durch Anzeigen erkennbar sei, habe dem Angebot beigelegen: das der Märkischen Allgemeinen Zeitung.
Das Urteil:
Frankfurt, 10. Dezember 2007. Der PR-Rat fand die Darstellung des Kölner Stadtanzeigers nach eingehender Prüfung der von ihm, von der Agentur, vom DIHK und dem Bundeswirtschaftsministeriums vorgelegten Auskünfte und Dokumente und nach einer Anhörung des Agenturchefs zutreffend. Ein Agenturmitarbeiter hatte dem Kölner Stadtanzeiger eine Gegenfinanzierung von redaktionellen Berichten über eine Kampagne des Bundeswirtschaftsministeriums durch Anzeigen dieses Ministeriums und einer IHK angeboten.
Solche „Koppelungsgeschäfte“ widersprechen dem Transparenzgebot, das aller PR-Pressearbeit zugrunde liegen muss. Der PR-Rat sprach daher gegen die Agentur Flaskamp AG mehrheitlich eine öffentliche Rüge aus. Die Agentur Flaskamp AG akzeptierte den Ratsspruch umgehend mit einer öffentlichen Erklärung.
Der PR-Rat beschränkte sich auf einen aktenkundlichen Einzelfall. Er sah mehrheitlich von der Verurteilung des Medienkooperationskonzepts der Agentur ab. Um ein solches zu beurteilen, bedarf es nach Ansicht der Mehrheit noch zu formulierender geeigneter Maßstäbe; eine Verhaltensrichtlinie solle dazu jetzt erarbeitet werden.
Minderheitsvotum:
Vier Ratsmitglieder sprachen sich für die Verurteilung des Gesamtverhaltens der Agentur aus. Sie sahen in der Konstruktion sogenannter Medienkooperationen ihr entscheidendes Fehlverhalten. Die ganze Kampagne sei darauf angelegt gewesen, mediale Berichterstattung durch Anzeigen zu erzeugen. Daher müsse auch der Auftraggeber, das Bundeswirtschaftsministerium, zur Rechenschaft gezogen werden.
Der PR-Rat bekräftigte einstimmig, dass sich Auftraggeber – anders als vom Bundesministerium vorgetragen – nicht ihrer Verantwortung für die Handlungsweisen einer von ihnen beauftragten Agentur entziehen können. Ihre PR- und Pressereferenten unterliegen den gleichen Verhaltenskodizes wie alle in der Privatwirtschaft Tätigen. Aber im vorliegenden Fall war nicht das dem Auftraggeber vorgelegte Konzept, sondern eine einzelne Handlung zu beurteilen.
Die Urteilskriterien des PR-Rates
1. Koppelungsgeschäfte mit Anzeigenplatzierungen gegen redaktionelle Berichterstattung sind nicht statthaft. Der PR-Rat bezieht sich hierbei auf den Code de Lisbonne und seine Richtlinie über Product Placement und Schleichwerbung:
Jeder Versuch, die Öffentlichkeit oder ihre Repräsentanten zu täuschen, ist nicht zulässig. Informationen müssen unentgeltlich und ohne irgendeine verdeckte Belohnung zur Verwendung oder Veröffentlichung bereitgestellt werden (Code de Lisbonne, Art. 15).
Öffentlichkeitsarbeiter bekennen sich zum Prinzip der klaren Trennung von Werbung und Redaktion bzw. Programmgestaltung in den Medien. Der Deutsche Rat für Public Relations … bekräftigt daher in Übereinstimmung mit dem Deutschen Presserat das Verbot der Schleichwerbung. Diese ist gegeben, wenn für Medienkonsumenten nicht ersichtlich ist, dass sie mit einer bezahlten Werbebotschaft konfrontiert sind…. Nebenabsprachen, die darauf abzielen, die Rechte und Freiheiten von Redaktion und Regie einzuschränken, sind sittenwidrig ( DRPR-Richtlinie über Product Placement und Schleichwerbung)
2. Nicht jeder Parallelität von Anzeigen und redaktionellem Bericht zum gleichen Gegenstand muss ein konkretes Geschäft zugrunde liegen. Beispiel: Automobilfirmen schalten in fast jeder Ausgabe der Zeitschrift Auto/Motor/Sport eine Anzeige und werden parallel sehr häufig redaktionell besprochen. Die AMS-Leser sehen in der Regel in solchen redaktionellen Texten keine verkappten Werbebotschaften sondern kritische Berichte.
3. Erscheinen hingegen in einem Medium normalerweise keine Anzeigen eines Inserenten, dann aber parallel zu einem diesen Inserenten betreffenden Bericht, so kann ein Koppelungsgeschäft vermutet werden.
Die Urteilsbegründung:
Gegen die Agentur Flaskamp AG wurde erstens der Vorwurf erhoben, dem Kölner Stadtanzeiger ein Koppelungsgeschäft angeboten zu haben (1) und zweitens, dass dies faktisch ein Bestandteil des Kampagnenkonzeptes war (2).
(1) Zum erstgenannten Vorwurf lagen dem Rat die Aussagen der beiden Hauptakteure, Antonius Flaskamp für die Flaskamp AG, und der Rechtsabteilung des Verlags M DuMont Schauberg vor. Sie sind in Teilen deckungsgleich und unterscheiden sich vor allem in Interpretation und Bewertung des Vorgefallenen. Das Angebot kann als belegt gelten. Für den DRPR zu bewerten war in erster Linie ein Satz aus einer Email eines Mitarbeiters der Flaskamp AG an einen Verlagsvertreter vom 20.7.2007:
„Die Berichterstattung soll in der jeweiligen Gesamtausgabe erfolgen. Anhand des beigefügten Beispieles der MAZ können Sie die möglichen Gegenfinanzierungen erkennen (Anzeigen).“ Dazu erklärte Herr Flaskamp dem DRPR am 4.10.07.: „Dass dieser missverständliche Satz ein Fehler war, haben wir eingeräumt und uns öffentlich dafür entschuldigt.“
Es sei der Fehler der Agentur allein gewesen, hatte Flaskamp schon vorher gegenüber anfragenden Medien geäußert: „Das war nicht mit unserem Auftraggeber abgestimmt.“ (SPIEGEL ONLINE, 12. 8. 2007).
Beim erstgenannten Vorwurf waren daher für den PR-Rat die Tatbestände eindeutig: Nicht beim Ministerium, sondern bei der Agentur lag das Fehlverhalten. Dass es ein einzelner tat, war dabei nicht ausschlaggebend. Der Rat beurteilt nur das Verhalten von Organisationen, nicht das von Einzelpersonen. Da er nicht über die Ermittlungsbefugnisse von Staatsanwälten verfügt, kann es nicht seine Aufgabe sein, Einzelverantwortungen in beklagten Organisationen auszumachen und autonome Verhaltensmöglichkeiten – ein eventuell eigenmächtiges Handeln – auszuloten.
(2) Zum zweiten Vorwurf – einem falschen Kampagnenkonzept – prüfte der PR-Rat die ihm vorgelegten Darstellungen der Kampagne und die bis zum Vorfall geschehenen Abläufe:
Im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) hatte die Flaskamp AG im Juni 2007 eine „Dialogtour“ als Teil einer Mittelstandsinitiative gestartet. Laut Website des BMWi begann diese Tour am 15. Juni in Nürnberg, weitere Veranstaltungen in größeren und mittleren deutschen Städten sollten folgen. Bestandteile dieser „Dialogtour“ waren Unternehmensbesuche eines BMWi-Staatssekretärs oder parlamentarischen Staatssekretärs, Diskussionsveranstaltungen bei IHKs, Telefonaktionen mit BMWi-Experten sowie Pressegespräche und eine lokale oder regionale Anzeigenkampagne.
Mediapartner dieser Aktionen sollte die für die Region geeigneteste Tageszeitung sein. Der DIHK beschrieb in einem Rundbrief vom 1. Juni 2007 an seine Mitglieder das Projekt als eine „Dialogtour & Anzeigenkampagne des BMWi“:
„Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) plant in Kooperation mit einigen IHKs eine „Dialogtour“ und eine „Nationale Anzeigenkampagne“…. Das BMWi tritt direkt mit einigen IHKs in Kontakt und bittet die IHKs um Mitarbeit.“
Dieser DIHK-Rundbrief enthält u. a. einen Absatz über „Begleitende Pressearbeit im Detail“:
Kooperation mit der wichtigsten regionalen Tageszeitung (Vorabstimmung relevanter Themen, Redaktionsbesuch, Expertentelefon, Schaltung einer Eckfeldanzeige mit Terminankündigung, Moderation durch den Chefredakteur, begleitende Berichterstattung, auch im Internet)
Einladung der übrigen regionalen Medien (Print, Hörfunk, TV) zur Begleitung der Firmenbesuche bzw. zur Diskussionsrunde. Vermittlung von Interviewkontakten, Ausgabe einer Pressemappe mit allen relevanten Informationen zur Mittelstandspolitik des Ministeriums, Betreuung der Journalisten am Ifostand durch PR-Berater der Agentur
Einbeziehung der Kammermedien
Zur ersten Station der Tour in Nürnberg gab es nach Auskunft von Herrn Flaskamp gegenüber dem DRPR keine Medienpartnerschaft. Anzeigen wurden, wie von der Agentur gegenüber dem DRPR belegt, in zwei Medien geschaltet: in den Nürnberger Nachrichten und in BILD Nürnberg. Über die redaktionelle Berichterstattung in diesen Medien lagen dem DRPR keine Informationen vor.
Bei der zweiten Station der Tour am 11. Juli 2007 in Potsdam war die Märkische Allgemeine Zeitung (MAZ) der Medienpartner. Sie berichtete in aller Ausführlichkeit. BMWi- und IHK-Anzeigen wurden im entsprechenden Zeitraum flankierend zur Tour geschaltet, wie aus einer Dokumentation der Flaskamp AG hervor geht, die dem DRPR vorgelegt wurde. Berichtet wurde wie folgt:
„Ein Maßnahmenbündel für die kleinen Unternehmen…“ (05. Juli), „Der Osten braucht auch weiterhin eine besondere Förderung. Staatssekretär Walter Otremba…“ (Interview 05.Juli), „Mittelstand im Fokus Dialogtour des Wirtschaftsministeriums“ (9. Juli), „Staatssekretär diskutiert mit Mittelständlern“ (11. Juli), „Der märkische Mittelstand ist bester Laune. Auf seiner „Dialogtour“ darf sich Staatssekretär…“ (13. Juli)
Anzeigen des BMWi erschienen in der MAZ am 7./8. Juli, 10. Juli und 11. Juli; Anzeigen der IHK Potsdam am 12. Juli. Der Geschäftsführer der Zeitung Peter Asmussen kommentierte diese Zusammenarbeit am 13.8.2007 in der TAZ: Man habe die Chance nutzen wollen, das Thema exklusiv aufzugreifen. Aber: „Anzeigen waren in keiner Weise Teil des Gesamtdeals.“ Es seien zwar von der Agentur Flaskamp Anzeigen geschaltet worden, dies sei aber erst nach der Veranstaltung geschehen. Und dass der Chefredakteur Veranstaltungen moderiere, an denen die Potsdamer IHK beteiligt ist, sei nicht unüblich.
Für die Mehrheit der PR-Ratsmitglieder boten die schriftlichen Anregungen des DIHK an seine Mitglieder bezüglich der begleitenden Pressearbeit (s.o.) keinen Anlass, die intendierte Medienpartnerschaft zu inkriminieren. Wenn in diesem DIHK-Rundbrief von „Eckfeldanzeigen mit Terminankündigung“ gesprochen werde, lasse das nicht auf eine Aufforderung an die IHKs schließen, dem ausgewählten Verlag Koppelungsgeschäfte anzubieten. Auch die Aussage des Geschäftsführers der Märkischen Allgemeinen Zeitung schließe eine derartige generelle Intention der Agentur aus. (Minderheitsvotum s.o.)
Anlage 2:
DRPR-Verfahren 11 / 2007: Abordnung von Mitarbeitern in Ministerien und Behörden
Freispruch für die Fraport AG
Der Vorfall:
Die Redaktion des Magazins MONITOR berichtete in einem Beitrag vom 18. Januar 2007, dass Mitarbeiter der Fraport AG im hessischen Wirtschafts- und Verkehrsministerium direkt mit der Genehmigung von Nachtflügen befasst sind. Es wurde ihnen unterstellt, dass sie damit absichtlich und zum Vorteil der Fraport AG dem bundesweit geltenden Nachtflugverbot entgegenwirkten. Schon in einer MONITOR-Sendung vom 19. Oktober 2006 war behauptet worden, im Bundesverkehrsministerium eingesetzte Mitarbeiter der Fraport AG hätten Einfluss auf das Gesetzgebungsverfahren zu einem bundesweiten Nachtflugverbot („Fluglärmgesetz“) genommen.
Das Urteil:
Frankfurt, 10. Dezember 2007. Der Verdacht einer unzulässigen Einflussnahme der Fraport AG zu ihren privaten Gunsten konnte weder im Falle des hessischen Verkehrsministeriums noch im Falle des Bundesverkehrsministeriums erhärtet werden. Die Fraport AG wurde von beiden Vorwürfen freigesprochen.
Die zeitweise Entsendung von Unternehmensmitarbeitern in Ministerien und Behörden ist nach Ansicht des PR-Rates grundsätzlich zu begrüßen. Sie dient dem Erfahrungsaustausch zwischen der öffentlichen Verwaltung und der Wirtschaft. Zu beachten sind dabei zwei Erfordernisse: Diese Mitarbeit muss für Presse und Öffentlichkeit transparent sein, und die entsandten Mitarbeiter dürfen nicht mit vertraulichen oder entscheidungsrelevanten Vorgängen befasst werden, die das eigene Unternehmen unmittelbar betreffen.
Die Urteilsbegründung:
1. Zur Entsendung von Fraport-Mitarbeiter ins Bundesverkehrsministerium in Berlin: Die Bundesregierung hat die Mitarbeit von Angestellten der Fraport AG im Bundesverkehrsministerium in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage bestätigt und erläutert (Drucksachen 16/3395 und 16/3727): „Die externen Beschäftigten bekommen grundsätzlich keine Aufgaben zur selbständigen und abschließenden Erledigung zugewiesen. Mit ihrem spezifischen Fachwissen unterstützen sie im Rahmen des Möglichen und Vertretbaren die laufende Referatstätigkeit insbesondere durch den Erfahrungsaustausch. Eine konkrete Zuordnung von Arbeitsergebnissen zu einzelnen Personen ist daher grundsätzlich nicht möglich.“
„Im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung arbeiten die Mitarbeiter der Fraport AG, des Flughafens Köln/Bonn GmbH und der Deutschen Flugsicherung GmbH insbesondere an aktuellen Themenstellungen mit, die im Zusammenhang mit spezifisch technischen, sicherheitsrelevanten und luftrechtlichen Fragestellungen stehen. Ein pensionierter Mitarbeiter des Deutschen Aero Clubs e. V. berät vom Juli bis November 2006 in Bezug auf notwendige Verbesserungen im Lizensierungswesen des Luftsports und arbeitet beratend an einem Rohentwurf der 3. Änderungsverordnung zur Änderung luftrechtlicher Vorschriften über Anforderungen an das Luftfahrtpersonal (Luftsportler) mit.“
„Eine inhaltliche Einflussnahme auf Entscheidungen und die Gesetzgebungsvorschläge der Bundesregierung wird durch die Einbindung der externen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die hierarchischen Strukturen der Ministerien und der dadurch vorhandenen Kontrollmechanismen ausgeschlossen. Zudem werden die betreffenden Personen auf gewissenhafte Erfüllung ihrer Obliegenheiten und auf Verschwiegenheit über alle Angelegenheiten, die ihnen bei der Tätigkeit in den obersten Bundesbehörden bekannt werden, verpflichtet. Insbesondere ist gewährleistet, dass ihnen zur selbständigen und abschließenden Erledigung keine Aufgaben übertragen werden, die die entsendenden Verbände und Unternehmen betreffen. Darüber hinaus achten die unmittelbaren Vorgesetzten darauf, dass Interessenkonflikte ausgeschlossen werden.“
Die Fraport AG hat gegenüber dem PR-Rat die Entsendung eines Mitarbeiters in das BmVBS ebenfalls bestätigt: Dieser habe dort bis zum 31.12.06. fünf Jahre jeweils einen Tag in der Woche gearbeitet, aber nicht am Fluglärmgesetz. Zudem war ein Mitarbeiter der Fraport AG im Austausch gegen eine dortige Mitarbeiterin in der Staatskanzlei tätig, wobei „eventuelle Interessenkollisionen ausgeschlossen“ wurden.
2. Zur Entsendung von Fraport-Mitarbeiter in die örtliche Luftaufsichtsstelle des Flughafens Frankfurt: Die Fraport AG erteilte dem PR-Rat mit Schreiben vom 30.7.07. umfassende Auskünfte. Sie wies darauf hin, dass am Flughafen Frankfurt/Main weitreichende Nachtflugbeschränkungen von Mitternacht bis 05:00 Uhr gelten. Selbst für Home-Base-Carrier wie Lufthansa oder Condor, für die es Ausnahmen gibt, gelte ein Nachtlandeverbot zwischen 1 und 4:00 Uhr.
In begründeten Fällen könne das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung (HMWVL) als Genehmigungsbehörde für näher bestimmte Flüge auf Antrag Ausnahmen zulassen. Doch diese müssten gut begründet sein: Zu den Ausnahmen zählen Notfälle: Landungen von Flugzeugen, die aus meteorologischen, technischen oder sicherheitstechnischen Gründen Frankfurt/Main als Ausweichflughafen anfliegen, Vermessungsflüge unter besonderen Umständen und ohne eigenes Verschulden verspätete Flüge, die aus humanitären Gründen zugelassen werden; etwa, wenn Kinder oder Kranke an Bord sind und die Maschine schon mehr als 10 Stunden unterwegs ist.
Die Anträge sind in der Regel direkt ans Landesministerium zu richten und nur in Not- und Eilfällen an die örtliche Luftaufsichtsstelle direkt am Flughafen. Diese Luftaufsichtsstelle übernimmt außerhalb der Dienstzeiten des Ministeriums die Zulassung von Nachtflügen. Sie ist rund um die Uhr von Mitarbeitern der Fraport AG besetzt. Diese Mitarbeiter nehmen damit „Aufgaben der Luftaufsicht“ wahr, sind dabei aber ausschließlich an vorliegende Weisungen des (nachts nicht besetzten) HMWVL gebunden. Bei „sehr seltenen Unregelmäßigkeiten“ würden Ordnungswidrigskeits-Verfahren durch das Ministerium angestrengt. Nach glaubhafter Auskunft der Fraport AG sah das Ministerium bislang jedoch keinen Grund zu Beanstandungen oder die Gefahr eines Missbrauchs.
Wegen des Vorwurfs, die Politik habe mit dem System der Entsendung von Fraport-Mitarbeitern Strukturen geschaffen, die die Nachtflugbeschränkungen in der Praxis ad absurdum führen, befasste sich der PR-Rat auch mit diesem Aspekt der Beschwerde. Er stellte fest, dass die aktuelle Diskussion um den Nachtflugverkehr komplex und facettenreich ist. Dabei geht es um „normale“ Nachtlandegenehmigungen, nicht um die genannten „Notfälle“. Aktuell fordert die Lufthansa allein für ihre Flotte 41 Nachtflüge bis 2020. Die Diskussion dreht sich dabei einerseits um die Definitionen von „Nacht“ (von 22 bis 6 Uhr oder von 23 bis 5 Uhr) und „Fluglärm“ und bei letzterem um ein vom früheren hessischen Verkehrsminister eingeführtes Punktesystem; andererseits spielt dabei auch der Ausbau des Flughafens mit weiteren Landebahnen eine Rolle.
Das hessische Verkehrsministerium kann eher zu den Befürwortern von Nachtflügen gerechnet werden. Die Fraport AG hingegen hat in den Planfeststellungsunterlagen ein Nachtflugverbot beantragt. Sie hofft dadurch mehr Unterstützung für ihre Ausbaupläne zu finden. Auf sie könnte der geäußerte Vorwurf daher nicht zutreffen.
Anlage 3:
DRPR-Verfahren 10 / 2007: Nichttransparenz bei Lobbyaktionen
Ratsrüge gegen Jan Burdinski
Der Vorfall:
Der Berliner Politikberater Jan Burdinski gab gegenüber Abgeordneten und im Internet vor, namens einer sogenannten „Koalition pro Patienteninformation“ für die Freigabe werblicher Produktinformationen für Patienten einzutreten. Bei dieser Koalition handelte es sich nach seinen Angaben im Internet (Stand 28. 9. 06.) um „ein Netzwerk aus Patientenverbänden und Einzelpersonen aus Deutschland… Unsere Verbände und Unterstützer repräsentieren 55.000 Patienten“. Ziel sei es, eine fraktionsübergreifende Arbeitsgruppe im Deutschen Bundestag und im Europäischen Parlament zu schaffen, die „politischen Druck auf die Kommission ausübt“, damit es bis ca. 2010 zu einer „Abstimmung über gesetzliche Neuregelung im Europäischen Parlament“ kommt.
Zwei der drei von Jan Burdinski angegebenen Patientenverbände stritten gegenüber dem PR-Rat ihre Teilnahme an dieser Koalition ab. Der dritte verweigerte eine Auskunft. Herr Burdinski legte seine Finanzquellen nicht offen.
Das Urteil:
Frankfurt, 10. Dezember 2007. Jan Burdinski konnte gegenüber der Öffentlichkeit weder seine Finanzquellen noch die Träger der „Koalition pro Patienteninformation“ offen legen.
Dieses Verhalten widerspricht jeder fairen Kommunikation im Lobbyismus. Der Verstoß ist als schwerwiegend und vorsätzlich zu bewerten. Der PR-Rat spricht daher gegen den Politikberater Jan Burdinski eine öffentliche Rüge aus. Er bezieht sich dabei auf die Ratsrichtlinie zur Kontaktpflege im politischen Raum:
Public Affairs-Berater und Lobbyisten tragen dafür Sorge, dass ihre Organisation, ihre Interessen und ihre hauptsächliche Arbeitsweise (z.B. Lobbying, Pressearbeit, Veranstaltungen etc.) in geeigneter Weise öffentlich gemacht werden (1.1).
Public Affairs-Berater und Lobbyisten haben ihren politischen Gesprächspartnern ihre Auftraggeber, sowie ihre und deren Interessen jeweils offen zu legen (1.2).
Die Urteilsbegründung:
Trotz der schriftlichen Befragung des Herrn Burdinskis blieb unklar, wer seine Koalition bildet. Der PR-Rat erachtete seine Bereitschaft zur Aufklärung des Sachverhalts als gering, da er an Behauptungen festhielt, die den Rat nicht überzeugten. So bestritten zwei von drei im Webauftritt der Koalition und in der dort veröffentlichten Pressemeldung genannten Trägerverbände glaubhaft eine Trägerschaft und jede finanzielle Beteiligung. Auch die dritte Organisation stützte Jan Burdinski nicht; statt sich zu seiner Koalition zu bekennen, verweigerte sie schlicht eine Aussage zum kompletten Vorgang.
Der von Herrn Burdinski geäußerte Einwand, die von ihm genannten Trägerverbände hätten ihre Beteiligung selbst verschleiern wollen, trifft nur auf diesen – eventuellen – Träger zu. Aktenkundig ist jedoch, dass die beiden anderen Verbände Herrn Burdinski gegenüber eine Nennung als Mitglieder der Koalition verweigerten und diese, soweit trotzdem geschehen, zu keinem Zeitpunkt autorisiert hatten.
Offen bleibt die Frage, wer die Koalition bildet und finanziert und wer Herrn Burdinski mit ihrer Vertretung beauftragt hat. Vom Beschwerdeführer wurde der Verdacht geäußert, die Vorgehensweise und die speziell ausgewählten medizinischen resp. pharmazeutischen Segmente, die in diesem Bündnis gesammelt wurden, legten eine Finanzierung durch einen oder mehrere Pharmakonzerne nahe. Diesen Verdacht hegte auch der Bundesselbsthilfeverband für Osteoporose e.V., ohne ihn belegen zu können; vgl. sein Schreiben vom 15. August 2007 an den PR-Rat: „Gleichzeitig wurde für den Fall, dass sich der Verdacht, die Pharmaindustrie würde die Koalition unterstützen, (erhärtet,) die Distanzierung des Bundesselbsthilfeverbandes für Osteoporose e.V. angekündigt.“
Daher muss der Vorgang als verdeckte Kommunikation für unbekannte Absender und damit als schwerwiegenden Verstoß gegen die Kodizes eingestuft werden.
Herrn Burdinski wurde auch vorgeworfen, bei der Information von Bundestagsabgeordneten bewusst falsche Darstellungen verbreitet zu haben. Der von ihm benutzte Präsenter liegt dem PR-Rat vor. Darin ist eine Veränderung der Argumentation ab Oktober 2006, vermutlich aufgrund der damals einsetzenden kritischen Nachfragen durch einzelne Abgeordnete, dokumentiert. Herr Burdinski selbst spricht von einer Präzisierung seiner Aussagen. Die davon abweichende Einschätzung eines Abgeordnetenbüros kann politisch motiviert sein.
Es ist nicht Aufgabe des Rates, die politische Bewertung eines Sachverhaltes als falsch oder richtig darzustellen. Allerdings bleibt zu beanstanden, dass die veränderten Formulierungen der Präsentation keinen Eingang auf die Website der Koalition gefunden haben. Der Rat ermahnte Herrn Burdinski und die „Koalition pro Patienteninformation“ daher, in Abgeordnetengesprächen verwendete Präzisierungen der eigenen Position auch öffentlich zu verwenden. Insbesondere empfahl der Rat Herrn Burdinski und der „Koalition pro Patienteninformation“, angesichts des Umstands, dass die Arbeit der Koalition angeblich ausgelaufen ist, die Website zu deaktivieren, um weitere Irritationen zu vermeiden. Dies ist inzwischen auch geschehen.
Gegen Herrn Burdinski und das von ihm gegründete „ipas Institut für politische Analysen und Strategie“ wurde ferner der Vorwurf geäußert, die erste Studie dieses Instituts mit dem Titel „Auswirkungen des Werbeverbots für verschreibungspflichtige Arzneimittel“ sei bereits Teil seiner Arbeit für die Koalition pro Patienteninformation und durch diese finanziert. Auch wurde ihm vorgehalten, er habe in seiner Funktion als Herausgeber dieser Studie deren Ergebnisse in seinem Vorwort bewusst verfälscht, um dem Anliegen der Koalition eine – vermeintlich – wissenschaftliche Basis zu verschaffen.
Zum erstgenannten Sachverhalt lagen dem Rat keine Aussagen vor. Der Verdacht konnte nicht erhärtet werden. Im zweitgenannten Fall haben die an der Studie beteiligten Autoren die geäußerte Vermutung zurückgewiesen. Der Rat sah daher keine Veranlassung, diesen Vorwurf weiter zu verfolgen.