Jahresbericht 2007

1. Die PR-Arbeit für und von Ministerien
Der Deutsche Rat für Public Relations war 2007 mit rund 30 Vor­­fäl­len befasst. Davon führten 15 zu Ratsver­fahren, von denen im Berichtsjahr 12 Verfahren mit z. T. mehreren Be­teiligten abgeschlossenen werden konnten. Ausgespro­chen wurden zehn Rügen, zwei Mahnungen und fünf Frei­sprü­che. Dabei über­wogen Vorgänge, die auf politische Felder aus­griffen und daher von der poli­ti­schen Presse verfolgt wurden.

Öffent­liche Auf­merk­samkeit fand vor allem der Fall Flas­kamp AG (s. DRPR-Ver­fahren 12 / 2007, Anlage 1), da hier ein Bundes­mi­nis­terium als Auf­traggeber in­volviert war. Der Rat bewertete das zu verurteilende Angebot eines Koppe­lungs­ge­schäfts mehrheitlich als Ein­zelfall; eine Minderheit von vier Mitgliedern sah in dem die­sem Angebot zugrun­de liegenden Konzept einer Me­dien­part­ner­schaft das aus­lösende Übel. Sie ver­langte daher, dass auch der Auftraggeber der Agentur als mitentschei­dende Instanz belangt werde.

Während die Agentur die Ratsrüge in einer öffentlichen Erklärung umgehend ak­zeptierte (was damit zum zweiten Mal in der Geschichte des Rates geschah), sah sich das Bundeswirtschaftsministerium noch im Januar 2008 da­von nicht berührt. In einem BMWi-Bericht vom 10.1.2008 über seine Zu­sam­men­arbeit mit der Agentur Flaskamp verwies es auf seine Antwort auf eine Klei­ne parlamen­ta­rische Anfrage im September 2007. Der Code de Lisbonne der PR-Branche, so hieß es darin, sähe nicht vor, dass bei etwaigen Verstößen durch Mitglieder der jeweilige Auftraggeber hierfür in An­spruch zu nehmen ist.“ (Druck­sachen-Nr. 16/6247).

Dieser Auffassung hatte der PR-Rat in seiner Sitzung am 10. Dezember 2007 je­doch widersprochen: „Der PR-Rat bekräftigte einstimmig, dass sich Auftrag­ge­ber – anders als vom Bundesministe­rium vor­ge­tragen – nicht ihrer Ver­ant­wor­tung für die Hand­lungsweisen einer von ihnen beauf­tragten Agen­­tur ent­ziehen kön­nen. Ihre PR- und Pressereferenten unterliegen den gleichen Verhal­tens­­ko­di­zes wie alle in der Privatwirtschaft Tätigen.“

Die PR-Arbeit von Ministerien war auch Gegenstand einer heftigen öffentlichen De­batte, als bekannt wurde, dass die PR-Agentur A&B ONE PR-Aussen­dun­gen für das Bundesfa­mi­lien­ministerium durchführte. Man konstruierte Zusam­men­hän­ge zwischen dem Fall Flaskamp und dieser Agentur. Von „politischer Schleich­wer­bung“ war die Rede (SZ vom 29.8.07.), von einer „PR gegen kriti­sche Pres­se“ (TAZ 30.8.2007) und von einer „Aufruhr in der PR-Zunft“ (w&v 36/2007). Der PR-Rat wies die pauschalen Vor­würfe der Schleichwerbung und Manipulation zu­rück:

„Wenn staatliche Behörden ihre Öffentlichkeiten über die Ausgabe schrift­licher Presse­informationen hinaus mit sendefähigen Beiträgen für den Rund­funk oder Matern für Printmedien oder mit wörtlichen Zitaten einer Minis­terin und Bildma­terial be­dienen und dazu PR-Agenturen einsetzen, so ist das unanfechtbar und legitim,“ stellte der Rat in einer Verlautbarung am 31. 8.2007 fest. Solche zu­sätz­lichen Informationsmittel gehörten schon immer zu einer professio­nel­len Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, und diese zu leisten sei eine der Aufga­ben von Ministe­rien und Behörden. „Wer solche Dienste der Schleichwerbung zu­rechnet, hat Schleichwerbung nicht verstanden.“ Sie liege dann vor, wenn in Medien platzier­te Botschaften mit Geld abgegolten – erschlichen – werden, sei es durch direkte Zah­lungen oder angekoppel­te Anzeigen­aufträge.

2. Lebhafte Anhörungen
Bei der Erörterung des Falles Flaskamp und von drei weiteren Vorfällen – Be­schwer­­den gegen den Einsatz von „Mietdemonstranten“, gegen die Entsen­dung von „Leih­­beamten“ und gegen manipulierte wissenschaftliche Erhe­bun­gen – waren die Be­troffenen persönlich vor dem Rat erschienen. Damit kam es zum zweiten Mal nach 2002 zu mündlichen Verhandlungen, wie sie jeder Stan­desgerichtsbarkeit gut anstehen.

Der Vorwurf der Täuschung von Öffentlichkeiten durch manipulierte wissen­schaft­­liche Erhebungen war dabei sowohl hinsichtlich des Streitgegenstands wie der streitenden Parteien ein Novum. Erstmals waren sowohl der be­schwerde­­führende Wissenschaftler wie die Vertreter der beschuldigten Ge­sellschaft, ihr wissenschaftlicher Experte und etliche Zeugen bei der Ver­­hand­lung anwesend.

Auch war erstmals die beschuldigte Gesellschaft eine der Trägerorganisationen des Rates: die GPRA. Ihre vier Vertreter hatten daher während der Urteilsfin­dung den Ta­gungsraum zu verlassen. (s. DRPR-Verfahren 7 / 2007).

In einem anderen Anhörungsfall ging es um die Frage, ob eine PR-Aktion ge­gen die Ge­sundheits­reform mit an­ge­heu­er­ten Garderobieren als politische De­mon­stra­­tion mit fal­schen Demonstranten beurteilt werden muss. BILD hatte dem Ver­an­stalter eine bewusste Täuschung der Öffent­lich­keit vorgeworfen. Bundes­tags­ab­geordnete kritisierten die Aktion und Studenten wandten sich mit der Bitte um eine Stellung­nah­me zur Zulässig­keit von „Mietdemonstranten“ an den PR-Rat.

Der PR-Rat bekräftigte entschieden eine frühe­re Verurteilung des Einsatzes von Mietdemonstranten, sprach im vorliegenden Fall nach einer mündlichen Anhö­rung und der Prüfung der vorgelegten Presseresonanzen die Veranstalter jedoch frei. Außer BILD hatte keine Redaktion den PR-Event als politische Demonstration verstanden (s. DRPR-Verfahren 6 / 2007).

Ein drittes politisch motiviertes Thema, das dem PR-Rat angetragen wurde, be­trifft den Einsatz von Arbeitskräften in diver­sen Bundes- und Landesministerien, die ihr Gehalt nicht von diesen Ministe­rien, son­dern von privaten Organisa­tio­nen beziehen. Die MO­NITOR-Redaktion, die darüber im Monat März 2007 in drei aufein­an­der fol­gen­den Beiträgen berichtete, prägte für diesen Perso­nen­kreis den Be­griff „Leihbe­amte“. Sie erhob in den Sen­dun­gen den Vorwurf der verdeckten Einfluss­nahme auf politische oder admi­nistra­tive Ent­scheidungen zugunsten der entsendenden Firmen oder Verbände.

Der PR-Rat konnte im Berichtsjahr einen der bekannt gewordenen Vorwürfe prü­fen und die beschuldigte Firma von unzulässigen Einflussnahmen frei­spre­chen (DRPR­-Verfahren 11 / 2007, Anlage 2). In seinem Spruch begrüßte der Rat die zeitweise Entsendung von Un­ter­nehmensmitarbeitern in Ministerien und Behör­den grund­sätzlich. Sie diene dem Erfahrungsaustausch zwi­schen den öffent­­li­chen Verwal­tungen und der Wirtschaft.
Zu beachten seien dabei allerdings zwei Erforder­nis­se: Diese Mit­arbeit müsse für Presse und Öffentlichkeit transparent sein, und die entsandten Mitarbeiter dürf­ten nicht mit vertraulichen oder entscheidungsrelevan­ten Vorgängen be­fasst wer­den, die das eigene Unter­nehmen betref­fen. Bei drei dem PR-Rat noch zur Prüfung vorliegenden Fällen besteht jedoch der Verdacht, dass diesen Erfordernissen nicht entsprochen wurde.

3. Vortäuschung großer Anhängerschaften
Im Lobbygewerbe werden bisweilen Anhängerschaften für Gesetzesinitiativen vor­­ge­täuscht, um Parlamentarier oder Behörden zu beeindrucken. Ein Berliner Politikberater gab gegenüber Abgeordneten und im Internet vor, namens einer sogenannten „Koalition pro Patienteninformation“ für die Freigabe werblicher Pro­duktinformationen für Patienten einzutreten. Dabei handelte es sich nach seinen Internet-Angaben und Auskünften um „ein Netzwerk aus Patientenver­bänden und Einzel­perso­nen aus Deutschland,“ die „55.000 Pa­tien­­­ten“ reprä­sen­tier­ten.
Der Beschuldigte konnte gegenüber der Öffentlichkeit weder seine Finanzquel­len noch die Träger seiner Koalition offen legen. Die angegebenen Patienten­ver­bän­de stritten gegen­über dem PR-Rat in der Mehrzahl ihre Teil­­nahme an dieser Ko­a­lition ab. Der PR-Rat sprach gegenüber dem Politikberater daher eine öffent­liche Rüge aus (s. DRPR-Verfahren 10 / 2007, Anlage 3).

4. Weitere Schleichwerbungsfälle
Sogar unter den behandelten Schleichwerbungsvorgängen befand sich diesmal eine nationale Behörde: die Bundesagentur für Arbeit. Der PR-Rat sah sich da­durch im Berichtsjahr zu einer weiteren politischen Feststellung veranlasst: „Sieht man es kritisch aus ge­sell­schaftspoliti­scher Perspektive, wurde mittels der The­men­platzierungen heimlich Staats­fern­sehen betrieben.“ (DRPR-Ver­fahren 5 / 2007).

Mit der Ausfertigung der letzten bis dahin noch offenen Schleichwerbungsur­tei­le (7 Rügen und ein Freispruch in 2007) glaubte der PR-Rat alle Altfälle abge­ar­beitet zu haben, die seit der Auf­spü­rung der ersten Themen- und Produktplat­zierungen in der ARD-Serie Marienhof im Jahre 2005 ange­fallen waren. Seine Quellen waren dabei vor allem die veröf­fent­lichten Listen einer Clearingstelle, die die ARD zur Aufklä­rung der Vorfälle ein­gerichtet hatte.

In diesen ARD-Listen waren in einigen Spalten Produktnamen oder Krankhei­ten ange­führt, de­nen keine Veranlasser zugeordnet werden konnten. Diese Zu­ord­nun­gen sind seit Herbst letzten Jahres möglich. Durch Recher­chen des STERN-Redakteurs Markus Grill wurde ein interner Projektbericht der vom Rat mehrfach gerügten Agentur K+W bekannt, der für die 2002 gesendete ARD-Serie „In aller Freundschaft“ sowohl die Themen und ihre Aus­strahlungs­termine wie die veran­las­sen­den Firmen und die Zahl ihrer bestellten Folgen auf­listet. Pro Folge waren 30.000 E fällig.

Die Beschwerdekammer III des PR-Rats wird jetzt daher erneut seine Recher­che­­arbeit aufnehmen müssen. Waren bisher vor­neh­m­lich Wirtschaftsverbände zu beurteilen, so stehen jetzt etliche Firmen vor den Schranken des Rats.

Der Deutsche Presserat sprach im März 2007 acht Rügen gegen Printmedien aus, die nach seinen Maßstäben Schleichwerbung betrieben hatten. Beispiele: Bei einer BILD-Ausgabe wurde die Schlagzeile gerügt: „Al­di-Ur­laub“ (BILD hat gegen diese Rüge protestiert; es handele sich um eine legitime Leser-Informa­tion). Bei der NORD­WEST ZEITUNG wurde bei der Mel­dung über einen neuen Vertriebsweg für Au­tos in einer Marktkette die Nennung der Firmen, die Preise der Fahrzeuge und der Link zu deren Inter­net­seite ge­rügt. Die Zeitschrift GO LONGLIFE hatte eine Anzeige des Sultanats Oman ne­ben einen Rei­sebericht über dieses Land gestellt. Wie schon bei anderen Sprüchen des Presserats da­vor und danach wurden diese Vorfälle daraufhin auch vom PR-Rat geprüft.

Der Presserat hatte dem PR-Rat dazu bereitwillig sein Beweis­ma­terial zur Ver­fügung gestellt und in seinem Begleitschreiben be­tont, dass der Presserat nicht prüfe, ob für ein auffälliges Pla­ce­ment Geld ge­flos­sen ist. Für den PR-Rat ist dieses Krite­rium jedoch entscheidend. PR-Ratsrügen können nur dann gegen Veranlasser oder Auslöser von Firmen- oder Produkt­nach­richten in Printmedien ausgespro­chen werden, wenn es sich um bezahlte (er­schliche­ne) Plat­zie­run­gen handelt.

Der PR-Rat sah daher bei den vorge­leg­ten Vorfällen keinen Handlungsbedarf. Selbst im Falle der Zeitschrift GO LONGLIFE fand sich die Anzeige des Sulta­nats Oman auch in den folgenden Ausgaben – ohne redaktionelle Informatio­nen über das Land. Von einem Koppelungsgeschäft ging der PR-Rat daher nicht aus.

Diese acht Recherchen wurden in der Sta­tistik der DRPR-Verfah­ren (s.o) nicht mit­gezählt. Nicht mitgezählt wurden auch fünf Anfragen, die im Rat besprochen wurden, ihn aber nicht zu förmlichen Verfahren veranlassten, darunter eine vom Rat erheischte Stellungnahme zu Ausbildungsvideos der Bun­deswehr, die in der New Yorker Bronx Empörung ausgelöst ha­ben sollen.

5. Üble Nachreden
In der PR-Zunft wird zur Zeit über etliche neuere Usancen diskutiert, die als ver­­­­werflich angesehen werden oder zumindest das Image des PR-Berufs be­schä­di­gen könnten. Neu ist z. B., dass sich einzelne Vorstandsmitglieder von DAX-Un­ter­­nehmen ne­ben den in­ter­nen Pres­seabtei­lun­gen ihrer Häuser geson­derte freie Kommuni­ka­tions­bera­ter halten. Ihre Aufträge bleiben auch haus­intern meist ge­heim; im Be­richts­jahr wurden sie nur einmal im Falle einer HV-Auskunft ak­ten­­kun­­dig.

Ein solches Verhalten läuft nicht nur den Regeln der internen Corpo­rate Go­ver­nance zu­wi­­der, sondern widerspricht auch dem Transparenzgebot, das je­glicher Pressearbeit zugrunde liegt. Gravierender als solche Beauftragungen er­schei­nen jedoch deren Zielsetzungen. Wirtschaftsjour­na­lis­ten haben gegen­über Ratsmit­glie­dern glaub­würdig vor­ge­bracht, in jüngster Zeit häu­fi­ger in of­fensichtlich intri­ganter Absicht mit üb­len Nachreden angegangen wor­den zu sein. Sie prägten für diese Ansinnen die Begriffe „Borderline-PR“ oder „Schwar­ze PR“.

Der PR-Rat erörterte daher in bisher zwei Sitzungen die Frage, ob solche Vor­komm­­nisse konkretisiert werden können. Auch müssten sie gegenüber der Ar­beit von Spezialagenturen für Finanzkommunikation abgegrenzt werden. Im Berichts­jahr lag dem PR-Rat nur ein Fall von übler Nachrede zur erneuten Be­urteilung vor; und dieser konnte auch nur durch die neuerliche Einsicht in ein „Dossier“ zu einer Rüge führen (DRPR-Verfahren 9 / 2007). Der Rat wird sich mit diesen Entwicklungen erneut befassen, wenn dazu neue Erkenntnisse vor­liegen.

6. Das Ratsjubiläum
Die 20-Jahrfeier des Deutschen Rates für Public Relations fand am 10. Oktober 2007 in der rheinland-pfälzischen Landesvertretung in Berlin statt. Vor einem mit vielen erlauchten Gästen gefüllten Saal, darunter etlichen früheren Rats­mit­glie­dern wie Wolfgang Reineke, dem Vorgänger des amtierenden Vorsitzen­den, hielt Prof. Dr. Otfried Jarren einen Festvortrag über „Governance in der Kom­muni­ka­­tions- und Medienbranche“. Der Sprecher des Deutschen Presse­rats Fried von Bismarck hob in seinem Grußwort die Gemeinsamkeiten beider Räte hervor. Der Sprecher der Global Alliance for Public Relations Toni Muzi Fal­coni verkündete die Absicht, das so erfolgreiche deutsche PR-Ratssystem europaweit einzu­füh­ren.

Die anschließende Podiumsdiskussion unter der Moderation von Prof. Dr. Gün­ter Bentele befasste sich mit der Frage: „Sind Räte zahnlose Tiger?“ Neben Prof. Dr. Volker Wolff nahmen daran Jürgen Pitzer für den PR-Rat, Lutz Till­manns für den Presserat und Volker Nickel für den Werberat teil. In seinem Schlusswort dank­te der Ratsvorsitzende allen Mitwirkenden. Es habe ihn be­sonders gefreut, dass die drei großen deutschen Kommunikations-Räte wieder einmal einträchtig neben einander auf einem Podium saßen und sich mit ge­meinsamen Problemen befassten. Für alle aber gelte das Fazit, das Otfried Jarren am Ende seiner Fest­an­sprache gezogen habe: Sie sind auf gutem We­ge.

Der Rat hatte zu diesem Anlass eine Festschrift des DRPR vorgelegt, die von et­­lichen PR-Agenturen und Kommunikationsstellen durch Anzeigen gesponsort wur­de. Unter dem Titel „Selbstkontrolle im Berufsfeld Public Relations“ bringt sie eine historische Darstellung der ersten 20 Jahre des PR-Rates. Auch bietet sie alle zur Zeit gültigen Kodizes und Verhaltensrichtlinien der PR-Bran­che sowie die Namen aller bisherigen PR-Ratsmitglieder. Patrick Hacker vom Lehrstuhl Prof. Bentele in Leipzig, hatte die Texte geschrieben und die Doku­mente zusammen­gestellt.

Horst Avenarius

DRPR-Vorsitzender
20. Februar 2008

Anlage 1:

DRPR-Verfahren 12 / 2007: Angebot eines Koppelungs­ge­schäfts
Ratsrüge gegen die PR-Agentur Flaskamp AG

Der Vorfall:
Am 10. August 2007 berichtete der Kölner Stadtanzeiger, ihm sei­en durch die PR-Agentur Flas­kamp öffentliche politische Veranstaltungen und Redak­tions­­besuche eines Staats­sekretärs des Bundeswirtschaftsministeriums angeboten worden, die mittels Anzeigen „ge­gen­finanziert“ werden sollten. Dabei könne es sich um Summen bis 40.000 Euro handeln. Die Berichterstattung sollte in der Gesamt­ausgabe erfolgen. Ein Beispiel, in dem die mögliche Gegenfinanzierung durch Anzeigen erkennbar sei, habe dem Angebot beigelegen: das der Märkischen Allgemeinen Zeitung.

Das Urteil:
Frankfurt, 10. Dezember 2007. Der PR-Rat fand die Darstellung des Kölner Stadt­anzeigers nach eingehender Prüfung der von ihm, von der Agentur, vom DIHK und dem Bundeswirtschafts­minis­teriums vorgelegten Auskünfte und Doku­mente und nach einer Anhörung des Agenturchefs zu­tref­fend. Ein Agentur­mit­arbeiter hatte dem Kölner Stadtanzeiger eine Gegenfinanzierung von redak­tio­nellen Berichten über eine Kampagne des Bundeswirtschaftsministeriums durch Anzeigen dieses Minis­teriums und einer IHK angeboten.

Solche „Koppelungsgeschäfte“ widersprechen dem Transparenzgebot, das aller PR-Pressearbeit zugrunde liegen muss. Der PR-Rat sprach daher gegen die Agen­tur Flaskamp AG mehrheitlich eine öffentliche Rüge aus. Die Agentur Flas­kamp AG akzeptierte den Ratsspruch umgehend mit einer öffentlichen Erklärung.

Der PR-Rat beschränkte sich auf einen aktenkundlichen Einzelfall. Er sah mehr­heitlich von der Ver­urtei­lung des Medienkooperationskonzepts der Agentur ab. Um ein solches zu beurteilen, bedarf es nach Ansicht der Mehrheit noch zu for­mu­lierender geeigneter Maß­stäbe; eine Ver­haltensrichtlinie solle dazu jetzt erar­bei­tet werden.

Minderheitsvotum:
Vier Ratsmitglieder sprachen sich für die Verurteilung des Gesamtverhaltens der Agentur aus. Sie sahen in der Konstruktion sogenannter Medienkooperationen ihr entscheidendes Fehlverhalten. Die gan­ze Kam­pagne sei darauf angelegt ge­wesen, mediale Berichterstattung durch Anzeigen zu er­zeu­gen. Da­her müsse auch der Auftraggeber, das Bundeswirtschaftsministerium, zur Rechenschaft ge­zo­gen werden.

Der PR-Rat bekräftigte einstimmig, dass sich Auftraggeber – anders als vom Bun­­des­ministerium vor­ge­tragen – nicht ihrer Verantwortung für die Hand­lungs­weisen einer von ihnen beauftragten Agen­­tur ent­ziehen können. Ihre PR- und Pressereferenten unterliegen den gleichen Verhaltens­ko­di­zes wie alle in der Pri­vatwirtschaft Tätigen. Aber im vorliegenden Fall war nicht das dem Auftrag­geber vorgelegte Konzept, sondern eine einzelne Handlung zu beurteilen.

Die Urteilskriterien des PR-Rates
1. Koppelungsgeschäfte mit Anzeigenplatzierungen gegen redaktionelle Bericht­er­­­stat­­tung sind nicht statt­haft. Der PR-Rat bezieht sich hierbei auf den Code de Lis­bonne und seine Richtlinie über Pro­duct Placement und Schleichwerbung:
Jeder Versuch, die Öffentlichkeit oder ihre Repräsentanten zu täuschen, ist nicht zu­läs­sig. Informa­tio­­nen müssen unentgeltlich und ohne irgendeine verdeckte Be­loh­nung zur Verwendung oder Ver­öffent­li­chung bereitgestellt werden (Code de Lis­­bonne, Art. 15).
Öffentlichkeitsarbeiter bekennen sich zum Prinzip der klaren Trennung von Wer­bung und Redaktion bzw. Programmgestaltung in den Medien. Der Deutsche Rat für Pub­lic Relations … bekräftigt daher in Überein­stimmung mit dem Deutschen Presserat das Verbot der Schleichwerbung. Diese ist ge­ge­ben, wenn für Medien­konsumenten nicht ersichtlich ist, dass sie mit einer bezahlten Werbebotschaft kon­frontiert sind…. Neben­absprachen, die darauf abzielen, die Rechte und Frei­heiten von Redak­tion und Regie einzu­schrän­ken, sind sittenwidrig ( DRPR-Richt­linie über Product Place­ment und Schleich­­wer­bung)
2. Nicht jeder Parallelität von Anzeigen und redaktionellem Bericht zum gleichen Ge­­gen­­stand muss ein konkretes Geschäft zugrunde liegen. Beispiel: Automo­bil­firmen schalten in fast jeder Ausgabe der Zeit­schrift Auto/Motor/Sport eine Anzei­ge und werden parallel sehr häufig redaktionell bespro­chen. Die AMS-Leser se­hen in der Regel in solchen redaktio­nel­len Texten keine verkappten Werbe­bot­schaf­ten sondern kriti­sche Berichte.
3. Erscheinen hingegen in einem Medium normalerweise keine Anzeigen eines Inse­ren­­ten, dann aber parallel zu einem diesen Inserenten betreffenden Bericht, so kann ein Koppelungsge­schäft ver­mutet werden.

Die Urteilsbegründung:
Gegen die Agentur Flaskamp AG wurde erstens der Vorwurf erhoben, dem Köl­ner Stadtanzeiger ein Koppelungs­ge­schäft angebo­ten zu haben (1) und zwei­tens, dass dies faktisch ein Bestandteil des Kampa­gnen­kon­zep­­tes war (2).
(1) Zum erstgenannten Vorwurf lagen dem Rat die Aussagen der beiden Haupt­akteure, Antonius Flas­kamp für die Flaskamp AG, und der Rechtsabteilung des Verlags M DuMont Schau­berg vor. Sie sind in Teilen deckungsgleich und unter­scheiden sich vor allem in Interpretation und Bewertung des Vorgefal­le­nen. Das Angebot kann als belegt gelten. Für den DRPR zu bewerten war in erster Linie ein Satz aus einer Email eines Mitarbeiters der Flaskamp AG an einen Verlags­vertre­ter vom 20.7.2007:
„Die Berichterstattung soll in der jeweiligen Gesamtausgabe erfolgen. Anhand des be­i­ge­fügten Bei­spie­les der MAZ können Sie die möglichen Gegen­finan­zie­rungen er­kennen (Anzeigen).“ Dazu er­klärte Herr Flaskamp dem DRPR am 4.10.07.: „Dass dieser missverständliche Satz ein Feh­ler war, haben wir einge­räumt und uns öffentlich dafür entschuldigt.“
Es sei der Fehler der Agentur allein gewesen, hatte Flaskamp schon vorher ge­genüber anfragenden Medien ge­äußert: „Das war nicht mit unserem Auftragge­ber ab­­gestimmt.“ (SPIEGEL ON­LINE, 12. 8. 2007).

Beim erstgenannten Vorwurf waren daher für den PR-Rat die Tatbestände ein­deu­tig: Nicht beim Mi­nis­te­rium, sondern bei der Agentur lag das Fehlverhalten. Dass es ein einzelner tat, war dabei nicht aus­schlaggebend. Der Rat beurteilt nur das Verhal­ten von Organisationen, nicht das von Einzelpersonen. Da er nicht über die Ermittlungs­be­fugnisse von Staatsan­wäl­ten verfügt, kann es nicht seine Auf­gabe sein, Einzelverantwortungen in beklagten Organi­sa­tionen auszumachen und autonome Verhal­tens­mög­lichkeiten – ein eventuell eigenmächtiges Handeln – aus­zuloten.

(2) Zum zweiten Vorwurf – einem falschen Kampagnenkonzept – prüfte der PR-Rat die ihm vor­ge­leg­­ten Dar­stel­lungen der Kampagne und die bis zum Vorfall ge­schehenen Ab­läufe:
Im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) hatte die Flaskamp AG im Juni 2007 eine „Dialog­tour“ als Teil einer Mittelstandsinitiative gestartet. Laut Web­site des BMWi be­gann diese Tour am 15. Juni in Nürn­berg, weitere Veran­staltungen in größe­ren und mitt­le­ren deutschen Städ­ten sollten folgen. Bestand­teile dieser „Dialogtour“ waren Unternehmensbesuche eines BMWi-Staatsse­kre­tärs oder parla­men­tarischen Staatssekretärs, Diskus­sions­veranstal­tun­gen bei IHKs, Te­le­fonaktionen mit BMWi-Experten sowie Presse­gespräche und eine lo­ka­le oder regionale Anzei­gen­kampagne.
Media­­­par­tner dieser Ak­tio­nen sollte die für die Region ge­eig­neteste Tageszei­tung sein. Der DIHK beschrieb in einem Rundbrief vom 1. Juni 2007 an seine Mitglieder das Projekt als eine „Dia­logtour & Anzeigenkampagne des BMWi“:
„Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) plant in Koope­ration mit einigen IHKs eine „Dialogtour“ und eine „Nationale Anzeigenkam­pa­gne“…. Das BMWi tritt direkt mit einigen IHKs in Kontakt und bittet die IHKs um Mitarbeit.“
Dieser DIHK-Rundbrief enthält u. a. einen Absatz über „Begleitende Pressearbeit im Detail“:
Kooperation mit der wichtigsten regionalen Tageszeitung (Vorabstim­mung relevanter Themen, Re­daktionsbesuch, Expertentelefon, Schal­tung einer Eckfeld­anzeige mit Terminankündigung, Mo­deration durch den Chefredak­teur, begleitende Berich­terstat­tung, auch im Internet)
Einladung der übrigen regionalen Medien (Print, Hörfunk, TV) zur Be­glei­tung der Firmenbe­su­che bzw. zur Diskussionsrunde. Vermittlung von In­terviewkontakten, Ausgabe einer Presse­map­pe mit allen relevanten In­for­mationen zur Mittelstands­politik des Ministeriums, Betreuung der Jour­na­li­s­ten am Ifostand durch PR-Berater der Agentur
Einbeziehung der Kammermedien
Zur ersten Station der Tour in Nürnberg gab es nach Auskunft von Herrn Flas­kamp gegenüber dem DRPR keine Medienpartnerschaft. Anzeigen wurden, wie von der Agentur gegenüber dem DRPR be­­legt, in zwei Medien geschaltet: in den Nürnberger Nachrichten und in BILD Nürnberg. Über die re­dak­tionelle Berichter­stattung in diesen Medien lagen dem DRPR keine Informationen vor.
Bei der zwei­ten Station der Tour am 11. Juli 2007 in Potsdam war die Märkische Allgemeine Zei­tung (MAZ) der Medien­partner. Sie berichtete in aller Ausführ­lich­keit. BMWi- und IHK-Anzei­gen wurden im ent­sprechenden Zeitraum flan­kierend zur Tour geschaltet, wie aus einer Dokumentation der Flaskamp AG hervor geht, die dem DRPR vorgelegt wurde. Berichtet wurde wie folgt:
„Ein Maßnahmenbündel für die kleinen Unternehmen…“ (05. Juli), „Der Osten braucht auch weiter­hin eine besondere Förderung. Staatssekretär Walter Otrem­ba…“ (Interview 05.Juli), „Mittelstand im Fo­kus Dia­log­tour des Wirtschaftsminis­te­riums“ (9. Juli), „Staats­sekretär diskutiert mit Mittelständ­lern“ (11. Juli), „Der mär­kische Mittelstand ist bester Laune. Auf seiner „Dialogtour“ darf sich Staats­sekretär…“ (13. Juli)
Anzeigen des BMWi erschienen in der MAZ am 7./8. Juli, 10. Juli und 11. Juli; An­zeigen der IHK Pots­dam am 12. Juli. Der Geschäftsführer der Zeitung Peter Asmussen kommentierte diese Zu­sam­men­arbeit am 13.8.2007 in der TAZ: Man habe die Chance nutzen wollen, das Thema exklusiv aufzugreifen. Aber: „An­zei­gen waren in keiner Weise Teil des Gesamtdeals.“ Es seien zwar von der Agen­tur Flaskamp Anzeigen geschaltet worden, dies sei aber erst nach der Veran­stal­tung geschehen. Und dass der Chefredakteur Veranstaltungen moderiere, an de­nen die Potsdamer IHK beteiligt ist, sei nicht unüb­lich.
Für die Mehrheit der PR-Ratsmitglieder boten die schriftlichen Anregungen des DIHK an seine Mit­glie­der bezüglich der begleitenden Pressearbeit (s.o.) kei­nen Anlass, die inten­dier­te Me­dien­­­part­ner­schaft zu inkriminieren. Wenn in diesem DIHK-Rundbrief von „Eckfeldanzeigen mit Terminan­kün­di­gung“ gesprochen wer­de, lasse das nicht auf eine Aufforderung an die IHKs schlie­ßen, dem ausge­wähl­ten Verlag Koppelungsgeschäfte anzubieten. Auch die Aussage des Ge­schäftsführers der Mär­kischen Allgemeinen Zeitung schließe eine derartige ge­ne­relle Intention der Agentur aus. (Min­der­heitsvotum s.o.)

Anlage 2:

DRPR-Verfahren 11 / 2007: Abordnung von Mitarbeitern in Ministerien und Behörden
Freispruch für die Fraport AG

Der Vorfall:
Die Redaktion des Magazins MONITOR berichtete in einem Beitrag vom 18. Ja­nuar 2007, dass Mitarbeiter der Fraport AG im hessischen Wirtschafts- und Ver­kehrs­ministerium direkt mit der Genehmigung von Nachtflügen befasst sind. Es wurde ihnen unterstellt, dass sie damit absicht­lich und zum Vorteil der Fraport AG dem bundesweit geltenden Nachtflugverbot entgegenwirk­ten. Schon in einer MONITOR-Sendung vom 19. Oktober 2006 war behauptet worden, im Bun­des­ver­kehrsministerium eingesetzte Mitarbei­ter der Fraport AG hätten Einfluss auf das Gesetz­gebungsverfahren zu einem bundesweiten Nachtflug­verbot („Flug­lärmgesetz“) genommen.

Das Urteil:
Frankfurt, 10. Dezember 2007. Der Verdacht einer unzulässigen Einflussnahme der Fraport AG zu ihren privaten Gunsten konnte weder im Falle des hessischen Verkehrsministeriums noch im Falle des Bundesver­kehrs­ministeriums erhärtet werden. Die Fraport AG wurde von beiden Vorwürfen freige­spro­chen.

Die zeitweise Entsendung von Un­ter­nehmensmitarbeitern in Ministerien und Be­hörden ist nach Ansicht des PR-Rates grundsätzlich zu begrüßen. Sie dient dem Erfahrungsaustausch zwi­schen der öffentlichen Verwaltung und der Wirtschaft. Zu beachten sind dabei zwei Erforder­nisse: Diese Mit­arbeit muss für Presse und Öffentlichkeit transparent sein, und die entsandten Mitarbeiter dürfen nicht mit vertraulichen oder entscheidungsrelevanten Vorgängen befasst werden, die das eigene Unter­nehmen unmit­tel­bar betreffen.

Die Urteilsbegründung:
1. Zur Entsendung von Fraport-Mitarbeiter ins Bundesverkehrsministerium in Berlin: Die Bundes­regie­rung hat die Mitarbeit von Angestellten der Fraport AG im Bundesverkehrs­mi­nisterium in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage bestätigt und erläutert (Drucksachen 16/3395 und 16/3727): „Die externen Be­schäftigten bekom­men grund­sätzlich keine Aufgaben zur selb­ständigen und abschließenden Erledigung zugewie­sen. Mit ihrem spezifischen Fachwissen un­terstützen sie im Rahmen des Möglichen und Ver­tret­­baren die laufende Referatstätigkeit insbe­sondere durch den Erfahrungs­austausch. Eine kon­krete Zuordnung von Arbeits­ergebnissen zu einzelnen Personen ist daher grundsätzlich nicht möglich.“
„Im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung arbeiten die Mit­arbeiter der Fra­port AG, des Flughafens Köln/Bonn GmbH und der Deutschen Flugsicherung GmbH insbeson­dere an aktuellen Themenstellungen mit, die im Zusammenhang mit spezifisch technischen, si­cherheitsrelevanten und luftrecht­lichen Fragestellungen stehen. Ein pensionierter Mitarbeiter des Deutschen Aero Clubs e. V. berät vom Juli bis November 2006 in Bezug auf notwendige Ver­bes­serungen im Lizensierungswesen des Luftsports und arbeitet beratend an einem Roh­ent­wurf der 3. Änderungsverordnung zur Änderung luftrechtlicher Vor­schrif­ten über Anforderun­gen an das Luftfahrtpersonal (Luftsportler) mit.“
„Eine inhaltliche Einflussnahme auf Entscheidungen und die Gesetzgebungsvor­schläge der Bun­desregierung wird durch die Einbindung der externen Mitarbei­te­rinnen und Mitarbeiter in die hierarchischen Strukturen der Ministerien und der da­durch vorhandenen Kontrollme­chanis­men ausgeschlossen. Zudem werden die betreffenden Personen auf gewissenhafte Erfüllung ihrer Obliegenheiten und auf Verschwiegenheit über alle Angelegenheiten, die ihnen bei der Tätigkeit in den obersten Bundesbehörden bekannt werden, verpflichtet. Insbesondere ist ge­währ­leistet, dass ihnen zur selbständigen und abschließenden Erledigung keine Aufgaben über­tragen werden, die die entsendenden Verbände und Unternehmen betreffen. Darüber hinaus achten die unmittelbaren Vorgesetzten darauf, dass Interessenkonflikte ausgeschlossen werden.“
Die Fraport AG hat gegenüber dem PR-Rat die Entsendung eines Mitarbeiters in das BmVBS ebenfalls be­stätigt: Dieser habe dort bis zum 31.12.06. fünf Jahre je­weils einen Tag in der Wo­che gearbei­tet, aber nicht am Fluglärmgesetz. Zudem war ein Mitarbeiter der Fraport AG im Aus­tausch gegen eine dortige Mitarbeiterin in der Staatskanzlei tätig, wobei „eventuelle Interes­sen­kol­lisionen ausgeschlos­sen“ wurden.

2. Zur Entsendung von Fraport-Mitarbeiter in die örtliche Luftaufsichtsstelle des Flughafens Frank­furt: Die Fraport AG erteilte dem PR-Rat mit Schreiben vom 30.7.07. umfassende Aus­künfte. Sie wies darauf hin, dass am Flughafen Frank­furt/Main weit­reichende Nacht­flug­be­schränkungen von Mit­ternacht bis 05:00 Uhr gel­ten. Selbst für Home-Base-Carrier wie Lufthan­sa oder Condor, für die es Aus­nahmen gibt, gelte ein Nacht­lan­deverbot zwischen 1 und 4:00 Uhr.
In begründeten Fällen könne das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landes­ent­wicklung (HMWVL) als Geneh­mi­gungsbehörde für näher be­stimm­te Flüge auf Antrag Aus­nah­men zulassen. Doch diese müs­sten gut be­grün­det sein: Zu den Ausnahmen zählen Not­fälle: Lan­dungen von Flugzeugen, die aus meteorologischen, technischen oder sicherheits­tech­ni­schen Gründen Frankfurt/Main als Ausweichflughafen anfliegen, Vermessungsflüge unter be­sonderen Umständen und ohne eigenes Verschulden verspätete Flüge, die aus humanitären Gründen zugelassen werden; et­wa, wenn Kinder oder Kranke an Bord sind und die Maschine schon mehr als 10 Stunden un­terwegs ist.
Die Anträge sind in der Regel direkt ans Landesministerium zu richten und nur in Not- und Eil­fällen an die örtliche Luftaufsichtsstelle direkt am Flughafen. Diese Luft­aufsichts­stel­le über­nimmt außerhalb der Dienstzeiten des Ministeriums die Zulassung von Nachtflügen. Sie ist rund um die Uhr von Mitarbeitern der Fraport AG besetzt. Diese Mitarbeiter nehmen damit „Auf­gaben der Luftaufsicht“ wahr, sind dabei aber aus­schließ­lich an vorliegende Wei­sungen des (nachts nicht be­setzten) HMWVL gebunden. Bei „sehr seltenen Unregel­mäßig­keiten“ würden Ord­nungs­widrigskeits-Ver­fahren durch das Ministerium angestrengt. Nach glaub­hafter Aus­kunft der Fra­port AG sah das Ministerium bislang jedoch keinen Grund zu Be­an­­standungen oder die Gefahr eines Miss­brauchs.
Wegen des Vorwurfs, die Politik habe mit dem System der Entsendung von Fra­port-Mitarbei­tern Strukturen geschaffen, die die Nachtflugbeschränkungen in der Praxis ad absurdum füh­ren, be­fasste sich der PR-Rat auch mit diesem Aspekt der Beschwerde. Er stellte fest, dass die aktuel­le Diskussion um den Nacht­flug­verkehr komplex und facettenreich ist. Dabei geht es um „nor­male“ Nachtlande­genehmi­gun­gen, nicht um die genannten „Notfäl­le“. Aktu­ell fordert die Luft­­hansa allein für ihre Flotte 41 Nacht­flüge bis 2020. Die Diskussion dreht sich dabei einer­­seits um die Definitionen von „Nacht“ (von 22 bis 6 Uhr oder von 23 bis 5 Uhr) und „Fluglärm“ und bei letzterem um ein vom früheren hessischen Ver­kehrs­minister eingeführtes Punkte­sys­tem; ande­rerseits spielt dabei auch der Aus­bau des Flug­hafens mit weiteren Lande­bahnen eine Rolle.
Das hessische Verkehrsmi­nisterium kann eher zu den Befürwortern von Nacht­flü­gen gerechnet werden. Die Fraport AG hingegen hat in den Planfest­stellungs­unterlagen ein Nachtflugverbot be­antragt. Sie hofft dadurch mehr Unterstützung für ihre Aus­bau­pläne zu finden. Auf sie könnte der ge­äußer­te Vorwurf daher nicht zutreffen.

Anlage 3:

DRPR-Verfahren 10 / 2007: Nichttransparenz bei Lobby­aktionen
Ratsrüge gegen Jan Burdinski

Der Vorfall:
Der Berliner Politikberater Jan Burdinski gab gegenüber Abgeordneten und im In­ternet vor, namens einer sogenannten „Koalition pro Patienteninformation“ für die Freigabe werblicher Produktinformationen für Patienten einzutreten. Bei die­ser Koalition handelte es sich nach seinen Angaben im Internet (Stand 28. 9. 06.) um „ein Netzwerk aus Patientenverbänden und Einzel­personen aus Deutsch­land… Unsere Verbände und Unterstützer repräsentieren 55.000 Patien­ten“. Ziel sei es, eine fraktionsübergreifende Arbeitsgruppe im Deutschen Bundestag und im Europäischen Parlament zu schaffen, die „politischen Druck auf die Kommis­sion ausübt“, damit es bis ca. 2010 zu einer „Abstimmung über gesetzliche Neu­regelung im Europäischen Parlament“ kommt.
Zwei der drei von Jan Burdinski angegebenen Patientenverbän­de stritten gegen­über dem PR-Rat ihre Teil­­nahme an dieser Koalition ab. Der dritte verweigerte eine Auskunft. Herr Burdinski legte seine Finanzquellen nicht offen.

Das Urteil:
Frankfurt, 10. Dezember 2007. Jan Burdinski konnte gegenüber der Öffentlich­keit weder seine Finanzquellen noch die Träger der „Koalition pro Patienteninfor­ma­tion“ offen legen.
Dieses Verhalten widerspricht jeder fairen Kommunikation im Lobbyismus. Der Verstoß ist als schwerwiegend und vorsätzlich zu bewerten. Der PR-Rat spricht daher gegen den Politikberater Jan Burdinski eine öffentliche Rüge aus. Er be­zieht sich dabei auf die Ratsrichtlinie zur Kontakt­pflege im politischen Raum:
Public Affairs-Berater und Lobbyisten tragen dafür Sorge, dass ihre Organisation, ihre Interes­sen und ihre hauptsächliche Arbeitsweise (z.B. Lobbying, Pressear­beit, Veranstaltungen etc.) in geeigneter Weise öffentlich gemacht werden (1.1).
Public Affairs-Berater und Lobbyisten haben ihren politischen Gesprächspartnern ihre Auf­trag­­ge­ber, sowie ihre und deren Interessen jeweils offen zu legen (1.2).

Die Urteilsbegründung:
Trotz der schriftlichen Befragung des Herrn Burdinskis blieb unklar, wer seine Ko­a­lition bildet. Der PR-Rat erachtete seine Bereit­schaft zur Aufklärung des Sachverhalts als gering, da er an Behaup­tun­gen fest­hielt, die den Rat nicht über­zeugten. So bestritten zwei von drei im Webauf­tritt der Ko­alition und in der dort veröffentlichten Pressemeldung genannten Trägerverbände glaubhaft eine Trä­gerschaft und jede finanzielle Beteiligung. Auch die dritte Organisation stützte Jan Burdinski nicht; statt sich zu seiner Koalition zu bekennen, ver­weigerte sie schlicht eine Aussage zum kompletten Vorgang.
Der von Herrn Burdinski geäußerte Einwand, die von ihm ge­nannten Trä­ger­ver­bän­de hätten ihre Beteiligung selbst verschleiern wollen, trifft nur auf diesen – eventuellen – Träger zu. Akten­kundig ist je­doch, dass die beiden anderen Ver­bän­de Herrn Burdinski gegenüber eine Nennung als Mitglieder der Koalition ver­weiger­ten und diese, soweit trotzdem geschehen, zu keinem Zeitpunkt autori­siert hatten.
Offen bleibt die Frage, wer die Koalition bildet und finanziert und wer Herrn Bur­dins­ki mit ihrer Vertretung beauftragt hat. Vom Beschwerdeführer wurde der Ver­dacht geäußert, die Vorge­hens­­weise und die speziell ausgewählten medizini­schen resp. pharmazeutischen Segmente, die in diesem Bündnis gesammelt wur­den, legten eine Finanzierung durch einen oder mehrere Phar­­makonzerne nahe. Diesen Verdacht hegte auch der Bundesselbsthilfeverband für Osteo­po­ro­se e.V., ohne ihn belegen zu können; vgl. sein Schreiben vom 15. August 2007 an den PR-Rat: „Gleichzeitig wurde für den Fall, dass sich der Verdacht, die Phar­maindustrie würde die Koali­tion unterstützen, (erhärtet,) die Distanzierung des Bun­desselbsthilfeverbandes für Osteo­porose e.V. an­gekündigt.“
Daher muss der Vorgang als verdeckte Kommunikation für unbekannte Absen­der und damit als schwerwiegenden Verstoß gegen die Kodizes eingestuft wer­den.
Herrn Burdinski wurde auch vorgeworfen, bei der Information von Bundestags­ab­geordneten be­wusst falsche Darstellungen verbreitet zu haben. Der von ihm be­nutzte Präsenter liegt dem PR-Rat vor. Darin ist eine Veränderung der Argu­men­tation ab Oktober 2006, vermut­lich auf­grund der damals einsetzenden kritischen Nach­fra­gen durch einzelne Abgeordnete, dokumentiert. Herr Burdinski selbst spricht von einer Präzisierung seiner Aussagen. Die davon abweichende Ein­schät­­zung eines Abge­ordne­ten­büros kann politisch motiviert sein.
Es ist nicht Aufgabe des Rates, die politische Bewertung eines Sachverhaltes als falsch oder richtig darzustellen. Allerdings bleibt zu beanstanden, dass die verän­derten Formulierungen der Präsentation keinen Eingang auf die Website der Koa­lition gefunden haben. Der Rat ermahnte Herrn Burdinski und die „Koalition pro Patienteninformation“ daher, in Abgeordnetengesprächen verwendete Präzi­sierungen der eigenen Position auch öffentlich zu verwenden. Insbesondere em­pfahl der Rat Herrn Burdinski und der „Koalition pro Patienteninformation“, an­ge­sichts des Um­stands, dass die Arbeit der Koalition angeblich ausgelaufen ist, die Website zu deaktivieren, um weitere Irritationen zu vermeiden. Dies ist inzwi­schen auch geschehen.

Gegen Herrn Burdinski und das von ihm gegründete „ipas Institut für politische Ana­lysen und Strategie“ wurde ferner der Vorwurf geäußert, die erste Studie die­ses Instituts mit dem Titel „Auswirkungen des Werbeverbots für verschreibungs­pflichtige Arzneimittel“ sei bereits Teil seiner Arbeit für die Koalition pro Pa­tien­teninformation und durch diese finanziert. Auch wurde ihm vorgehalten, er habe in seiner Funk­tion als Herausgeber dieser Studie deren Ergebnisse in seinem Vorwort bewusst ver­fälscht, um dem Anliegen der Koalition eine – vermeintlich – wissenschaftliche Basis zu ver­schaffen.
Zum erstgenannten Sachverhalt lagen dem Rat keine Aussagen vor. Der Ver­dacht konnte nicht erhärtet werden. Im zweitgenannten Fall haben die an der Studie beteiligten Autoren die ge­äußerte Vermutung zurück­gewiesen. Der Rat sah daher keine Veranlassung, diesen Vorwurf weiter zu verfolgen.