DRPR-Richtlinie zu PR in digitalen Medien und Netzwerken

Grundsätzliches

Bei der Information und Meinungsbildung durch Medien hat es immer Versuche gegeben, die Interessen von Organisationen oder auch Einzelpersonen verdeckt in redaktionelle Inhalte einfließen zu lassen. Der Deutsche Kommunikationskodex sowie internationale Kodizes wie der Code d’Athènes, der Code de Lisbonne oder die „Sieben Selbstverpflichtungen“ stellen die klare Trennung von Journalismus und PR normativ sicher. Sie schaffen zudem die Möglichkeit, Verstöße gegen das Objektivitäts-, Unabhängigkeits- und Transparenzgebot zu rügen oder zu mahnen.
Getrieben durch die Digitalisierung sind neue Formen der Kommunikation entstanden. Die digitale Verlinkung von Menschen und Maschinen führt zu „neuen Formen“ der Rezeption und Produktion von Botschaften. Eine Folge: Klassische Medien wie Print, TV oder Radio senden über das Internet. PR und Marketing vermischen sich dabei zunehmend und sind für viele Rezipient:innen  häufig kaum noch unterscheidbar. Der Begriff Content-Marketing spiegelt das wider.

Akteur:innen in sozialen Medien werden als „News-Produzent:innen“ wahrgenommen. Es ist zudem eine „Sharing-Kultur“ entstanden, die Botschaften nicht nur in der Reichweite und Quantität des Outputs multipliziert, sondern sie auch leichter veränderbar und damit manipulativer und intransparenter werden lässt.

Dabei geht es nicht mehr so sehr um den Kanal, sondern im Kern um Content (Information, Unterhaltung, alle nur denkbaren Mischformen) und dessen Aufbereitung sowie Platzierung.  Der Rat spricht hier insgesamt von „Inhalteanbieter:innen“. Dies können Unternehmen, Entitäten jeder Art oder auch Einzelpersonen sein.

Die Identität und die beruflichen und/oder wirtschaftlichen Interessen der „Inhalteanbieter:innen“ sind dabei häufig nicht offensichtlich und für jede:n Nutzer:in nachvollziehbar. Diese fehlende Transparenz und die mitunter unzureichende Medienkompetenz der Endnutzer:innen erleichtert es professionellen Interessenvertreter:innen  und reichweitenstarken halbprofessionellen Endnutzer:innen gegen eine Vergütung institutionelle Interessen als persönliche Meinung zu kommunizieren.

Der Deutsche Rat für Public Relations hält es daher für erforderlich, die im Jahr 2010 verabschiedete und zuletzt 2018 aktualisierte „Richtlinie zu PR in digitalen Medien und Netzwerken“ zu ergänzen. Dabei geht es nicht darum, die freie Meinungsbildung von Privatpersonen zu reglementieren. Ziel ist vielmehr ein verbindliches Regelwerk für alle Personen, welche die Interessen von Unternehmen oder Organisationen in diesen Medien und Netzwerken professionell vertreten. Dies schließt ausdrücklich Privatpersonen ein, die für ihre Kommunikationsaktivitäten durch Zahlungen, Sachleistungen oder Anerkennungen jeder Art vergütet werden.

Oberste Maxime für den Rat ist es, dass es für die Nutzer:innen von Internetangeboten jederzeit mühelos möglich sein muss, zu erkennen, ob er:sie es mit unabhängigen redaktionellen Inhalten, der Meinung von Privatpersonen oder mit PR als professionellem,  Informations- und Kommunikationsprozess zu tun hat. Professionelle Kommunikator:innen, die in dieser Rolle agieren, müssen daher selbst proaktiv und explizit anzeigen, wenn Äußerungen im kommerziellen Kontext geschehen. Unternehmen und Organisationen sollen ihr Online-Verhalten im Rahmen ihrer Corporate Governance schriftlich definieren und diese Verhaltensregeln schnell und einfach einsehbar an prominenter Stelle veröffentlichen. Die Corporate Governance sollte sich dabei sowohl auf sozialen Plattformen als auch auf eigene Kanäle (z. B. Webseiten) beziehen.

 

Im Einzelnen gelten folgende Regelungen:

I. Transparenz von Absender:innen in der Online-Medienarbeit

1. Online-Medienarbeit ist längst Teil des kommunikativen Tagesgeschäfts von Unternehmen und Kommunikationsdienstleistern geworden. Hier entscheidet die Redaktion bei der digitalen Einsendung genauso wie bei der klassischen Pressemitteilung, ob sie das Material verwenden will oder nicht. Der:Die Absender:in muss jedoch auch bei der digitalen Medienarbeit ersichtlich sein; beispielsweise also die Organisation, in deren Auftrag eine Agentur Unterlagen an ein Online-Medium sendet.

Dies gilt im gleichen Maße, wenn es sich nicht um Online-Medien, sondern um semiprofessionelle oder um von Privatpersonen betriebene/genutzte Plattformen (z. B. im sogenannten „Influencer-Marketing“) handelt. Auch hier muss der:die Auftraggeber:in und somit genuine Absender:in der Botschaften jederzeit erkennbar sein. Die Art, der für die Veröffentlichung gegebenenfalls erhaltenen Zuwendungen, ist dabei völlig unerheblich.

Zudem ist durch die beschriebene moderne Kommunikationskultur eine mehrstufige Kommunikation entstanden: Botschaften werden veröffentlicht, geteilt, das Geteilte wird kommentiert, verändert und kann in einen anderen Kontext gesetzt werden. In dieser Mehrstufigkeit darf die Transparenz über den:die Absender:in nicht verloren gehen. Es ist daher notwendig, Veränderungen – ob in Wort oder Bild – stets mit Quellenangabe deutlich zu machen; im besten Fall auch auf die Quelle zu verlinken.

2. Auch wenn Transparenz und Klarheit über den:die Absender:in im Rahmen von PR-Maßnahmen zentral sind, so soll dies keinesfalls überraschende Elemente in Kampagnen verhindern. Häufig wird bei Kampagnen, beispielsweise im Vorfeld eines Produktlaunches, eine sogenannte „Mystery-Phase“ mit eingeplant, in der ein wie auch immer geartetes Geheimnis um ein Produkt oder eine Dienstleistung aufgebaut wird. Eine „Mystery-Phase“ als kommunikatives Instrument, um Aufmerksamkeit und Spannung zu erzeugen, darf über einen der jeweiligen Aktion angemessenen Zeitraum bestehen bleiben. Transparenz über den:die Absender:in muss dennoch während der Kampagne immer klar und mit einem Klick erreichbar sein – z. B. über das Impressum einer Landingpage. Spätestens zum Kampagnenschluss sollte Transparenz aktiv wiederhergestellt werden. Unklarheit über den:die Absender:in darf nicht durch Falschinformationen aufrechterhalten werden. Sofern während des Kampagnenzeitraums, z. B. durch fortlaufendes Kampagnen-Monitoring, ersichtlich wird, dass sich Inhalte oder Botschaften (z. B. durch Sharing) stark verändern und in Fake News abdriften, muss die Mystery-Phase sofort abgebrochen und der:die Absender:in sowie die ursprüngliche Intention umgehend klargestellt werden.

Das Verbreiten von Fake News, also das bewusste Kommunizieren von Unwahrheiten, um z. B. über diese Aufmerksamkeit zu generieren, ist unstatthaft – ganz gleich ob und wann diese wieder korrigiert werden oder nicht. Hier tragen diejenigen, die diese Inhalte veröffentlichen, die Verantwortung. Plattformen (analog/digital) tragen eine Mitverantwortung für die Nichtverbreitung, Richtigstellung und Löschung von derartigem Content.

Die mögliche Richtigstellung der Community zu überlassen bzw. auf einen „Konsens durch Diskussion“ zu hoffen, stellt aus Sicht des Rats kein verlässliches Instrument im Umgang mit Fake News dar.

An dieser Stelle möchten wir betonen:  Der Rat strebt mit den hier ausgeführten Festlegungen keine Form der Zensur an.  Der DRPR spricht sich ausdrücklich gegen die Einschränkung von Debattenkultur aus und befürwortet die Zugänglichmachung unterschiedlicher Perspektiven. Aber: Gerade mit zunehmender Digitalisierung von Kommunikation ist es essenziell, dass professionell erstellte Inhalte faktenbasiert, wenn nicht wissenschaftlich valide sind. Zudem sollte, wo immer möglich, erkennbar unterschieden werden zwischen sachlicher und bewertender Darstellung (also Meinung).

3. Werden über vermeintlich freie Redaktionsbüros, Redakteur:innen oder Privatpersonen vergütete PR-Beiträge als scheinbar unabhängige redaktionelle Inhalte oder Privatmeinungen angeboten, so ist dies eine unzulässige Täuschung. Ebenfalls irreführend ist es, wenn vermeintlich neutrale Institute oder ähnliche Institutionen aufgebaut werden, ohne dass kommuniziert wird, wer diese Institute bezahlt oder fördert.

4. Wenn Inhalteanbieter:innen im Internet sowohl redaktionellen Content als auch bezahlte PR-Veröffentlichungen verbreiten, so soll dies für die Nutzer:innen unterscheidbar und nachvollziehbar sein. Dies gilt sowohl für freiverfügbare Inhalte als auch für Inhalte hinter einer sogenannten „Bezahlschranke“.

 

II. Transparenz von Absender:innen bei Kommentaren

1. Im Internet bieten zahlreiche Plattformen die Möglichkeit, Kommentare abzugeben oder die Kommentare anderer Personen zu diskutieren. Zu diesen Instrumenten der öffentlichen Meinungsbildung gehören beispielsweise Blogs, Tweets, Test- und Vergleichsplattformen, Foren, soziale Netzwerke und die Bewertungssysteme von Online-Shops oder Auktionshäusern. Für diese Plattformen gilt ebenfalls das Transparenzgebot aus Artikel I.

2. Transparenz ist auch von im Web agierenden, nur scheinbar privaten Personen gefordert, die im Rahmen einer professionellen Kampagne den Eindruck vermitteln, hier entstehe eine Bewegung „von unten“. Greift beispielsweise der:die Marketingleiter:in einer Firma in genau dieser Funktion in eine Diskussion ein – gleich an welcher Stelle im Internet – und argumentiert für ein Produkt oder eine Dienstleistung der Firma, so müssen Funktion und Name in einer für das jeweilige Medium üblichen Form klar erkennbar sein. Das Gleiche gilt, wenn beispielsweise der:die Sprecher:in eines Politikers oder einer Politikerin in einem Blog oder einem Tweet Partei für diese:n ergreift. Auch hier müssen im Beitrag oder zumindest im Profil des:der Absender:in Name und Tätigkeit transparent gemacht werden. Die gleichen Personen unterliegen selbstverständlich nicht diesen Anforderungen, wenn sie außerhalb ihrer beruflichen Tätigkeit online kommunizieren. Entscheidend ist stets die Frage, ob eine Person privat oder professionell tätig wird; sei es in Ausübung ihres Berufs, eines Beratungsmandats oder eines vergüteten Auftrags.

 

III. Transparenz von Absender:innen bei Mobilisierungsplattformen

Es ist im realen Leben wie im Web üblich, dass Unternehmen, Parteien und andere Organisationen ihre Mitglieder, Teilöffentlichkeiten oder die Gesamtbevölkerung dazu aufrufen, sich durch das Äußern einer bestimmten Meinung für eine Sache zu engagieren. Dieser Aufruf darf jedoch nicht die Aufforderung einschließen, diese Meinungsäußerung anonym zu tätigen. Beteiligungsaufrufe müssen stets verlangen, dass die Unterstützer:innen ihre richtigen Namen verwenden (Klarnamenpflicht) und gegebenenfalls klar kommunizieren, dass sie Mitglied einer Organisation oder eines Unternehmens aus dem angesprochenen Themenfeld sind. Es darf kein Geld oder ein anderer werthaltiger Vorteil für Meinungsäußerungen geboten werden.

 

IV. Transparenz von Absender:innen bei Sponsoring, Produktzusendungen und Satellitenseiten

1. Für Unternehmen ist es gängige Praxis geworden, Blogs und ähnliche Plattformen in die Weiterentwicklung und Vermarktung von Produkten einzubinden. Dies trägt dem „Open Innovation“- Gedanken Rechnung, fördert also die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Entwicklung innovativer Konzepte. Auch hier muss der:die Absender:in unmissverständlich klar sein.

2. Unternehmen oder professionelle Dienstleister, die Blogs oder andere Online-Plattformen ganz oder teilweise finanzieren und dann dort ihre Produkte testen oder ihre Themen diskutieren lassen, müssen ihre Sponsor:innen-Rolle klar kommunizieren. Bei Produkttests oder -besprechungen, die aufgrund einer kostenlosen Produktzusendung erfolgen, muss durch den Auftraggeber:innen die Offenlegung dieser Tatsache erfolgen.

3. Unternehmen bieten immer häufiger in Zusammenhang mit ihren Produkten und darüber hinaus Content nicht nur auf der eigenen Homepage, sondern auf unterschiedlichen, oft themenbezogenen Webseiten an. Es reicht hier nicht, dass der:die Absender:in über ein Corporate Design oder eine Nennung im Impressum zu erkennen ist, sondern diese:r muss immer auf der ersten Seite ohne weiteres Scrollen auffällig erkennbar sein.

4. Sind politische/gesellschaftliche Gruppen oder Initiativen der:die Absender:in, so muss dies ebenfalls auf der ersten Seite erkennbar sein.

 

V. Die Grenzen von (Social) Bots

1. Der Einsatz von meinungsmanipulierenden Social Bots ist unvereinbar mit den Grundsätzen verantwortungsbewusster Öffentlichkeitsarbeit. Gemeint sind damit Skripte oder Computerprogramme, die unter falschen oder erfundenen Identitäten in sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter oder Ähnlichem den Eindruck erwecken, Menschen würden eine bestimmte Meinung vertreten, während dies in Wirklichkeit ausschließlich durch Algorithmen bestimmte Aktionen und Reaktionen sind. Der DRPR vertritt hier den Standpunkt, dass hinter jeder öffentlich vorgetragenen Meinung auch ein Mensch stehen muss.

2. Gekaufte „Fans“, „Follower“ etc. sowie deren Vermarktung wird in diesem Zusammenhang als Täuschung der User gesehen und ist ebenfalls nicht statthaft.

3. Für unbedenklich hält der DRPR hingegen Skripte, wie sie z. B. im Kundenservice für standardisierte Anfragen oder Beratungsprozesse eingesetzt werden. Häufig in Form von Avataren, artifiziellen Förderpersönlichkeiten etc. ist dies inzwischen international gang und gäbe, darf jedoch nicht mit Meinungs-Bots verwechselt werden.

 

VI. Guidelines für Influencer

1. Als Influencer verstehen wir Personen, die aus eigenem Antrieb Inhalte (Text, Bild, Audio, Video) zu einem Themengebiet in regelmäßiger Frequenz veröffentlichen. Dies erfolgt über internetbasierte Kommunikationskanäle wie Blogs und soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram, YouTube, Snapchat oder Twitter, um eine soziale Interaktion anzuregen. Influencer sind jene, die aufgrund ihrer Tätigkeit eine gewisse Reichweite erzielen und so aus der Masse der Social-Media-Nutzer herausragen. Durch ihre digitale Präsenz haben sie einen merklichen Einfluss gewonnen und ihnen kommt daher eine besondere Verantwortung zu – vor allem mit Blick auf die Inhalte, die sie (beispielsweise zu Werbezwecken) veröffentlichen.

2. Influencern wird von ihren Rezipient:innen ein hohes Maß an Vertrauen entgegengebracht. Außerdem kommt ihnen eine journalistenähnlichem Gate-Keeper-Funktion zu, aufgrund derer Influencer gehalten sind, ihre Meinungsäußerungen zu politischen oder gesellschaftlichen Themen oder Produkten/Services klar als solche zu bezeichnen und zu kennzeichnen. Sie sollten keine Fake News verbreiten und es muss zu jedem Zeitpunkt klar sein, wann es sich um eine subjektive Meinungsäußerung handelt.

3. Influencer-Profile sind im Normalfall für jeden User frei zugänglich und Werbung auf diesen Social-Media-Kanälen muss kenntlich gemacht werden. Wenn Influencer für Produkte werben, darf das nie versteckt geschehen. Der kommerzielle, werbliche Zweck muss in jedem Fall für jede:n Nutzer:in leicht und schnell erkenntlich sein.

 

VII. Gemeinsame Verantwortung von Auftraggeber:in und Agentur

1. Beauftragen Unternehmen oder andere Organisationen Agenturen oder Einzelpersonen mit der Durchführung von PR-Maßnahmen im Internet, so gelten die Verpflichtungen aus Artikel I sowohl für Auftraggeber:in als auch für Auftragnehmer:in. Beide Seiten tragen hier gleichermaßen Verantwortung.

2. In der Praxis bedeutet dies, dass Auftraggeber:innen die Aufgaben ihrer Auftragnehmer:innen präzise definieren und ihre Durchführung kontrollieren müssen. Es ist nicht zulässig, die Verantwortung für Täuschungsversuche in der Online-Kommunikation durch schwammige Formulierung in Richtung der Auftragnehmer:innen zu verschieben.

3. Treten Agenturen „pro bono“ auf, so muss die Agentur als solche klar erkennbar sein.

Stand: 07.04.2022

Die Richtlinie finden Sie hier zum Download.