02 / 2002 Strafaktion gegen Journalisten wegen miss­liebi­ger Berichte

Abmahnung der Lufthansa
 
Der Vorfall:
 
Die freie Journalisten Tatjana Meier beklagte, dass sie seit ihrem Bericht über „Pressionen der Lufthansa gegen kritische Presse“ in den epd-Medien 40-41 vom 23. Mai 2001 (vgl. DRPR-Feststellung 02/1: Lufthansa vs. SZ) nicht mehr zu LH-Pressekonferenzen eingeladen werde und auch keine Pressemitteilungen mehr per Post oder Fax erhalte. Vorher waren das im Jahresdurchschnitt rund 4 – 5 Texte pro Woche. Auf mehrmalige Vorhaltungen per e-mail wurde ihr mitgeteilt, dass der LH-Presseverteiler umgestellt wurde; man habe sie auf das jedermann zugängliche Internet verwiesen.
 
Der Leiter der Unternehmenskommunikation der LH Klaus Walther stellte die Streichung nicht ausdrücklich in Abrede. Er schrieb dem Rat von „Umstellungen in der Pressearbeit, u. a. die Überarbeitung von Vertriebswegen und Verteilern“, die sich nach sachlichen Kriterien vollzögen. Er gab auf Nachfrage aber keine Auskunft darüber, wie groß der Personenkreis ist, der von der genannten Überarbeitung von Vertriebswegen und Verteilern betroffen wurde. Seine Maßnahmen begründete er damit, „dass wir schon aus Effizienzgründen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten darauf achten, dass konkrete Pressevorhaben, die im Zusammenhang mit unserem aktuellen Geschäft stehen, in der Priorität zuerst behandelt werden. Die Medien, die Frau Meier zu vertreten angibt, haben sich auch bislang nicht über Mängel in der Zusammenarbeit beklagt.“
 
Frau Meier muss aber wegen des vorherigen Einbezugs in die LH-Pressebetreuung bis Ende Mai 2001 als eine anerkannte LH-Gesprächspartnerin gegolten haben. Ihre abrupte Streichung von der Verteiler- und Einladungsliste der LH kann daher ebenso wie die abrupte Kürzung der SZ-Abonnements mit jeweils vorausgegangenen Veröffentlichungen in Zusammenhang gebracht werden.
 
Dem Rat liegen Zeugnisse von Journalisten vor, die von der LH-Pressestelle neben e-mails weiterhin auch Post und Faxe erhalten. Die Einladung zu einem „Pressestammtisch“ in München am 21.1.02. wurde zum Beispiel per Fax versandt und stand nicht im Internet. Sie war nach Auskunft von Herrn Walther „personengebunden“. Allerdings wurde bei diesem Treffen laut Einladungstext über die Entwicklung des Münchener Hubs, über künftige Vorhaben und über neue Langstreckenverbindungen für München informiert und Fragen beantwortet. Folglich fand man diese Informationen 2 Tage danach auch in vielen Zeitungen wiedergegeben.
 
Diese Presse-Informationen hatte die LH auch ins Internet eingestellt, „sodass nicht eingeladenen Medien kein Nachteil erwuchs“. Frau Meier erklärte dazu, dass es nicht möglich sei, zur Beobachtung von rund 20 Fluggesellschaften ständig im Internet zu surfen. Ihre Arbeitsbedingungen seien durch die Herausnahme aus dem LH-Presse-Verteiler extrem erschwert worden. Recherchen im Kollegenkreis bestätigen dies.
 
Entgegen der Aussage, alle LH-Presse-Termine seien im Internet zu erfahren und niemand werde von einer Teilnahme ausgeschlossen, wurde Frau Meier der Zutritt zu dem LH-Pressestammtisch am 21.1.02 verwehrt. Die Leiterin der LH-Pressearbeit Süddeutschland hat ihr auf ihre telefonische Anfrage „nach Rücksprache in Frankfurt“ den Einlass nicht in Aussicht stellen können. Sie war daher nicht erschienen und konnte nicht testen, was Herr Walther nachträglich schrieb: „Wäre Frau Meier uneingeladen zu dem Get-together am 21. Januar erschienen, so hätte ich sie schon aus Gründen der Professionalität nicht des Raumes verwiesen.“

 
Das Urteil:
 
Bonn, 8. April 2002.Im vorliegenden Fall waren nicht die Sachverhalte, sondern deren Beurteilung strittig. Der Rat hatte sich dazu vorrangig mit der prinzipiellen Frage zu befassen, ob es einem Unternehmen zusteht, bei Presse-Einladungen und Presse-Informationen nach eigenen Auswahlkriterien zu verfahren und diese gegebenenfalls kurzfristig auch zu ändern.
 
Der Rat unterstellt, dass bei Presse-Einladungen nach Maßstäben der Effizienz und Ökonomie vorgegangen werden muss, denn die Zahl der Teilnahme Erheischenden übersteigt in der Regel die organisatorischen Gegebenheiten. Besonders bei Hintergrundgesprächen muss eine Organisation autonom über den Kreis der Teilnehmer entscheiden dürfen. Das Münchener „LH-Get-together“ wurde als ein solches Gespräch gewertet.
 
Der PR-Rat sah auch bei Presse-Mitteilungen die autonome Entscheidungsfreiheit der Pressestelle über den Empfängerkreis als gerechtfertigt an. Journalisten, die nur auf die Internet-Mitteilungen der Pressestelle angewiesen sind, haben dadurch in der Regel keine Nachteile. Zeitlich sind sie normalerweise sogar im Vorteil gegenüber dem Faxversand.
 
Der Rat ermahnt aber alle Pressestellen ganz eindringlich, sich bei der Streichung von Journalisten aus Presseverteilern nicht von Strafaktionen leiten zu lassen. Eine Strafaktion ist vor allem dann zu unterstellen, wenn bisherige Gesprächspartner aufgrund missliebiger Artikel anders als zuvor behandelt werden. Pressestellen sollten dies nicht nur wegen ihres eigenen Ansehen vermeiden. Sie haben auch zu beachten, dass sie andernfalls der Regel des Artikels 14 des Code de Lisbonne zuwider handeln, der die Pflicht zur Bereitstellung von Informationen beinhaltet. Diese Pflicht gilt es insbesondere gegenüber solchen Personen zu beachten, die bisher mit Informationen versorgt wurden.
 
Art. 14: Die in diesem Kodex festgehaltene Geisteshaltung beinhaltet die ständige Respektierung des Rechts auf Information durch die Public Relations-Fachleute sowie die Pflicht zur Bereitstellung von Informationen…
 
Von den neun an der Urteilsbildung teilnehmenden Ratsmitgliedern haben sich drei für eine Rüge und zwei für einen Freispruch der Lufthansa ausgesprochen. Die Mehrheit entschied sich für die ausgesprochene eindringliche Mahnung.