Ratsrügen gegen Merz-Pharma AG, Sanofi Aventis Deutschland GmbH, Astra Zenenca GmbH, Genzyme GmbH, UCB GmbH, Novartis Deutschland GmbH, Janssen-Cilag GmbH sowie erneut gegen deren PR-Agentur K+W von Andreas Schnoor. Öffentliche Abmahnung der Pharmafirma H. Lundbeck A/S (Dänemark)
Die Vorfälle:
Der Deutsche Rat für Public Relations (DRPR) hatte 2006 eine Reihe von Firmen und Verbänden, darunter die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) und den Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) sowie deren Agentur K+W wegen Schleichwerbungspraktiken in ARD-Sendungen gerügt. Seine Quellen waren die Listen der ARD-Clearingstelle von 2005. Darin waren in einigen Spalten auch Produktnamen oder Krankheiten angeführt, denen keine Veranlasser möglicher Schleichwerbung zugeordnet werden konnte.
Diese Zuordnungen sind jetzt in einem Großteil der Fälle möglich geworden. Im August 2007 wurde ein interner Projektbericht der Agentur K + W Kultur und Werbung von Andreas Schnoor in München bekannt. Er enthält für die ARD-Serie „In aller Freundschaft“ sowohl die Themen und ihre Ausstrahlungstermine wie die veranlassenden Firmen und die Zahl ihrer bestellten Folgen. Pro Folge waren 30.000 EUR fällig.
Mit Schreiben vom 11. Februar 2008 forderte der DRPR acht in dem Projektbericht genannte Pharmafirmen zu einer Stellungnahme auf. Fünf Firmen antworteten schriftlich, zwei zusätzlich per Telefon. Drei Firmen haben nicht geantwortet.
Das Urteil:
Schleichwerbung stellt eine unzulässige Form der Zuschauerbeeinflussung dar. Sie ist nicht nur durch die Rundfunkstaatsverträge verboten. Auch der PR-Code de Lisbonne (Art. 4) und eine Verhaltensrichtlinie des DRPR zu Schleichwerbung und Product Placement gebieten offene und leicht als solche erkennbare PR-Maßnahmen. Diese Offenheit wurde bei den Themenplacements der betroffenen Unternehmen vermieden.
Der DRPR spricht gegenüber den Firmen
• Merz-Pharma AG
• Sanofi Aventis Deutschland GmbH
• AstraZeneca GmbH
• Genzyme GmbH
• UCB GmbH
• Novartis Deutschland GmbH
• Janssen-Cilag GmbH
als Auftraggeber der durch den Vermittler K+W durchgeführten bezahlten Themenplacements öffentliche Rügen aus.
Ebenfalls und erneut rügt der Rat die Agentur K+W von Andreas Schnoor, dem als Initiator, Vermittler und Abwickler dieser Schleichwerbungfälle eine besondere Verantwortung zukommt.
Die Pharmafirma H. Lundbeck A/S (Dänemark) wird in dem Projekt-Bericht der Agentur genannt. Sie hatte zugesagt, ein Nachfolgepräparat von Cipramil – offensichtlich ihr neues Präparat Cipralex – nach dessen Zulassung für eine Folge der ARD-Serie „In aller Freundschaft“ thematisieren zu lassen. Zu ihren Gunsten nimmt der PR-Rat an, dass sie angesichts der sehr heftigen öffentlichen Reaktionen auf derartige bezahlte Themenplatzierungen davon Abstand genommen hat. In den Listen der ARD-Clearingstelle findet dieser Vorgang als einziger jedenfalls keine Entsprechung. Die Gelegenheit zu einer Stellungnahme hat das Unternehmen nicht genutzt.
Der PR-Rat ermahnt die Firma Lundbeck A/S, keine weiteren derartigen Geschäfte ins Auge zu fassen.
Die Urteilsbegründung:
Der PR-Rat verteidigt jede offene Pressearbeit von Pharmaunternehmen mit Medien und Filmproduzenten, um neue Krankheiten zu thematisieren oder neue Arzneien oder Anwendungen vorzustellen. Wer aber Geldmittel einsetzt, um redaktionelle Veröffentlichungen zu erkaufen, untergräbt erstens die Entscheidungsfreiheit der Medienleute. Zweitens täuscht er die Zuhörer, da diese von einer neutralen Darstellung der Sachverhalte ausgehen. Er verbreitet heimlich Werbeaussagen als scheinbar unabhängige Berichterstattung.
Die Firmen Merz-Pharma AG und Sanofi Aventis Deutschland GmbH haben die Gelegenheit zu einer entlastenden Stellungnahme nicht genutzt. Aufgrund des Abgleichs der Tabellen der ARD-Clearingstelle mit dem Projektbericht der Agentur K + W kommt der PR-Rat zu dem Ergebnis, dass sie Schleichwerbung betrieben haben.
Die AstraZeneca GmbH gibt in ihrem Antwortschreiben an den PR-Rat die Schleichwerbung in der ARD-Serie „In aller Freundschaft“, Folge 142 vom 28.5.2002 zu. „Das Placement erfolgte auf Vermittlung der H+S Unternehmensberatung bzw. durch die Agentur ‚Kultur und Werbung’.“ Dafür sei ein Honorar von 25.000 EUR gezahlt worden. Dies sei der einzige Fall dieser Art gewesen.
„Einzig ein Vorgang aus dem Bereich Onkologie weist gewisse Parallelen auf. Die angebahnte Platzierung einer Krebstherapie wurde jedoch nicht zu Ende verfolgt. Die Umsetzung im Sinne einer Schleichwerbung hat nicht stattgefunden.“ Dieser letztgenannte Vorgang taucht in dem Projektbericht von K+W unter „Abschlüsse“, aber nicht in der konkreten Auflistung von Ausstrahlungen auf. Auch in den Listen der Clearingstelle ist er nicht zu finden. Der Rat vertraut daher den Aussagen von AstraZeneca.
Die Genzyme GmbH räumt ebenfalls eine Zusammenarbeit mit der Agentur K+W ein („eine ausgewiesene Pharma-PR-Agentur“). Es sei ihr nicht bewusst gewesen, dass diese einen Teil der Zahlungen für die Platzierungen eingesetzt hat. Der PR-Rat orientiert sich in seinem Urteil aber an den für alle genannten Firmen gleichen Geschäftsgrundlagen, die daher auch allen Beteiligten bekannt gewesen sein dürften. Auch lässt er sich von dem schon in der Vergangenheit befolgten Grundsatz der vollen Verantwortlichkeit des Auftraggebers leiten, der seine Dienstleister entsprechend zu verpflichten und zu kontrollieren hat (siehe u. a. DRPR-Verfahren 6 / 2006 vom 9. Mai 2006). Unwissenheit schützt nicht vor einer Ratsrüge.
Sowohl UCB als auch Novartis können den Vorwurf nach eigenen Auskünften „weder bestätigen noch dementieren“ (Novartis). UCB dazu: „Wir können deshalb nur nochmals unser Bedauern zum Ausdruck bringen, dass hier, wie durch Ihre Unterlagen untermauert, offensichtlich Aktivitäten initiiert wurden, in denen eine Involvierung der UCB GmbH leider nicht ausgeschlossen werden kann.“ Der Rat musste sein Urteil daher aufgrund der eindeutigen Aktenlage fällen.
Die Janssen-Cilag GmbH bestreitet, über ihren Geschäftsbereich Ortho Biotech ein TV-Placement für ihr Medikament Erypo in Auftrag gegeben zu haben, „weder über K+W noch über eine andere Agentur“. Nach Prüfung der Unterlagen „im Fachbereich, im Einkauf und in der Rechtsabteilung“ sei eine Zahlung „definitiv“ nicht erfolgt, teilte das Unternehmen dem DRPR per E-Mail mit. Immerhin berichtet Janssen-Cilag von einer Anfrage zu Placements zum Krankheitsbild Fatigue. „Diese Anfrage wurde von uns abgelehnt. Es kam kein Vertrag und somit kein Auftrag zustande.“
Diesen Auskünften widersprechen einerseits die Eintragungen in die Liste der ARD-Clearingstelle für 2002 und 2003 („Wirkstoff: Erypo“ bzw. „Müdigkeitssyndrom“) einschließlich kumulierter Geldbeträge und anderseits die erfolgten Ausstrahlungstermine im Agenturbericht sowie der anschließende Arbeitshinweis: „Erypo/Fatigue Syndrom: Folge 183 als 2. Folge. Treatment ab 02.12.02 angesagt. Drehbuch ab 16.12. 2002 angesagt. Drehbuch muss von SF bis 20.12.2002 bearbeitet werden, damit es in der zweiten Drehbuchfassung integriert ist.“
Leider hat das Unternehmen innerhalb zweier zusätzlich eingeräumter Fristen weder eine Zeugenaussage noch anderes entlastendes Material vorlegen können. Die auf der Empfängerseite registrierten Beträge könnten beispielsweise auch über eine zwischengeschaltete Firma mit einer anderen Summe und einem nicht eindeutigen Verwendungszweck geflossen sein.
Der DRPR schließt sich aufgrund der belastenden Unterlagen daher der Aussage des Vorsitzenden der ARD-Clearingstelle Hermann Eicher an: „Die Agentur Schnoor war kein Wohlfahrtsunternehmen, die hätte sicher nicht gezahlt für etwas, wofür sie selbst kein Geld bekommen hat.“ (Wiedergegeben in Markus Grill: „Kranke Geschäfte“, Rowohlt 2007, Seite 165)
Erwähnenswert ist die Ernsthaftigkeit, mit der die zuletzt genannten fünf Pharmafirmen AstraZeneca, Genzyme, UCB, Novartis Deutschland und Janssen-Cilag die vom Rat erhobenen Vorwürfe bearbeitet haben. Sie haben der Aufforderung des Rates zu einer schriftlichen Stellungnahme ausführlich entsprochen. Alle fünf Firmen sprechen sich eindeutig gegen Schleichwerbung und für die Einhaltung der ethischen Normen der PR-Arbeit aus.
Die Rolle des DRPR wird dabei ausdrücklich anerkannt und seine Befassung mit den Fällen begrüßt. Verwiesen wird auch auf eigene Kodizes der Branche (Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e.V. vom 16.02.2004) und der Firmen selbst, deren Einhaltung die Firmen nach eigenem Bekunden künftig konsequent sicherstellen wollen.
Der Rat begrüßt das Verhalten und die Absichtserklärungen dieser Pharmaunternehmen ausdrücklich.