Ratsrüge gegen die PR-Agentur Flaskamp AG
Der Vorfall:
Am 10. August 2007 berichtete der Kölner Stadtanzeiger, ihm seien durch die PR-Agentur Flaskamp öffentliche politische Veranstaltungen und Redaktionsbesuche eines Staatssekretärs des Bundeswirtschaftsministeriums angeboten worden, die mittels Anzeigen „gegenfinanziert“ werden sollten. Dabei könne es sich um Summen bis 40.000 Euro handeln. Die Berichterstattung sollte in der Gesamtausgabe erfolgen. Ein Beispiel, in dem die mögliche Gegenfinanzierung durch Anzeigen erkennbar sei, habe dem Angebot beigelegen: das der Märkischen Allgemeinen Zeitung.
Das Urteil:
Frankfurt, 10. Dezember 2007. Der PR-Rat fand die Darstellung des Kölner Stadtanzeigers nach eingehender Prüfung der von ihm, von der Agentur, vom DIHK und dem Bundeswirtschaftsministeriums vorgelegten Auskünfte und Dokumente und nach einer Anhörung des Agenturchefs zutreffend. Ein Agenturmitarbeiter hatte dem Kölner Stadtanzeiger eine Gegenfinanzierung von redaktionellen Berichten über eine Kampagne des Bundeswirtschaftsministeriums durch Anzeigen dieses Ministeriums und einer IHK angeboten.
Solche „Koppelungsgeschäfte“ widersprechen dem Transparenzgebot, das aller PR-Pressearbeit zugrunde liegen muss. Der PR-Rat sprach daher gegen die Agentur Flaskamp AG mehrheitlich eine öffentliche Rüge aus. Die Agentur Flaskamp AG akzeptierte den Ratsspruch umgehend mit einer öffentlichen Erklärung.
Der PR-Rat beschränkte sich auf einen aktenkundlichen Einzelfall. Er sah mehrheitlich von der Verurteilung des Medienkooperationskonzepts der Agentur ab. Um ein solches zu beurteilen, bedarf es nach Ansicht der Mehrheit noch zu formulierender geeigneter Maßstäbe; eine Verhaltensrichtlinie solle dazu jetzt erarbeitet werden.
Minderheitsvotum:
Vier Ratsmitglieder sprachen sich für die Verurteilung des Gesamtverhaltens der Agentur aus. Sie sahen in der Konstruktion sogenannter Medienkooperationen ihr entscheidendes Fehlverhalten. Die ganze Kampagne sei darauf angelegt gewesen, mediale Berichterstattung durch Anzeigen zu erzeugen. Daher müsse auch der Auftraggeber, das Bundeswirtschaftsministerium, zur Rechenschaft gezogen werden.
Der PR-Rat bekräftigte einstimmig, dass sich Auftraggeber – anders als vom Bundesministerium vorgetragen – nicht ihrer Verantwortung für die Handlungsweisen einer von ihnen beauftragten Agentur entziehen können. Ihre PR- und Pressereferenten unterliegen den gleichen Verhaltenskodizes wie alle in der Privatwirtschaft Tätigen. Aber im vorliegenden Fall war nicht das dem Auftraggeber vorgelegte Konzept, sondern eine einzelne Handlung zu beurteilen.
Die Urteilskriterien des PR-Rates:
1. Koppelungsgeschäfte mit Anzeigenplatzierungen gegen redaktionelle Berichterstattung sind nicht statthaft. Der PR-Rat bezieht sich hierbei auf den Code de Lisbonne und seine Richtlinie über Product Placement und Schleichwerbung:
Jeder Versuch, die Öffentlichkeit oder ihre Repräsentanten zu täuschen, ist nicht zulässig. Informationen müssen unentgeltlich und ohne irgendeine verdeckte Belohnung zur Verwendung oder Veröffentlichung bereitgestellt werden (Code de Lisbonne, Art. 15).
Öffentlichkeitsarbeiter bekennen sich zum Prinzip der klaren Trennung von Werbung und Redaktion bzw. Programmgestaltung in den Medien. Der Deutsche Rat für Public Relations … bekräftigt daher in Übereinstimmung mit dem Deutschen Presserat das Verbot der Schleichwerbung. Diese ist gegeben, wenn für Medienkonsumenten nicht ersichtlich ist, dass sie mit einer bezahlten Werbebotschaft konfrontiert sind…. Nebenabsprachen, die darauf abzielen, die Rechte und Freiheiten von Redaktion und Regie einzuschränken, sind sittenwidrig ( DRPR-Richtlinie über Product Placement und Schleichwerbung)
2. Nicht jeder Parallelität von Anzeigen und redaktionellem Bericht zum gleichen Gegenstand muss ein konkretes Geschäft zugrunde liegen. Beispiel: Automobilfirmen schalten in fast jeder Ausgabe der Zeitschrift Auto/Motor/Sport eine Anzeige und werden parallel sehr häufig redaktionell besprochen. Die AMS-Leser sehen in der Regel in solchen redaktionellen Texten keine verkappten Werbebotschaften sondern kritische Berichte.
3. Erscheinen hingegen in einem Medium normalerweise keine Anzeigen eines Inserenten, dann aber parallel zu einem diesen Inserenten betreffenden Bericht, so kann ein Koppelungsgeschäft vermutet werden.
Die Urteilsbegründung:
Gegen die Agentur Flaskamp AG wurde erstens der Vorwurf erhoben, dem Kölner Stadtanzeiger ein Koppelungsgeschäft angeboten zu haben (1) und zweitens, dass dies faktisch ein Bestandteil des Kampagnenkonzeptes war (2).
(1) Zum erstgenannten Vorwurf lagen dem Rat die Aussagen der beiden Hauptakteure, Antonius Flaskamp für die Flaskamp AG, und der Rechtsabteilung des Verlags M DuMont Schauberg vor. Sie sind in Teilen deckungsgleich und unterscheiden sich vor allem in Interpretation und Bewertung des Vorgefallenen. Das Angebot kann als belegt gelten. Für den DRPR zu bewerten war in erster Linie ein Satz aus einer Email eines Mitarbeiters der Flaskamp AG an einen Verlagsvertreter vom 20.7.2007:
„Die Berichterstattung soll in der jeweiligen Gesamtausgabe erfolgen. Anhand des beigefügten Beispieles der MAZ können Sie die möglichen Gegenfinanzierungen erkennen (Anzeigen).“ Dazu erklärte Herr Flaskamp dem DRPR am 4.10.07.: „Dass dieser missverständliche Satz ein Fehler war, haben wir eingeräumt und uns öffentlich dafür entschuldigt.“
Es sei der Fehler der Agentur allein gewesen, hatte Flaskamp schon vorher gegenüber anfragenden Medien geäußert: „Das war nicht mit unserem Auftraggeber abgestimmt.“ (SPIEGEL ONLINE, 12. 8. 2007).
Beim erstgenannten Vorwurf waren daher für den PR-Rat die Tatbestände eindeutig: Nicht beim Ministerium, sondern bei der Agentur lag das Fehlverhalten. Dass es ein einzelner tat, war dabei nicht ausschlaggebend. Der Rat beurteilt nur das Verhalten von Organisationen, nicht das von Einzelpersonen. Da er nicht über die Ermittlungsbefugnisse von Staatsanwälten verfügt, kann es nicht seine Aufgabe sein, Einzelverantwortungen in beklagten Organisationen auszumachen und autonome Verhaltensmöglichkeiten – ein eventuell eigenmächtiges Handeln – auszuloten.
(2) Zum zweiten Vorwurf – einem falschen Kampagnenkonzept – prüfte der PR-Rat die ihm vorgelegten Darstellungen der Kampagne und die bis zum Vorfall geschehenen Abläufe:
Im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) hatte die Flaskamp AG im Juni 2007 eine „Dialogtour“ als Teil einer Mittelstandsinitiative gestartet. Laut Website des BMWi begann diese Tour am 15. Juni in Nürnberg, weitere Veranstaltungen in größeren und mittleren deutschen Städten sollten folgen. Bestandteile dieser „Dialogtour“ waren Unternehmensbesuche eines BMWi-Staatssekretärs oder parlamentarischen Staatssekretärs, Diskussionsveranstaltungen bei IHKs, Telefonaktionen mit BMWi-Experten sowie Pressegespräche und eine lokale oder regionale Anzeigenkampagne.
Mediapartner dieser Aktionen sollte die für die Region geeigneteste Tageszeitung sein. Der DIHK beschrieb in einem Rundbrief vom 1. Juni 2007 an seine Mitglieder das Projekt als eine „Dialogtour & Anzeigenkampagne des BMWi“:
„Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) plant in Kooperation mit einigen IHKs eine „Dialogtour“ und eine „Nationale Anzeigenkampagne“…. Das BMWi tritt direkt mit einigen IHKs in Kontakt und bittet die IHKs um Mitarbeit.“
Dieser DIHK-Rundbrief enthält u. a. einen Absatz über „Begleitende Pressearbeit im Detail“:
• Kooperation mit der wichtigsten regionalen Tageszeitung (Vorabstimmung relevanter Themen, Redaktionsbesuch, Expertentelefon, Schaltung einer Eckfeldanzeige mit Terminankündigung, Moderation durch den Chefredakteur, begleitende Berichterstattung, auch im Internet)
• Einladung der übrigen regionalen Medien (Print, Hörfunk, TV) zur Begleitung der Firmenbesuche bzw. zur Diskussionsrunde. Vermittlung von Interviewkontakten, Ausgabe einer Pressemappe mit allen relevanten Informationen zur Mittelstandspolitik des Ministeriums, Betreuung der Journalisten am Ifostand durch PR-Berater der Agentur.
• Einbeziehung der Kammermedien
Zur ersten Station der Tour in Nürnberg gab es nach Auskunft von Herrn Flaskamp gegenüber dem DRPR keine Medienpartnerschaft. Anzeigen wurden, wie von der Agentur gegenüber dem DRPR belegt, in zwei Medien geschaltet: in den Nürnberger Nachrichten und in BILD Nürnberg. Über die redaktionelle Berichterstattung in diesen Medien lagen dem DRPR keine Informationen vor.
Bei der zweiten Station der Tour am 11. Juli 2007 in Potsdam war die Märkische Allgemeine Zeitung (MAZ) der Medienpartner. Sie berichtete in aller Ausführlichkeit. BMWi- und IHK-Anzeigen wurden im entsprechenden Zeitraum flankierend zur Tour geschaltet, wie aus einer Dokumentation der Flaskamp AG hervor geht, die dem DRPR vorgelegt wurde. Berichtet wurde wie folgt:
„Ein Maßnahmenbündel für die kleinen Unternehmen…“ (05. Juli), „Der Osten braucht auch weiterhin eine besondere Förderung. Staatssekretär Walter Otremba…“ (Interview 05.Juli), „Mittelstand im Fokus Dialogtour des Wirtschaftsministeriums“ (9. Juli), „Staatssekretär diskutiert mit Mittelständlern“ (11. Juli), „Der märkische Mittelstand ist bester Laune. Auf seiner „Dialogtour“ darf sich Staatssekretär…“ (13. Juli)
Anzeigen des BMWi erschienen in der MAZ am 7./8. Juli, 10. Juli und 11. Juli; Anzeigen der IHK Potsdam am 12. Juli. Der Geschäftsführer der Zeitung Peter Asmussen kommentierte diese Zusammenarbeit am 13.8.07. in der TAZ: Man habe die Chance nutzen wollen, das Thema exklusiv aufzugreifen. Aber: „Anzeigen waren in keiner Weise Teil des Gesamtdeals.“ Es seien zwar von der Agentur Flaskamp Anzeigen geschaltet worden, dies sei aber erst nach der Veranstaltung geschehen. Und dass der Chefredakteur Veranstaltungen moderiere, an denen die Potsdamer IHK beteiligt ist, sei nicht unüblich.
Für die Mehrheit der PR-Ratsmitglieder boten die schriftlichen Anregungen des DIHK an seine Mitglieder bezüglich der begleitenden Pressearbeit (s.o.) keinen Anlass, die intendierte Medienpartnerschaft zu inkriminieren. Wenn in diesem DIHK-Rundbrief von „Eckfeldanzeigen mit Terminankündigung“ gesprochen werde, lasse das nicht auf eine Aufforderung an die IHKs schließen, dem ausgewählten Verlag Koppelungsgeschäfte anzubieten. Auch die Aussage des Geschäftsführers der Märkischen Allgemeinen Zeitung schließe eine derartige generelle Intention der Agentur aus. (Minderheitsvotum s.o.)