11 / 2006 Schleichwerbung in der ARD

Ratsrügen gegen den Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) und ihren Vermittler K+W
 
Der Vorfall:
 
Der GDV wird in den Listen der ARD-Clearingstelle zur Schleichwerbung als Auftraggeber für 24 Placements mit dem Inhalt „verschiedene Versicherungsfälle über die Figur Corinna“ geführt. Dazu ist ein Netto-Umsatz von 208.607,09 Euro ausgewiesen. Als Vertragspartner wird die bereits vom DRPR in anderen Fällen gerügte Firma Kultur und Werbung (K+W), München genannt.
 
Im Bericht der Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz (LMK) steht der GDV ebenfalls als Auftraggeber für Schleichwerbung: „So hat der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft GDV Einfluss auf redaktionelle Inhalte zu Sach- und Lebensversicherungen genommen.“ Angaben zu Honorarzahlungen für die Platzierungen finden sich in dem Bericht der LMK allerdings nicht. Auf eine entsprechende Nachfrage des Rats geht der GDV in seiner schriftlichen Stellungnahme nicht ein.
 

Das Urteil:
 
Bonn, 12.12.06. Schleichwerbung stellt eine unzulässige Form der Zuschauerbeeinflussung dar. Sie ist nicht nur durch die Rundfunkstaatsverträge verboten. Auch der PR-Code de Lisbonne (Art. 4) und eine Verhaltensrichtlinie des DRPR zu Schleichwerbung und Product Placement gebieten offene und leicht als solche erkennbare Werbemaßnahmen.
 
Der DRPR spricht wegen der Placements in der ARD-Serie „Marienhof“ gegenüber dem GDV eine öffentliche Rüge aus. Dem Vermittler K+W erteilt der DRPR in dieser Sache ebenfalls eine Rüge. Bereits am 9. Mai 2006 war die K+W vom DRPR wegen ihres Verhaltens in vergleichbaren Fällen öffentlich gerügt worden.
 

Die Urteilsbegründung:
 
In seiner Erwiderung auf die Anfrage des DRPR bestreitet der GDV, Schleichwerbung betrieben zu haben. Gegenstand der Darstellungen im „Marienhof“ seien keine „entgeltlichen Waren, Produkte oder Dienstleistungen (…) für die man hätte werben können“ gewesen. Die Zusammenarbeit sei ausschließlich „in Kooperation mit“ einer in „TV-Produktionen erfahrenen Agentur“ erfolgt. Von den Zahlungen der Agentur an die Produktionsgesellschaft habe der GDV nichts gewusst.
 
Der GDV übersieht in seiner Argumentation, dass vom Begriff der Schleichwerbung auch das sogenannte Themenplacement erfasst wird. Dessen Ziel ist es, einen besseren Wissensstand und zugleich ein positives Meinungsbild zu einem für Interessenten oder potenzielle Kunden relevanten Thema zu erzeugen. Man erwartet, dass dadurch die Zustimmung zu bestimmten ideellen Programmen eines Verbandes oder der Absatz konkreter Produkte in einem bestimmten Markt einfacher und eindringlicher erfolgen könne, als es ohne diese kommunikative Vorbereitung möglich wäre. Die heimlich gekaufte Platzierung von Botschaften durch anbieterübergreifende Verbände und sonstige Interessengruppen wird eindeutig vom Begriff der Schleichwerbung erfasst.
 
Dass der GDV von den Produktionskostenzuschüssen seiner von ihm beauftragten Agentur K+W an die Produktionsgesellschaft nichts gewusst hat, hält der Rat in Anbetracht der hohen Summe von 208.607,09 Euro für unwahrscheinlich. Es ist sogar zu vermuten, dass der GDV seinen Verbandsmitgliedern darüber Rechenschaft erstattet hat und der Kreis der Mitwisser daher noch größer ist.
 
Als formales Gegenargument führt der GDV in seiner Replik die Tatsache an, dass die Ratsrichtlinie über Productplacement und Schleichwerbung des DRPR erst im Oktober 2003 erlassen wurde, die Placements im „Marienhof“ aber schon 2002 stattgefunden haben. Aber diese Ratsrichtlinie stellt keine neue moralische Vorschrift dar, sondern bekräftigt die seit jeher bestehende Verurteilung von Schleichwerbungspraktiken durch den DRPR. Der Rat verweist im Rahmen seiner Ermittlungen auf diese Richtlinie, um Beschuldigten den Unterschied zwischen zulässigem Placement und unzulässiger Schleichwerbung zu verdeutlichen und es ihnen zu erleichtern, richtiges von fehlerhaftem Verhalten abzugrenzen.
 
Im Falle von Sat.1 fehlen dem Rat Angaben über direkte oder indirekte Zahlungen für die Platzierung der vom GDV gewünschten Themen. Die zitierte Passage aus dem Bericht der LMK enthält dazu keine konkreten Hinweise, sodass hieraus kein unmittelbarer Schluss auf das Betreiben von Schleichwerbung zu ziehen ist.
 
Gleichwohl bleibt das Unbehagen, dass der Sender für sein Fehlverhalten bestraft wurde und dass er nicht alleine schuldig gewesen sein kann. Auch der GDV wird mit den beanstandeten Geschäftspraktiken konfrontiert gewesen sein, zumindest wird er davon Kenntnis erlangt haben. Er hätte sich eher davon distanzieren können. Auch wurden mögliche Zahlungen an Sat.1 vom GDV nicht ausdrücklich dementiert; die Argumentation folgt dem gleichen Muster wie im Falle von „Marienhof“, bei dem Geld über die eingeschaltete Agentur geflossen ist. Aus Mangel an konkreten Fakten bezieht der Rat diese Zahlungen nicht in seine Rüge ein. Er begrüßt es, dass der GDV nach eigener Auskunft Schleichwerbung „grundsätzlich“ verurteilt und ermahnt ihn, sich künftig entsprechend zu verhalten.
 
Zur Begründung der Rüge für den Vermittler, die K+W aus München, verweist der DRPR auf seinen Spruch vom 9. Mai 2006 (1 / 2006). Das Geschäftsgebaren der Agentur von Andreas Schnoor war stets das Gleiche.